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Freitag, 26.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

“Schlammschlacht” um den Stempflesee

Eine harte Nuss für die Freunde des Stempflesees hatte Umweltreferent Rainer Schaal auf der Informationsveranstaltung am Mittwoch im Gepäck: die Entschlammung des Sees durch Bürger in Handarbeit.

Von Bruno Stubenrauch

In etwa so würde der Schlamm im Stempflesee als Pyramide auf dem Rathausplatz aussehen

In etwa so würde die Schlamm-Masse aus dem Stempflesee als Pyramide auf dem Rathausplatz aussehen


Thema der Veranstaltung, zur der Rainer Schaal eingeladen hatte (DAZ berichtete), war die umstrittene Ufersanierung des Stempflesees im Augsburger Siebentischwald, die beim Spatenstich Ende Mai durch Bürger­proteste gestoppt worden war. Wohl inspiriert durch die Vorgänge beim Bau des Stempflesees in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts präsentierte der Umweltreferent einen “bürgernahen” Verwaltungs­vorschlag zur Entschlammung. Zur Erinnerung: Als der See nach seiner Erstellung im Jahr 1924 undicht war, waren schon einmal Bürger im großen Stil in Aktion und brachten in zweijähriger Handarbeit eine Lehmschicht auf dem Seeboden ein. So konnte 1926 der See erfolgreich gefüllt werden und hielt sein Wasser bis zu einem Bombeneinschlag im Zweiten Weltkrieg.

“Eine hohe Identifikation der Bürger mit ihrem See”

Ein ähnliches Szenario bürgerlicher Aktivität schwebte der Forstverwaltung wohl bei dem am Mittwoch unter Punkt 3.3 präsentierten Vorschlag “Entschlammung des Sees in Handarbeit” vor. Damit würde man “eine hohe Identifikation der Bürger mit ihrem Stempflesee” erreichen, so Schaal.

Verwaltungsvorschlag zur Entschlammung des Stempflesees

Verwaltungsvorschlag zur Entschlammung des Stempflesees


Die Menge des zu bewegenden Schlammes wäre allerdings gewaltig: Die 30 bis 60 cm dicke Schlammschicht hat ein Gesamtvolumen von 6.300 Kubikmetern und würde 1.100 LKWs füllen. Rund eine Million mit der glibberigen Masse gefüllte Kübel müssten die Bürger aus dem See schöpfen. Eine Pyramide aus diesem Schlamm in Form ägyptischer Vorbilder hätte eine Grundfläche von 30 x 30 Metern und eine Höhe von 20 Metern, würde den Rathausplatz halb füllen, dem Rathaus bis zur Balustrade reichen und alle anderen umliegenden Häuser überragen.

Motivation durch Goldstücke im Schlamm?

Die bürgerliche Schlammaktion hätte aber auch Nachteile. Schaal nannte den hohen logistischen Aufwand für die Helfer, z.B. die Aufstellung zahlreicher Dixi-WCs. Und da die Aktion sehr lange dauern würde, befürchtet die Verwaltung “die Gefahr nachlassender Motivation”.

Vielleicht hätte die Verwaltung eine weitere Anleihe in der Geschichte nehmen sollen: Die Dombauer in Florenz wollten ihren Dom ursprünglich mit Erdreich füllen, um darauf die gigantische Kuppel mauern zu können. Zur Motivation der Bürger, die Erde später wieder zu entfernen, sollten in der Auffüllung Goldstücke vergraben werden. Bei den heutigen Goldpreisen wäre das Einbringen des Edelmetalls in den Schlamm des Stempflesees sicher eine hoch motivierende Sache. In Florenz des 15. Jh. kam man letztlich ohne Gold aus: Dombaumeister Brunelleschi gelang es, seine Kuppel mit einer genialen Doppelschalen­konstruktion in Fischgratmauertechnik ohne tragende Abstützung zu bauen – in 16 Jahren Bauzeit.