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Dienstag, 16.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Reizvolle Bossanovas, wenig Spannung

Eliane Elias blieb beim Jazzsommer eher konventionell

Von Frank Heindl

Auf ihrer Website prangen Fotos von Eliane Elias, die teilweise nicht nur gekünstelt, sondern regelrecht verkrampft wirken. Vielleicht mag sie das. Was sie nicht mag, hat sie am Mittwoch im Augsburger Botanischen Garten deutlich gemacht: Mit dem Handy fotografierende Zuschauer. Das störte die Stimmung und setzte Akzente fernab der Musik – die trotz einigem Hörenswerten doch eher enttäuschte.

Fotos nicht erwünscht: Eliane Elias\' Protest wandte sich zwar nur gegen Handy-Fotografen – aber auch der DAZ-Redakteur traute sich dann nicht mehr näher ran (Foto: Frank Heindl).

Fotos nicht erwünscht: Eliane Elias\' Protest wandte sich zwar nur gegen Handy-Fotografen – aber auch der DAZ-Redakteur traute sich dann nicht mehr näher ran (Foto: Frank Heindl).


Nachdem sie mehrmals ihr Spiel unterbrochen hatte, um fotografierende Fans in ihre Schranken zu weisen, drohte die brasilianische Sängerin und Pianistin gar mit dem Abbruch ihres Konzertes, falls noch einmal ein „mobile phone“ auf sie gerichtet werde. Sie wolle kreativ sein auf der Bühne, die permanente Störung durch Hobbyfotografen sei da hinderlich. Womit sie sicher recht hatte – sie ist nicht die erste Musikerin, die unverschämt-fotowütigen Fans kräftig die Meinung sagt. Andererseits darf man vermuten, dass dieses Problem sie rund um die Welt begleitet. Samstag in Granada, Montag/Dienstag Berlin, Mittwoch Augsburg, Donnerstag Frankreich – das mag bisweilen auch an den Nerven zehren. Manche kriegen mit der Zeit ein dickes Fell, andere werden dünnhäutig.

Faszinierende Akzente vom Schlagzeug

Eliane Elias lieferte dann ein eher konventionelles Programm aus Bossanova-Standards ab, mit denen sie mehrere CDs produziert hat. Ihr Kennzeichen im Botanischen Garten: harte Rhythmuswechsel an unerwarteten Stellen, verzwickte Betonungsschwerpunkte in harmlosen 4/4-Takten. Zum Gelingen solcher Feinheiten trug vor allem Schlagzeuger Rafael Barata bei, der besonders im letzten Stück (Desfinado) mit faszinierend schwer zu verortenden Akzenten außerhalb des Beats dafür sorgte, dass ein harmloser Bossa-Swing eine Zeit lang kaum als solcher zu erkennen war und so zum rhythmischen Abenteuer geriet. Spannend und faszinierend waren auch die Soli von Elias’ Ehemann, des Bassisten Marc Johnson. Es zeigte in seinen wunderbaren, im sehr modernen Sinne melodiösen Soli vom ersten bis zum letzten Ton, warum seine Veröffentlichungen nicht irgendwo zu finden sind, sondern beim experimentierfreudigen, der Neuen Musik gegenüber aufgeschlossenen Label ECM. Als er nach einigen gezupften Soloeinlagen am Schluss auch noch mit dem Bogen arbeitet, ist besiegelt, dass dieses letzte Stück vor den Zugaben den spannungsmäßigen Höhepunkt des Abends bot. Und zwar nicht nur wegen seines und eines langen Drum-Solos, sondern wegen der Synthese der drei Musiker, die hier einmal die gesicherten Wege von Bossanova-Rhythmus und Bossanova-Harmonik verließen.

Die hatten sie vorher eher brav eingehalten mit Stücken vor allem der Bossa-Komponisten Antonio Carlos Jobim, Vinicio de Moraes und Gilberto Gil. Elias’ Klavierspiel ist teilweise fesselnd, aber von Brillanz oder gar Virtuosität doch ein Stück weit entfernt, ihre Akzente setzt sie, wie gesagt, eher im rhythmischen Bereich. Reizvoll aber sind die alten Bossas natürlich auch dann, wenn man sie einfach als Songs sieht: Lieder zwar, mit volkstümlicher Bodenhaftung ausgestattet, aber doch harmonisch anspruchsvoll und immer noch von einer exotischen Schönheit, die den anhaltenden Ruhm des Genres und seiner Komponisten auf Anhieb plausibel macht. Vor allem wegen Elias’ unexaltierter Stimme, die den Titeln ihre Tiefe lässt und sie nicht zu Popsongs degradiert – nicht einmal das tausendfach interpretierte „Girl from Ipanema“, das als Zugabe erklang, verliert da seine Faszination.

Die Gitarre kam nicht zum Zug

Bemerkenswert war aber auch noch, dass Elias nach genau einer Stunde das letzte Stück ankündigte. Das dauerte zwar 25 Minuten, und mit der Zugabe kam man dann doch noch auf mehr als 90 – so richtig zufrieden war das Publikum damit aber nicht. Und ein Rätsel blieb, warum sie dem von ihr selbst als hervorragenden Gitarristen angekündigten Rubens de la Corte kein einziges Solo gestattete. Der Musiker verließ sogar zwischendurch die Bühne, weil er über lange Phasen offensichtlich nicht gebraucht wurde. Dabei hätte der eine oder andere weitere Akzent durchaus nicht geschadet.