Stadtrat: Es darf getwittert werden
Mit großer Mehrheit verabschiedete der Augsburger Stadtrat am gestrigen Donnerstag eine Selbstverpflichtungsvereinbarung zum Thema „Twittern“. Den Stadträten ist künftig die Nutzung sozialer Netzwerke in öffentlichen Sitzungen mit Einschränkungen erlaubt.
Kernpunkte der Vereinbarung: Wichtigste Aufgabe der Stadträte bleibt die aktive Teilnahme an den Sitzungen. Die Nutzung von sozialen Netzwerken wie dem Kurzmitteilungsdienst „Twitter“ – mit dem Nachrichten live und weltweit lesbar ins Internet gestellt werden – darf nur in einem Umfang erfolgen, der die Konzentration auf die Sitzungsteilnahme nicht gefährdet und den Sitzungsverlauf nicht stört. Weiter wird die Beachtung der Rechte Dritter und der faire und respektvolle Umgang miteinander klargestellt.
Bedenken sollten die Stadträte beim Twittern auch den Rückkopplungseffekt, so der Tenor der Begründung: Die Weitergabe von Informationen unmittelbar aus der Sitzung heraus ins Internet könne zur sofortigen subjektiven Kommentierung Dritter und damit zu Störungen und auch zur Beeinflussung der Stadtratssitzungen führen.
Zwei Jahre Unsicherheit
„Was lange währt, wird endlich gut“. So leitete Christian Moravcik (Grüne) seinen ausführlichen Redebeitrag ein. Die Diskussion um das Twittern aus Stadtratssitzungen, die er selbst mit seinen „Tweets“ aus dem Augsburger Stadtrat im Dezember 2009 ausgelöst hatte, habe seinerzeit in Onlinemedien bundesweit hohe Wellen geschlagen.
CSU-Stadtrat Bernd Kränzle hatte sich damals in Moravciks Kurznachrichten, die live von einer Kollegin verfolgt worden waren, falsch wiedergegeben gesehen, worauf OB Kurt Gribl, unterstützt durch ein spontanes Votum des Stadtrats, Moravcik das Twittern untersagt hatte (DAZ berichtete). Seitdem herrschte Unklarheit darüber, ob Stadträte aus öffentlichen Sitzungen twittern dürfen oder nicht.
Twittern gegen Politikverdrossenheit
Christian Moravcik ging das Thema damals nicht konfrontativ, sondern konstruktiv an. Er habe Briefe an alle Stadtratsmitglieder geschrieben und diese in vielen persönlichen Gesprächen über das neue Medium aufgeklärt. Twitter sei ein „wichtiges neues Kommunikationsmedium, das auch für Politiker großen Raum einnimmt“, so der Grüne Stadtrat gestern. Man dürfe sich nicht über Politikverdrossenheit beklagen, wenn man nicht auf die junge Generation und deren Kommunikationsgewohnheiten eingehe.
Augsburg bundesweit Vorbild
Die in Gang gesetzte Diskussion habe zahlreiche positive Effekte ausgelöst, so Moravcik weiter. Die Stadtverwaltung setze inzwischen stärker auf soziale Netze, lokale Medien würden vermehrt per Liveticker aus politischen Veranstaltungen berichten. Auch habe er viele Anfragen aus anderen Städten bekommen, zuletzt von einem SPD-Stadtrat aus Aachen. Das Augsburger Vorgehen werde überregional verfolgt und könne bundesweiten Vorbildcharakter haben.
Claudia Eberle (NCSM), vor zwei Jahren Moravciks Gegenpart, – er hatte geschrieben, sie hatte mitgelesen – begrüßte den Beschlussvorschlag als „sehr sehr gute Lösung“, in der sie sich wiederfinde. Tendenziell beziehe der Beschluss auch die Nutzung anderer sozialer Netzwerke wie Facebook und Google+ mit ein. Beate Schabert-Zeidler wollte den Anwendungsbereich auch auf die Bildwiedergabe ausgedehnt wissen: „Ich nehme an, dass in den Sitzungen auch nicht fotografiert und das Ergebnis in soziale Netze gestellt wird“. Der Stadtrat nahm den Beschlussvorschlag gegen die zwei Stimmen der Linken an.
» Die Selbstverpflichtungsvereinbarung im Wortlaut (Drs. 11/00610 vom 14.11.2011, pdf 216 kB)