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Samstag, 23.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Sozialticket: Das Urteil, die ersten Reaktionen

Das Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichts in Sachen Sozialticket hat zu ersten Bewertungen seitens der Politik geführt.

Laut Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg muss die Stadt Augsburg erneut über das Sozialticket entscheiden. Vier Leistungsempfänger nach SGB II (Hartz IV) hatten dagegen geklagt, dass ihnen kein Sozialticket gewährt worden ist. Das Gericht hat die Ablehnung einer speziellen Gruppe von Hilfeempfängern als Ungleichbehandlung und damit als rechtswidrig bezeichnet. Die Stadt Augsburg ist nun verpflichtet, sich mit den Anträgen der Kläger auf ein Sozialticket erneut zu befassen. Wie sie dies unter der Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts tut, ist ihre Sache; es käme zum Beispiel auch eine Ablehnung sämtlicher Sozialticketanträge in Frage.

Diese Vorgehensweise würde aber wiederum die Frage in den Raum stellen, ob die aktuellen Inhaber eines Sozialtickets zu Unrecht dieses Privileg „genießen“ und somit ihre vergünstigten ÖPNV-Monatskarten ungültig sind oder ungültig gemacht werden müssten.

"Alle Hartz-IV-Empfänger sollen ein Sozialticket beantragen": Otto Hutter

"Alle Hartz-IV-Empfänger sollen ein Sozialticket beantragen": Otto Hutter


Falls aber die Stadt die aktuelle Beschlusslage als Handlungsmatrix für die Verwaltung bestehen lässt, steht die Frage im Raum, ob nach dem gestrigen Urteil alle zirka 27.000 Bedürftigen (und somit auch die bisher zu Unrecht ausgeschlossenen arbeitssuchenden Hartz-IV-Empfänger) einen Antrag auf ein Sozialticket stellen könnten, der dann nicht abschlägig beschieden werden dürfte. Die Verunsicherung seitens der Stadtregierung hat der Linke Stadtrat Otto Hutter auf schwejksche Art bearbeitet. Er hat vor wenigen Stunden via Pressemitteilung alle Hartz-IV-Empfänger dazu aufgerufen, ein Sozialticket bei der Stadt Augsburg zu beantragen. Hutters Stadtratskollege Alexander Süßmair gab für die Ausschussgemeinschaft ein Statement ab, das die Position der Linken verdeutlicht. Das Augsburger Verwaltungsgericht habe die Kritik der Linken bestätigt. „Dass 20.000 Hartz-IV Empfänger vom Sozialticket ausgeschlossen sind, hat nun ein Ende. Dies verdankt man vier engagierten Bürgern, die Klage gegen das “Sozialticket light” eingereicht haben“, so Süßmair, der darüber hinaus darauf hinweist, dass die angeblichen Kosten in Millionenhöhe für ein „echtes Sozialticket“ ein Märchen seien.

Claudia Eberle

Claudia Eberle


Die CSM-Fraktion kann das Urteil des Verwaltungs­gerichts Augsburg „ohne Wenn und Aber nachvollziehen“ und spricht sich dafür aus, keine Rechtsmittel dagegen einzulegen. „Die Aussage des Gerichts, dass die Stadt über das Ob und Wie neu nachdenken muss, passt zu den Überlegungen der CSM-Fraktion“, so deren Vorsitzende Claudia Eberle. Die CSM habe sich bei der Einführung dafür ausgesprochen, die Erfahrungen eines einjährigen Probelaufes auszuwerten und das Konzept zu optimieren. Eine Schwachstelle habe das Gericht bereits nach wenigen Monaten benannt. „Was den Sozialhilfe- und Wohngeldempfängern sowie den Asylbewerbern zugestanden wird, kann man den Beziehern von Hartz IV nicht versagen“, so Eberle, die sich dafür ausspricht, das Urteil des Gerichts als Steilvorlage für eine gründliche Bestandsaufnahme und eine Weiterentwicklung des Sozialtickets zu machen. „Wir zielen darauf ab, sowohl die berechtigten Anliegen der betroffenen Menschen zu wahren als auch die Verankerung der notwendigen Gelder im städtischen Haushalt zu sichern.“

Margarete Heinrich

Margarete Heinrich


Die SPD-Fraktion, die (vor der Kommunalwahl) zusammen mit den Linken zu den schärfsten Kritikern der gescheiterten Regelung gehörte, fühlt sich im Urteil des Verwaltungsgerichtes bestätigt, wie heute die SPD-Fraktions­vor­sitzende Margarete Heinrich zu Protokoll gab. In der Oppositionsrolle plädierte die SPD im Wahlkampf für ein Sozialticket, das allen Bedürftigen zusteht. In ihrer neuen Rolle als CSU-Koalitionspartner schlägt die SPD als Teil der Stadtregierung eher pragmatische Töne an. Die problematische Finanzierung dürfe nicht dazu führen, dass die Frage nach der grundsätzlichen Notwendigkeit eines Sozialtickets auftauche. Von der CSU, der AfD, den Grünen und von Pro Augsburg sind bisher keine Stellungnahmen bekannt.

Dr. Stefan Kiefer

Dr. Stefan Kiefer


Bürgermeister und Sozialreferent Stefan Kiefer bewertete gestern die Situation nach dem Urteil als Referent sehr staatsmännisch: „Das Urteil ist für die Stadt Augsburg schwierig zu handhaben, da sie den Umfang ihrer freiwilligen Leistungen auch planen können muss. Die Einführung des Sozialtickets nur für einen Teil der Hilfeempfänger (SGB XII, Wohngeldberechtigte und Asylbewerber­leistungsempfänger) war vom Stadtrat so gewollt, um erstmals Erfahrungen sammeln zu können. Nun werden wir uns schon vorzeitig mit einer möglichen Ausweitung des Sozialtickets befassen müssen. In jedem Fall werden wir die Urteilsbegründung erst noch abwarten und rechtlich bewerten, ehe wir dem Stadtrat weitere Vorschläge unterbreiten.“

Im Augsburger Verkehrsverbund (AVV) werde derzeit geprüft, inwieweit im Verbundgebiet ein Sozialticket angeboten werden könne. „Im Zuge der bevorstehenden Tarifreform im AVV ist dies einer der ersten Punkte, der geklärt werden sollte“, so Kiefer gestern auf Anfrage zur DAZ. „Ich persönlich bin gerne bereit, das Sozialticket auf Empfänger von SGB II-Leistungen (Hartz IV) auszudehnen, jedoch muss die Stadt dafür auch weitergehende Finanzmittel bereitstellen als dies bislang der Fall war. Dies zu entscheiden ist Sache des Stadtrats“.