Stadttheater: Die nächste Spielzeit kann beginnen
Thema “Stadttheater ohne Großes Haus” im Kulturausschuss: Einige Ersatzspielstätten sind gefunden
Von Frank Heindl
Nach der Nachricht von der Schließung des Großen Hauses habe man zunächst in Schockstarre, dann in Panikhaltung verharrt – und sei schließlich doch energisch zur Planung übergegangen. So schilderte Juliane Votteler am Dienstag vor dem Kulturausschuss den pragmatischen Umgang mit den derzeitigen Herausforderungen an das Theater. Inzwischen ist die Intendantin sogar wieder in der Lage, positive Nachrichten zu verbreiten: Die Hälfte der nächsten Spielzeit sei gesichert, sagt sie, und nimmt sich im nächsten Satz zurück: “naja, auf jeden Fall das erste Drittel.”
Immerhin gibt es nun einige Ausweichspielstätten, in denen die nächste Saison wenn nicht durchgehend stattfinden, so doch wenigstens anlaufen kann. Tschaikowkis Nussknacker-Ballett und Puccinis Oper Tosca wird man in der Schwabenhalle sehen, mit herausgefahrenem Bühnensystem und verkleinerter Riesenhalle werden etwa 700 Zuschauer Platz haben. Wichtig für Musikveranstaltungen: Bei ersten Tests mit dem Orchester sei man, so Votteler, begeistert gewesen: „Die Akustik ist fantastisch!“ Die nächste gute Nachricht wird bei den Augsburger freien Jugendtheatern auf gemischte Gefühle treffen: Für das Genre „Weihnachtsmärchen“ das im kommenden Winter kein Märchen sein wird, sondern eine Inszenierung von Erich Kästners Roman „Pünktchen und Anton“, wird das Stadttheater seinen Plan übererfüllen: Die Terminvereinbarungen mit dem Kongress am Park erlauben es, mehr Vorstellungen zu geben als üblich. Ein weiterer Veranstaltungsort wird in der kommenden Spielzeit der Bahnpark sein. Die Inszenierung von Ödön von Horváths „Der jüngste Tag“, in dem es um ein Eisenbahnunglück geht, könnte von diesem Ort sogar profitieren: Man denkt mit Freude zurück an ein paar Bahnpark-Abende der Augsburger Philharmoniker vor sechs Jahren – die Location zwischen ausrangierten Lokomotiven hätte kaum inspirierender sein können.
Probleme bleiben trotz dieser ansatzweisen Lösungen mit Ausweichspielstätten. Sie beginnen damit, dass Vottelers Vorausblick für den Kulturausschuss im Januar 2017 endet – ab dann schwebt derzeit noch vieles im Ungewissen. Auch das Publikum muss erst mal an neue Orte mitkommen – und muss sich im Zweifelsfall mit Kompromissen zufrieden geben: Für die Inszenierung von Mozarts „Idomeneo“ etwa fand sich in der Kürze der Zeit kein passender Ort, die Freunde gediegen-aufwendiger Inszenierungen werden zuhause bleiben oder sich mit einer konzertanten Aufführung zufriedengeben müssen. Das wird nur der halbe Genuss sein – am Theater überlegt man gerade, wie Abonnenten entschädigt werden können, entsprechende Info-Veranstaltungen sind geplant. Ein weiterer unbefriedigender Faktor ist die Belastung des Personals und der Terminpläne: Wo ständig zwischen verschiedenen Orten umgezogen werden muss, wächst der Verschleiß nicht nur an Material, sondern auch an Arbeitskraft und Engagement.
Die Stimmung bei den Mitarbeitern sei gut, freut sich Votteler, aber sie hat auch bereits eine „Verschnaufpause“ im Januar eingeplant, weil Dauerbelastung nicht geht. Und, nächster Faktor, auch nicht finanzierbar ist: In der Schwabenhalle beispielsweise stünden externe Dienstleister zur Verfügung, die bei Auf-, Ab- und Umbau helfen – und auch nachts arbeiten. Aber das kostet natürlich, weshalb man so weit möglich mit den eigenen Mitarbeitern zurechtkommen will. Wie oft und für wie viel Geld man trotzdem Mehrarbeit bezahlen muss, ist momentan noch gar nicht absehbar. Auf Nachfragen im Kulturausschuss erklärt Steffen Rohr, kaufmännischer Direktor: Finanziell sei die derzeitige Situation ein „kompliziertes Geflecht“ und „schwer überschaubar“, kurz gesagt: Der ursprüngliche Wirtschaftsplan für 2016/17 ist schon längst Makulatur, was aber damit auf den Theater- und damit den städtischen Etat zukommt, ist noch nicht abzusehen. Dass Einnahmeverluste auf der einen, Mehrausgaben auf der anderen Seite kein erfreuliches Zusammenspiel ergeben, dürfte sich von selbst verstehen.
Votteler erklärt denn auch beschwichtigend, man nutze das Große Haus weiter permanent, es müssten also, solange die Sanierung noch nicht begonnen habe, zum Beispiel keine Probenräume angemietet werden, lediglich die letzten vier bis fünf Proben würden an den Ersatzspielstätten durchgeführt; und auch das Orchester müsse nicht umziehen. Hoffmannkeller und Brechtbühne werden vorerst weiterbespielt. Und Andre Bücker wird nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden: Alle Vereinbarungen, die über ihre eigene Amtszeit hinausgingen, so Votteler, würden mit ihrem Nachfolger abgesprochen. Auch in die Diskussion über eine Industriehalle, die derzeit als weitere Spielstätte zur Disposition steht, sei er eingebunden. Geht dieser Plan auf, werden Kulturreferent Weitzel und das Theater die Öffentlichkeit wohl im Juli informieren. Vielleicht weiß man bis dahin auch mehr über die Finanzen. Zusatzkosten, das gibt Votteler offen zu, können man „nicht wegdiskutieren“. Da mag bei der Planung der nächsten zwei Drittel Spielzeit 16/17 noch so manche Kröte zu schlucken sein. Von der Übergangszeit während der eigentlichen Sanierung ganz zu schweigen.