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Montag, 10.03.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Selbstbestimmt? – Schnitzlers Fräulein Else am Theter Ensemble

Mit dem City Club am Königsplatz bringt man nicht zwangsläufig Theater in Verbindung. Und doch logiert hier seit geraumer Zeit das Theter Ensemble: Junge Theaterbegeisterte, deren harter Kern einst beim JTT des (damals noch nicht Staats-) Theaters Augsburg seine „Grundausbildung“ hatte.  

Der künstlerische  Leiter Leif Eric Young gehört dazu, die Dramaturgin Eva Ries. Und auch Iris Schmidt, die nun als „Fräulein Else“ in Schnitzlers Novellen-Adaption zu sehen ist. Else spielt jeden Tag Tennis in einem mondänen Urlaubsort mit Cousin und Cousine, denn sie ist Gast der Familie ihrer Tante. Die Eltern in Wien können ihren  Lebensstandard nur auf Kosten von Lügen und mit veruntreuten (Mündel-) Geldern halten. Das weiß Else nur andeutungsweise, doch mit dem Brief, der sie am Urlaubsort erreicht, wird ganz klar, was von ihr erwartet wird: Als letzten Ausweg hat der Vater  für sie die Rolle der Bittstellerin  bei dem reichen Herrn Dorsley vorgesehen. 

Aus dem Monolog geht hervor, was Dorsley dafür möchte: Sie einmal nackt sehen. Else ist im Dilemma zwischen dem Pflichtbewusstsein als Tochter und ihren Träumen von einem selbstbestimmten Leben mit freier Wahl der Optionen – auch des Partners. Die Selbstbestimmung oder vielmehr der Mangel an Selbstbestimmung der Frauen – auch der bürgerlichen, vermeintlich im Wohlstand lebenden – um die Jahrhundertwende ist ein stets wiederkehrendes Thema bei Schnitzler. Solche Zwänge, wie Else sie durchlebt, scheinen überholt, doch sind sie es wirklich? 

Iris Schmidt reflektiert  diese Frage in der Inszenierung des Theter Ensembles (Regie: Marcel Prebeck) lebensnah und aus der aktuellen Perspektive. Nicht nur die „Me-Too-Debatte“ und die Nachrichten aus Ländern wie Indien zeigen, dass die Selbstbestimmung der Frauen auch heute noch weitgehend auf tönernen Füßen steht. So wirken die Gedankengänge der zunächst unbekümmert träumenden, dann die Tragweite des elterlichen Anliegens allmählich begreifenden Else keineswegs aus einer anderen Zeit. Iris Schmidt verkörpert die Figur eindrucksvoll und überzeugend. 

Wie bei den meisten Produktionen des Theter Ensembles  ist man als theateraffiner Augsburger über das verborgene Juwel im City Club positiv überrascht. Nach einer Serie im April wurde Fräulein Else nun wieder aufgenommen. Die nächsten Vorstellungen sind am 17., 18. und 22. Oktober. (Halrun Reinholz)