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Dienstag, 03.12.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Sollte die SPD nach Nahles Abgang wieder in Fahrt kommen, hätte das große Auswirkungen auf die Augsburger Kommunalwahl

Die Frage, ob die Wahlergebnisse der Augsburger Kommunalwahl von der politischen Großwetterlage abhängig sind, lässt sich ohne Wenn und Aber mit einem JA beantworten. Besonders anschaulich ist das bei der SPD, deren Ergebnisse bei Augsburger Kommunalwahlen mit den Ergebnissen im Bund Hand in Hand gehen, wie die unten angeführte DAZ-Grafik verdeutlicht. 

Kommentar von Siegfried Zagler

Wahlergebnisse der Augsburger SPD und der Bundes-SPD im Vergleich (c) DAZ

Wahlergebnisse der Augsburger SPD und der Bundes-SPD im Vergleich (c) DAZ

Die politische Großwetterlage bildete sich stets bei den Augsburger Kommunalwahlen ab. In den 70er Jahren lag die Bundes-SPD zwischen 45 und 42 Prozent. In den 80er Jahren ging es nach der Schmidt-Ära mit der SPD deutschlandweit rapide abwärts. Bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen 1990 landete sie bei 33,5 Prozent. Ein Wert, der heute als Hoch bewertet wird, galt damals als politisches Erdbeben. In zehn Jahren verlor die deutsche Sozialdemokratie fast zehn Prozent ihrer Stammwählerschaft.
Dieser Negativtrend bildete sich eins zu eins in Augsburg ab: Die SPD erhielt in den fünf Stadtratswahlen von 1966 bis 1990 46,5 Prozent (1966), 46,5 Prozent (1972), 44,5 Prozent (1978), 44,9 Prozent (1984) und 28,7 Prozent im Katastrophenjahr 1990. Mit diesem Wert lag die Augsburger SPD erstmals deutlich unter dem Bundestrend und überließ als einzige bayerische Großstadt das Amt des Oberbürgermeisters der CSU.

In den 90er Jahren stabilisierte sich die Bundes-SPD in der Opposition und erreichte mit ihrem Hoffnungsträger Gerhard Schröder bei der Bundestagswahl 1998 40,9 Prozent. Schröder wurde Bundeskanzler und es ging wieder bergab mit der SPD: Bei den Wahlen 2002 kam sie mit einem amtierenden Bundeskanzler auf 38,5 Prozent, bei der Wahl 2005 auf 35,2 Prozent. Schröder wurde 2005 aus dem Amt gewählt. Die Ära Merkel sollte beginnen.

Auch dieser Trend spiegelte sich in Augsburg exakt wider. Erreichte die SPD bei der Kommunalwahl 1996 nur schwache 29,4 Prozent, so schoss sie 2002 mit Paul Wengert als OB-Kandidat auf 36,4 Prozent hoch. SPD-Mann Wengert wurde Oberbürgermeister in Augsburg.

In Berlin begann die Zeit der Großen Koalitionen und die SPD sollte sich darin verlieren. Bei der Wahl 2009 sank sie auf ein Tief von 23 Prozent, wovon sie sich nicht ernsthaft erholen sollte: 2013 erzielten Gabriel und Co. zwar 25,7 Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl mit Kanzlerkandidat Martin Schulz, dann das aktuelle Rekordtief von 20,5 Prozent.

In Augsburg das Gleiche, aber in Slow-Motion: Bundestagswahlen finden in einem vierjährigen Turnus statt, die Kommunalwahlen in Bayern in einem sechsjährigen. Bei der Augsburger Kommunalwahl 2008 verlor die SPD trotz ihres amtierenden Oberbürgermeisters 6,3 Prozentpunkte und kam “nur” auf 30,1 Prozent Wählerstimmenanteil. Kurt Gribl (CSU) kegelte Paul Wengert aus dem Amt. Bei der Kommunalwahl 2014 unterbot die Augsburger SPD das Bundesergebnis und erreichte ihr historisches Rekordtief von 22,4 Prozent.

Lächeln am Abgrund: Andrea Nahles (vorne links) 2018 als Wahlkämpferin in Augsburg. Neben ihr die ehemalige starke Frau der Augsburger SPD Margarete Heinrich, ihr gegenüber (ebenfalls in Rot) Augsburgs Parteichefin Ulrike Bahr, daneben der SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller © DAZ

Es lässt sich anhand dieser Rückschau erkennen, dass sich in Augsburg der Bundestrend verzögert abbildet. Meistens verschärft im negativen Sinn. Die Hoffnung der Augsburger Genossen hat also einen Ort: Berlin. Sollte die Bundes-SPD noch in diesem Jahr die GroKo platzen lassen und für die brennenden sozialen Fragen überzeugende Konzepte anbieten, könnte sich womöglich eine sozialdemokratische Grundstimmung verbreiten und Modelle einer solidarischen Gesellschaft könnten die vorherrschende Zukunftsskepsis und Ängste vor Altersarmut und Überfremdung ablösen. Wäre dem so, hätte man in Augsburg, das in den vergangenen Wahlen (2008 und 2014) bürgerlich wählte, schneller eine Mehrheit links von der Mitte zusammen als Eva Weber und die CSU denken können.

Die SPD liegt zwar schon lange im Sterben, weil durch ihre Regierungspolitik die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wurde, prekäre Beschäftigungsverhältnisse zunahmen und die SPD ihr einst scharfes Profil verlor. In Deutschland wie selbstverständlich auch in Augsburg gibt es aber immer noch schlummerndes Potenzial für eine Mehrheit links der Mitte. Die alte SPD-Prämisse “Mehr Demokratie wagen” ist aktueller denn je. Es wäre zu wünschen, dass das auch die deutsche Sozialdemokratie so sieht.