KOMMENTAR
Schwarz-Grün folgt einem Wählerauftrag – Kommentar zur Bildung der neuen Augsburger Stadtregierung
Warum nach zwei schwachen Regierungen der Gribl-Ära eine starke Stadtregierung zu erwarten ist
Kommentar von Siegfried Zagler
Es ist eine gute Sache im demokratischen Sinn, wenn sich eine Regierungskoalition aus zwei Parteien bildet. In Augsburg lässt sich nach der Kommunalwahl 2020 der Wille des Wählers mit Händen greifen: Die Grünen konnten die Anzahl ihrer Stadträte verdoppeln, die CSU verlor zwar drei Sitze, steht damit aber im bayerischen Städtevergleich relativ gut da. Die beiden Frontfrauen der beiden Parteien haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Schwarz-Grün eine Option für sie wäre.
Eva Weber (CSU) gewann in der Stichwahl haushoch gegen Dirk Wurm (SPD). Das Augsburger Wahlergebnis lässt sich in der Summe nicht anders auslegen: Das Schwarz-Grüne Bündnis entspricht dem Wählerwillen. Ein Mitregieren der SPD hätte taktischen Überlegungen entsprochen. Die SPD hat ebenfalls einen unmissverständlichen Wählerauftrag erhalten: zurück in die Opposition.
Die Fraktionen der CSU und der Grünen haben sich in Augsburg in den vergangenen Jahren programmatisch und sprachlich mindestens so aufeinander zubewegt wie sich die Grünen von der SPD wegentwickelt haben. Martina Wild (Grüne) hatte sich gar von der DAZ wegen ihres verhaltenen Wahlkampfes vorwerfen lassen müssen, dass sie nur auf Platz aus sei, also auf ein Referat und das Amt der 2. Bürgermeisterin – unter Oberbürgermeisterin Eva Weber.
Dass es nun genau so kommen wird, steht in Stein gemeißelt: Martina Wild wird sowohl Bildungsreferentin, als auch zweite Bürgermeisterin und wohl auch noch für das Grüne Kompetenzthema Integration verantwortlich sein. Die Stadt Augsburg wird in den kommenden Jahren von der Gestaltungskraft der Grünen geprägt werden. Diese Hoffnung ist jedenfalls mit dieser neuen Stadtregierung verbunden, da die Grünen mit 23 Prozent Wählerstimmen nicht als Juniorpartner auf kleiner Flamme gehalten und abgekocht werden können.
Da man nach der Coranakrise davon ausgehen muss, dass die üppigen Jahre der hohen Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen vorbei sind und die Stadt ein Schuldenkonto von zirka 420 Millionen Euro abzuarbeiten hat, wird die neue Regierung in Augsburg kleine Gestaltungsspielräume vorfinden und sparen müssen. Sparen bedeutet aber auch Gestalten – und gerade nach einer dergestalt tiefgreifenden Krise, die jeder Bürger zu bewältigen hat(te), sollte die Politik für ein „Gestalten mit dem Rotstift“ auf breiteres Verständnis stoßen, als das im Allgemeinen üblich ist.
Festzuhalten ist diesem Zusammenhang selbstverständlich auch, dass niemand weiß, wie die ökonomische Situation nach der Corona-Rezession 2020 aussehen wird. In der akademischen Ökonomie wird bereits 2021 als ein mögliches Boomjahr prognostisziert.
Aus der Augsburger CSU ist mit Eva Weber eine Oberbürgermeisterin herausgewachsen, die sich, so die Hoffnung, nicht im Dickicht der Verwaltungsstrukturen verfangen wird. Weber hat in der Augsburger CSU im Gegensatz zu ihrem Vorgänger eine Ochsentour bewältigt, ist vom Ortsverbandsvorsitz in den Vizeparteivorsitz aufgestiegen und wird wohl nicht den gleichen CSU-Lese-Fehler begehen, der Kurt Gribl unterlief und zu großen Verwerfungen innerhalb der CSU geführt hatte.
Eva Weber, auch das nur nebenbei, hat von diesen Verwerfungen profitiert. Weber ist nicht nur ein Teil der CSU geworden, sondern hat es verstanden, eine geschwächte Augsburger CSU im Lauf ihrer Amtszeit als Bürgermeisterin und Doppelreferentin zu prägen.
Martina Wild ist seit vielen Jahren bei den Grünen an vorderster Front tätig und sollte genug politischen Gestaltungswillen mitbringen, um sich nicht von der Verwaltung in ein unsichtbares wie unbewertbares Nirwana hineinsaugen zu lassen, wie das in der Vergangenheit bei Umweltreferent Reiner Erben und zahlreichen anderen Referenten in der Gribl-Ära der Fall war. Erben wird Grüner Umweltreferent bleiben, für Integration wird er nicht mehr zuständig sein. – Verwalten statt gestalten war im Schatten des großen Leviathan Kurt Gribl die Maxime vieler Referenten. Daraus folgten zwei schwache Stadtregierungen. Damit sollte nun Schluss sein. Die Ära Gribl geht zu Ende. Es beginnt eine neue Zeit.
Ohne eine starke Opposition gibt es keine starke Regierung. Deshalb ist der Stadt Augsburg zu wünschen, dass sich die Augsburger SPD erneuert und im Zusammenspiel mit einer „Gold-Fraktion“ und einer neuen Ausschussgemeinschaft der neuen Stadtregierung ein Regieren abverlangt, das sich im Schliff einer demokratischen Debattenkultur abbildet.