Sinfoniekonzert in memoriam: Musik aus vergangenen Welten
Ein außergewöhnliches Programm erwartete die Besucher des 2. Sinfoniekonzerts im Kongress am Park – lyrisch, dramatisch und virtuos
Von Halrun Reinholz
Der Geiger Linus Roth ist in dieser Spielzeit der Artist in Residence der Augsburger Philharmoniker. Bereits 2006 hatte er den ECHO-Nachwuchspreis bekommen, 2017 folgte ein zweiter ECHO für die Einspielung der Violinkonzerte von Schostakowitsch und Tschaikowski. Auftritte in Augsburg sind für ihn sozusagen Heimspiele, denn er ist seit 2012 Professor am Leopold-Mozart-Zentrum und auch künstlerischer Leiter des Internationalen Leopold-Mozart-Violinwettbewerbs. Daneben hat er auch in Ibiza ein internationales Festival ins Leben gerufen, ebenso wie im schwäbischen Ochsenhausen. Der jüngste Konzertabend im Kongress am Park verdankte seinen Programmschwerpunkt aber einer besonderen Entdeckung des Geigers: Mehr oder weniger durch Zufall kam er auf Mieczyslaw Weinberg, einen jüdischen Komponisten, der vor den Nazis aus Polen in die Sowjetunion floh und dort unter der Sowjetdiktatur ebenfalls Repressalien erleiden musste. Kein Wunder, dass seine Kompositionen, die sich an Mahler, an Schostakowitsch, an Prokofiew orientieren, heute kaum bekannt sind. Für Linus Roth, dessen Leidenschaft unter anderem auch der Wiederentdeckung unbekannter Werke gilt, war das eine Herausforderung.
Das 1959 komponierte Violinkonzert g moll hält Linus Roth für ein „überragendes Werk im wahrsten Sinne des Wortes“. Gemeint sind vor allem die emotionalen Erfahrungen, die sich darin widerspiegeln und die Linus Roth mit höchster Präzision und Virtuosität dem Augsburger Publikum präsentierte.
Kein eingängig-melodisches Musikerlebnis, sondern ein leidvolles Wechselbad von Gefühlen und Erlebnissen, von Lyrik und Dramatik, die diese Musik transportiert. Vorausgegangen war die im Gegensatz dazu sehr bekannte „Symphonie classique“ von Prokofiew. Der Komponist hatte den Titel bewusst gewählt, weil er in der Formensprache auf die reine Klassik im Sinne Haydns Bezug nahm und sich damit von der Spätromantik abgrenzte. Die klare Sprache kam beim Spiel der Augsburger Philharmoniker unter Domonkos Héja besonders gut zum Ausdruck, weil das Orchester präzise und mit hohem Tempo spielte. Den zweiten Teil des Konzerts nahm die ausschweifende 1. Sinfonie von Gustav Mahler ein. Es ist kaum nachvollziehbar, dass sie bei ihrer Uraufführung das Publikum verstörte und polarisierte. Der „Totenmarsch“ zum Motiv des Kinderliedes „Meister Jakob“, Anspielungen auf Lieder aus dem „fahrenden Gesellen“ – die Eindrücke sind vielfältig und die Sinfonie heute ein spätromantisch anmutender Klassiker. Der Einsatz an Blechbläsern und Schlagwerk lässt rückblickend die weitere Entwicklung des sinfonischen Schaffens Mahlers erahnen, die nicht nur dem Orchester, sondern auch einzelnen Instrumentalisten alles abforderte.
Das zahlreich anwesende Publikum huldigte Domonkos Héja, der das komplexe Werk unaufgeregt und konzentriert über die Bühne gebracht hat, und besonders auch den wahrhaft erstklassigen Philharmonikern mit ausdauerndem Applaus.
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