Seitlich vorbei am Weihnachtskitsch
Das Theater feierte bei Dierig Weihnachten
Von Frank Heindl
Mit „Vom Himmel hoch“ begann der Extrachor die Weihnachtsfeier des Theaters, und dass man bei Dierig war und damit immer noch auf theaterlicher Herbergssuche, hatten die Gäste dann wohl schnell vergessen. Immerhin passt der Titel seit ein paar Tagen ja nun nicht mehr so ganz, einmal mehr schließlich hat der Stadtrat beschlossen, dass das Theater einen Container kriegen soll, der doch allemal deutlich besser sein wird als ein Stall mit Ochs und Esel. Andererseits mag man der Theaterführung eine gewisse Skepsis gerne nachsehen: Zu oft schon hatte man in den letzten zwölf Monaten geglaubt, nun sei alles „in trockenen Tüchern“, um solche Hoffnungen wenig später enttäuscht zu sehen. Gebongt also, dass Schauspieldirektor Markus Trabusch vor den nur zu zwei Dritteln gefüllten Besucherreihen eingangs noch einmal das Motto von der „Suche nach einer Herberge“ betonte und so manche Parallele bemühte, einschließlich der, dass man auf drei Weise aus dem Morgenlande hoffe – danach konnte es endlich losgehen.
Ein paar schöne weihnachtliche Geschichten gab es zu hören, hervorzuheben vor allem jene von Barbara Robinson mit dem Titel „Hilfe, die Herdmanns kommen“, in der das altbekannte Krippenspiel um die Heilige Nacht von ein paar schlecht sozialisierten Kindern kräftig der kanonisierten Form entrissen und dadurch plötzlich nachvollziehbar wird. Die Heiligen Drei Könige etwa bringen in dieser Geschichte dem Kind in der Krippe einen Schinken mit anstelle einer „ganzen Menge parfümierter Öle“, und Maria ist keine entrückte Jungfrau mit Heiligenschein, sondern ein handfeste Mutter, „unruhig und verwirrt, aber bereit, jeden zu verprügeln, der ihrem Baby zu nahe treten will.“ Toll gelesen war das von Magdalena Helmig und Elna Lingrens, beide zurzeit in der „Kleinen Hexe“ zu sehen – vor allem Helmig traf wunderbar den sarkastischen Erzählton der Geschichte.
Sarkasmus, Mozart, schöne Lieder
Dazwischen musizierte weitere Male der Extrachor mit seinem Leiter Karl Andreas Mehling am Klavier, und Kevin John Edusei dirigierte dreimal Mozart: Zunächst das dramatische Adagio und Fuge c-moll, später den schon deutlich weihnachtlicheren 2. Satz aus dem Konzert für Flöte und Harfe (Mathias Dittman und Christine Steinbrecher an den Soloinstrumenten), abschließend das „Laudate Dominum“, gesungen von Sopranistin Sophia Brommer.
Toomas Täht las vor, „wie man zum Engel wird“ – nämlich indem man sich auch als Schauspieler weigert, Hilfesuchenden eine Übernachtungsmöglichkeit abzuschlagen, und wenn es die Rolle dreimal anders verlangt. Die „kleine Hexe“ Gonca Cerit durfte die Satire „Weihnachtsbeleuchtung“ vortragen, „Sonny Boy“ Eberhard Peiker bayerte sich gelungen durch Karl Valentins Evergreen vom „Christbaumbrettl“, und zum Schluss durfte das Publikum Chor und Orchester beim nun schon richtig Heilig-Abend-mäßigen „Es wird scho glei dumpa“ begleiten. Schön war’s! Schön war’s, obwohl Max Goldt nur allzu recht hat. Michael Stange las „Vom Zauber des seitlichen Vorbeigehens“, und – natürlich! selbstverständlich! – trifft dieser Text ins Schwarze, in dem Goldt sich nur mühsam den Wunsch verkneift, einen Brandsatz an all die furchtbaren Sperrholzhütten zu legen, die mit ihrer schrecklichen Musik, ihrer grauenhaften Optik und ihren noch schrecklicheren Verkaufsprodukten jede Lust an der gepriesenen „Vorweihnachtszeit“ zerstören. Goldt preist statt roher Gewalt den „Zauber des seitlich dran Vorbeigehens“ – einfach mit Missachtung vorüber schlendern, gerne auch in Richtung Stadttheater, wo die Balance stimmte und man am Weihnachtskitsch unbeschadet „seitlich vorbei“ kam.