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Stadttheater: Spielplan 2017 mit Brechtrevue und Faust 1 & 2

„Die Kunst ist lang“: Die letzte Spielzeit von Juliane Votteler steht im Zeichen des Abschieds.

Von Halrun Reinholz

Nach dem Opernball 2017 soll es losgehen: Sanierung des großen Hauses

Die letzte Spielzeit unter der Ägide von Juliane Votteler beginnt den Reigen der Premieren mit einer Ballettpremiere


Wie immer im Frühjahr die Vorstellung des Spielplans für die kommende Spielzeit. Es herrscht Abschiedsstimmung, weil es die letzte von Juliane Votteler sein wird. Und man hat tatsächlich den Eindruck, dass sie dem Spielplan ihren persönlichen Stempel aufgedrückt hat. Nicht zu dessen Nachteil, übrigens.



Publikumsliebling Ballett


Gemeinsam mit Juliane Votteler kam vor zehn Jahren Robert Conn als Ballettchef nach Augsburg. Sein Vorgänger Heckmann mag innovative Ideen gehabt haben, das Publikum konnte er meist nicht überzeugen. Unter Robert Conn entwickelte sich das Ballett zu einem Publikumsmagneten. Ein hervorragendes Ensemble und viele unterschiedliche Inszenierungen namhafter Choreographen trugen dazu bei. In der neuen Spielzeit wird das Ballett den Reigen der Premieren eröffnen, und das gleich mit einem Klassiker: Tschaikowskis Nußknacker mit der neu gefassten Choreographie von Mauro de Candia, der in Augsburge bereits mit „Cinderella“ in Erscheinung getreten war. Ein weiterer Höhepunkt wird die im Zeichen von Leidenschaft und Erotik stehende Doppelchoreographie Carmen/Bolero sein, die von Valentina Turcu bzw. Riccardo de Nigris in Szene gesetzt wird. Eine Studioproduktion auf der Brechtbühne bringt „Revolutionäres“ und die von Conn eingeführte Ballettgala mit illustren Gästen aus aller Welt wird auch in der neuen Spielzeit zweimal zu sehen sein.

Nichts Geringeres als Faust

Im Schauspiel dürfen sich die Zuschauer auf einige Kracher freuen. Ob es anmaßend ist, an einem Haus wie Augsburg Faust 1 & 2 im Doppelpack anzubieten? Und das, wie Maria Viktoria Linke auf Nachfrage betonte, in einem zeitlich vertretbaren Rahmen? Regisseur Christian Weise trat in Augsburg bereits mit der heiligen Johanna der Schlachthöfe auf sehr unkonventionelle Weise in Erscheinung. Auf den Faust kann man gespannt sein. Ein weiteres Anliegen des Theaters ist der angemessene und festivalgerechte Umgang mit Brecht. So will es der Zufall (oder auch nicht), dass Patrick Wengenroth mit einer Brechtrevue auf dem Spielplan steht – jener Wengenroth, der auch der neue Festivalleiter sein wird. Unter diesen Umständen ist zu hoffen, dass das Brechtfestival nicht allzu sehr von Interessenskonflikten erschüttert wird. Doch das Schauspiel bietet auch noch andere Highlights – Ödön von Horváths „Der jüngste Tag“ hat durch das Zugunglück von Bad Aibling eine traurige Aktualität erlangt, steht jedoch unabhängig davon als Präferenz der Intendantin auf dem Spielplan. Als Kinderstück „Pünktchen und Anton“ von Erich Kästner – ebenfalls ein Lieblingsautor der Intendantin. Zu Publikumsrennern dürften sich „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn und „Oscar“ von Claude Magnier (bekannt durch die Verfilmung mit Louis de Funès) entwickeln. Als erste Premiere gibt es bereits Ende September eine Uraufführung, „Das große Wundenlecken“ von Gerasimos Bekas. Kein Stück, sondern ein „Theaterprojekt“, das bei der Arbeit daran fortgeschrieben wird. Die Inszenierung mit Augsburg-Bezug steht in der neuen Spielzeit im Zeichen des Luther-Jahres 2017. Das „Rechercheprojekt“ von Harry Fuhrmann und Christiane Wiegand stellt sich vor der Folie der Augsburger Geschichte und des Religionsfriedens von 1555 unter dem Titel „Unruhe im Paradies“ die Frage nach „Glaube und Religion heute“.

Tosca, Idomeneo und Rusalka

Das Musiktheater verspricht einige Hochkaräter, startet jedoch mit einer kleinen Produktion auf der Brechtbühne: Udo Zimmermanns „Die weiße Rose“ als 70-minütiges Kammerspiel „für 2 Sänger und 15 Instrumenalisten“. Puccinis Tosca wird von Nigel Lowery in Szene gesetzt. Star-Regisseur Peter Konwitschny wir nun schon zum dritten Mal nach Ausgburg kommen, um Mozarts „Idomeneo“ zu inszenieren. Ein weiterer Schwerpunkt wird „Rusalka“ sein, die Oper von Antonin Dvorak mit dem Motiv der kleinen Meerjungfrau von Hans Christian Andersen. Tschechische Opern haben im Augsburger Repertoire mittlerweile auch schon eine gewisse Tradition. Doch es steht auch eine Uraufführung an: „Kaspar Hauser“ von Georg Thomalla, in Koproduktion mit dem Theater Freiburg. Eine Besonderheit wird auch die Oper „Simplicius Simplicissimus“ von Karl Amadeus Hartmann sein. Der Komponist verarbeitet auf der Grundlage des Textes von Grimmelshausen über den 30jährigen Krieg seine eigenen Erlebnisse in der Zeit des Nationalsozialismus.

Ausdrucksstarke Konzertabende

Die Sinfoniekonzerte in der Kongresshalle entwickelten sich kontinuierlich zu Publikumsmagneten. Das liegt einerseits an dem hervorragenden Klangkörper, aber auch an der ideenreichen Programmgestaltung. Auch die neue Spielzeit hat Verheißungsvolles zu bieten: Gleich zum Start treten „Brahminen gegen Wagnerianer“ an, im November kommt das Verdi-Requiem mit dem Philharmonischen Chor und als Novum steht eine Zusammenarbeit mit den Domsingknaben auf dem Programm.

Tanz auf dem Vulkan

Im Zeichen des Abschieds steht auch der Opernball im Januar 2017. Hier geht es weniger um die Intendantin, als um das Gebäude. „Servus und Baba“ heißt es deshalb ganz in wienerischer Art. Man nutzt die Gelegenheit zum Rückblick auf 140 Jahre Theatergeschichte in Augsburgs Großem Theaterhaus. Auch die Freilichtbühnenproduktion – nach etlichem Hickhack um die Rechte endlich spruchreif – verspricht den Tanz auf dem Vulkan abseits aller Konventionen. Die kultige „Rocky Horror Show“ wird wie immer als Gesamtproduktion aller Sparten Jung und Alt bei gutem Wetter ans Rote Tor ziehen.



Damoklesschwert Theatersanierung


Auch bei der Vorstellung des neuen Spielplans war das Thema Theatersanierung präsent. Ursprünglich sollte das Haus nach dem Opernball 2017 geschlossen werden, jetzt steht es doch noch für die gesamte Spielzeit zur Verfügung. Das gestartete Bürgerbegehren wurde von der Intendantin auf Anfrage thematisiert, sie gab sich dabei kämpferisch. Da im Theater Improvisation auf der Tagesordnung steht, können wir davon ausgehen, dass auch die letzte Spielzeit unter maroden Bedingungen im Sinne und zur Freude der Zuschauer mit Erfolg umgesetzt wird.