Premiere
Staatstheater: Zauberflöte – nicht nur bezaubernd schön
Eine Zauberflöte zu inszenieren, stellt angesichts der Bekanntheit dieser Oper jeden Regisseur vor eine Herausforderung. Und erst recht eine Regisseurin, wie aktuell im Staatstheater Augsburg. Andrea Schwalbach lässt die Puppen tanzen und holt die Oper mit Augenzwinkern zurück ins Volkstheater.
Die Frauen kommen im Libretto der Zauberflöte aus unserem heutigen Verständnis nicht gut weg: Eine hysterische Königin der Nacht, die nicht einsieht, dass ihr Kind bei dem weisen Sarastro besser aufgehoben ist als bei ihr. Eine Pamina, die sich dem Prinzen Tamino unreflektiert an den Hals wirft und ihm blind vertraut, drei sich angiftende Damen, die bei dem Prinzen mit ihren Reizen wetteifern – und dann noch Papagena, deren Sinn nach nichts anderem als häuslichem Kindersegen steht. Andrea Schwalbach macht dennoch nicht den Fehler, die Oper feministisch umzuschreiben, aber sie verleiht ihr eine weibliche Sichtweise.
Die drei Damen, schon während der Ouvertüre auf der Bühne, sind viel aktiver als im Libretto vorgesehen. Sie dienen der Königin, weil sie wissen, dass diese nur noch eine Marionette Sarastros ist. Deshalb entwickeln sie Eigeninitiative und „stricken“ (trotz aller Divergenzen und Rivalitäten) an einem Plan, Pamina aus den Fängen Sarastros zurückzuholen. Tamino wird an einer Angel an Land gezogen, er ist Teil des Plans.
Weiblich ist aber auch die Sicht auf Sarastro und seine Tempelherren, die ohne falschen Respekt als Macho-Club dargestellt werden. Sarastro zieht die Fäden und schaut sich das Geschehen wie ein „Big Brother“ auf den Puppenbühnen des „Teatro Sarastro“ an. Tamino, der sich ohne Zögern von den Damen und dem Bildnis Paminas (in diesem Fall kein Bildnis, sondern eine Art Kristallkugel) für die Mission einspannen lässt, wird Teil des Systems und lässt sich auf Aufgaben ein, deren Hintergründe er nicht kennt. Das ist auch im originalen Libretto so, wird aber durch die „Weisheit“ des Systems erklärt, das sich am Ende nur den Wissenden erschließt. Andrea Schwalbach hinterfragt den weihevollen Club, indem sie Sarastro als Schausteller darstellt, umgeben von Komödianten (und übrigens auch Komödiantinnen), dadurch verliert nicht nur Sarastro, sondern auch der Prinz einiges von seinem Glanz. Er bleibt letztlich ein Opportunist, der sozialen Aufstieg und Pamina glücklich verbinden kann.
All das wird von der Regisseurin nicht mit einem aufdringlichen feministischen Zeigefinger demontiert, sondern mit spöttischem Augenzwinkern in der Tradition des Volkstheaters, dem Mozart sich bei der Komposition der Zauberflöte ja auch verpflichtet fühlte. Das Komödiantische beschränkt sich daher nicht nur auf die derbe Einfalt des Papageno und seiner Papagena, sondern zeigt sich auch in der vermeintlich besseren Gesellschaft Sarastros und der entmachteten Königin.
Keine neue, aber durchaus eine frische Sichtweise, die vom Bühnenbild und den Kostümen von Anne Neuser kongenial unterstrichen wird. Auch mit den Dialogen geht die Regisseurin kreativ um: Einerseits kürzt sie sie radikal und reduziert damit die Spielzeit auf knapp drei Stunden, andererseits lässt sie die Sänger einzelne Passagen in ihren jeweiligen Muttersprachen sprechen.
In der Pause war ein wenig Gemurmel zur Regie zu vernehmen, weshalb für die frenetische Zuschauerreaktion am Schluss wohl die musikalische Ausführung entscheidend war, die unter der Leitung von Lancelot Fuhry im ersten Teil fast zu temporeich daherkam: Taminos Bildnis-Arie hätte ein bisschen mehr Innehalten verdient. Doch im zweiten Teil hatte sich das eingespielt. Die Besetzung ist eine Parade des mittlerweile gut aufgestellten Staatstheater-Ensembles, wobei vor allem die weiblichen Darstellerinnen brillierten: die noch sehr junge Olena Sloia als Königin der Nacht, Jihyun Cecilia Lee als Pamina, die drei Damen Sally du Randt, Natalia Boeva und Kate Allen und nicht zuletzt Sandra Schütt als Papagena. Bei den Männern war Wiard Witholt als Papageno eine auch darstellerisch überzeugende Erscheinung. Imposant zeigten sich Guido Jentjens als Sarastro, ebenso wie Wiard Withold als Monostatos und Roman Poboinyi als Tamino. Müßig zu erwähnen, dass die drei (Domsing-)Knaben (Premierenbesetzung Samuel Winckhler, Moritz Blank und Jack Crosby) von Reinhard Kammler stimmlich bestens präpariert waren und im übrigen auch die darstellerische Herausforderung als Marionetten an Fäden bravourös meisterten. —- Halrun Reinholz