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Sonntag, 19.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Stadtbücherei: „Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“

Von Siegfried Zagler

Im 14köpfigen Ferienausschuss der Stadt Augsburg, ein Gremium, das mit der gleichen politischen Kompetenz wie der Gesamtstadtrat ausgestattet ist, wurde gestern einstimmig beschlossen, dass die vom Kulturausschuss am 19. Juli beschlossene Kürzung der Öffnungszeiten der Neuen Stadtbücherei nicht vollzogen wird. Im Mittelpunkt der Debatte standen die schwer verständlichen Vorgänge im Kulturausschuss.

Neue Stadtbücherei – Bild: Kleeblatt-Film



Es bleibt – was die Öffnungszeiten betrifft – somit in der Neuen Stadtbücherei alles wie es war. Damit wurde einem Dringlichkeitsantrag der SPD in der Stadtratsitzung vom 29. Juli entsprochen. Der Antrag wurde damals zurückgestellt, da Gribl nicht vorhatte, den an ihn adressierten Beschluss („OB-Verfügung“) zu vollziehen. Damit ging gestern eine Eskapade zu Ende, die wochenlang für Schlagzeilen und eine kulturpolitische Debatte gesorgt hatte. Kulturreferent Peter Grab, der dabei am stärksten beschädigt wurde, wurde gestern von Gribl zu Beginn der zirka 40 Minuten andauernden Aussprache in Schutz genommen: „Herr Grab hat sich entsprechend der Ratschläge der Arbeitsgruppe verhalten“. Gribl referierte noch kurz über die Alternativlösung ( personelle Verstärkung und eingeschränkte Servicezeiten) und gab zu bedenken, dass damit die Probleme der Neuen Stadtbücherei nicht aufgehoben seien. „Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“.

„Der OB als Deus ex machina“

Wie es Ende 2011 aussieht, wenn 6 Stadtbüchereimitarbeiter die Freistellungsphasen der Altersteilzeit beziehungsweise ihren Ruhestand antreten, „kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, da in diesen Fällen die für die gesamte Stadtverwaltung die geltende Wiederbesetzungssperre greift“, heißt es in der Beschlussvorlage, der nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Kiefer ein formal wichtiger Schlusssatz fehlt: „Der gegenlaufende Beschluss vom 19. Juni wird aufgehoben“.

Gribl nahm den Ball an („ Nehme ich gerne auf“) und eröffnete damit die Diskussion um die unverständlichen Vorgänge seinerzeit im Kulturausschuss. Diese hätten – so die Auffassung von Stadträtin Eva Leipprand (Grüne) – Verena von Mutius beschädigt, da von Mutius den Eindruck gewonnen habe, dass die Angelegenheit bereits entschieden sei. Die Geschichte sei deshalb sehr ärgerlich, weil die Stadträte im Ausschuss nicht adäquat informiert worden seien. Man habe damals laut von Mutius den Eindruck gewonnen, dass man nur zwischen weniger Service und kürzeren Öffnungszeiten entscheiden könne. Nicht nur die Grüne Stadträtin von Mutius, sondern auch Manfred Lutzenberger, der Leiter der Neuen Stadtbücherei, sei durch diese Vorgänge beschädigt worden, so Leipprand. Nach der Entscheidung im Kulturausschuss sei Gribl als Deus ex machina erschienen und habe den Beschluss nicht vollzogen. Der Oberbürgermeister solle Kulturreferent Grab bestellen, dass er mit seinem Ausschuss besser umgehen solle. Gribl wollte das nicht so stehen lassen. „Der Vorgang ist nicht so tragisch, weder von Mutius noch Lutzenberger sind beschädigt worden“.

„Wir hätten eventuell nicht abstimmen sollen“

Rolf Harzmann (Pro Augsburg) versuchte die Debatte ins Komödiantische zu ziehen. „Wir haben nun begriffen, dass die Opposition Recht gehabt hat, aber haben wir denn wirklich keine anderen Probleme? Peter Grab ist in die Schlacht gezogen, um zu sparen – und kaum hat der arme Kerl getan, was man von ihm verlangt hat, schon wurde er beschädigt“. Es sei kaum nachvollziehbar, so Harzmann, was eine Stunde Kürzung pro Tag für ein Theater heraufbeschworen habe, „wenn man bedenkt, dass die alte Stadtbücherei einen kompletten Werktag geschlossen hatte“.

Das brachte Christa Stephan (SPD) in Rage: „Hier geht es nicht um irgendetwas, sondern um jede Menge.“ Die Neue Stadtbücherei habe eine sehr wichtige soziale Funktion. Peter Grab sei nicht nur Fachreferent, sondern auch Bürgermeister. Grab müsse schon tiefer in die Verwaltung hineinsehen können. „Wir können das nicht gut finden, wenn der Oberbürgermeister immer als Retter auftauchen muss“. Karl–Heinz Schneider (SPD) brachte das Dilemma der Opposition – also in diesem Fall das Dilemma der SPD – auf eine formal interessante Ebene. Einerseits sei der Kulturausschuss einer Empfehlung der Verwaltung nachgekommen, andererseits sei der Beschluss nicht vollzogen worden. „Wie kommen wir also von dem Beschluss wieder weg?“ Schneider brachte die Geschäftsordnung und die Gemeindeordnung ins Spiel und vertrat die Auffassung, dass es formal richtig wäre, wenn man den Beschluss von der Regierung von Schwaben annullieren ließe.

„Dazu brauchen wir keine Regierung von Schwaben“

Dieser formalistischen Spitzfindigkeit wollte der Ferienausschuss nicht folgen. Der Fraktionschef der CSU, Bernd Kränzle, gab zwar das Durcheinander im Kulturausschuss zu, kam aber zu einer anderen Schlussfolgerung: „Wir hätten eventuell nicht abstimmen sollen“, da man nicht in die Befugnisse des OB eingreifen solle, aber man könne gut damit leben, dass der Beschluss zurückgenommen wurde. „Dazu brauchen wir keine Regierung von Schwaben“. Theo Gandenheimer (CSU) wollte die Debatte verkürzen – oder zumindest in ruhigere Gewässer führen – und merkte an, dass es im obersten Verwaltungsgremium der Stadt (Stadtrat) eigentlich keine Opposition gebe. „Ich finde es nicht schön, dass wir hier immer von der Opposition reden, es gibt vielleicht eine andere Meinung, aber keine Opposition.“ „Wenn es keine Opposition gibt“, so Eva Leipprand in ihrer Replik, „warum haben Sie uns dann aus allen Gremien rausgehalten?“