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Samstag, 09.09.2023 - Jahrgang 15 - www.daz-augsburg.de

Pro Augsburg: Ansichten eines Clowns

Kommentar von Siegfried Zagler

Wenn gar nichts mehr hilft, wechselt man gerne ins Komische. Das ist eine gute Strategie, das hilft oder lindert zumindest den Schmerz ein wenig, wenn es zum Beispiel darum geht, eine Tragödie zu verarbeiten. Soviel zum Lachen über seine eigene Lage. Wie verhält es sich aber, wenn man den Drang verspürt, nicht über sich selbst, sondern über andere zu lachen? Jemanden „auslachen“ ist eine tödliche Waffe, eine Schmähung aus vollem Herzen. Einer, der es besser wissen müsste, nämlich der große Henri Bergson, sieht das differenzierter.

Bergson zufolge liegt nichts Bösartiges im Auslachen. Auslachen ist für Bergson ein fein abgestimmtes soziales Korrektiv. Man lacht, so Bergson, wenn jemand aus Gewohnheit und fehlender Flexibilität die Situation mangels Aufmerksamkeit nicht erkennt und nicht angemessen reagieren kann. Bergson nennt das Lachen eine soziale Geste, die denjenigen, über den gelacht wird, ermahnt, sich innerhalb der Gruppe konstruktiver zu verhalten. Lacht man aber über jemand, der mit seiner Dummheit nicht die eigene Gruppe in Gefahr bringt, sondern eine andere bis auf die Knochen diskreditiert, dann lacht man nicht im erzieherischen Sinn, sondern aus dem Gefühl der Überlegenheit heraus. Das ist nun die bösartige Form des Lachens. Daraus resultiert das Sprichwort: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“

Aus diesem Grund sollte man über Frank Dietrichs Spruch, dass man mit der soeben erstellen Pro Augsburg-Liste 10 Stadtratssitze plus X erreichen will, nicht lachen. Das ist nicht lachhaft, darüber wundert man sich bestenfalls. Möglicherweise leidet Herr Dietrich an Realitätsverlust, was einer Tragödie gleichkäme. Möglicherweise handelt es sich aber um das laute Trompeten eines Mannes, der die anderen zum Lachen anstiften will, also um einen politischen Clown, der am Fuße einer Leiter angekommen ist. „Ansichten eines Clowns“ sind in der Regel nicht amüsant. Das ist nicht nur bei Heinrich Bölls gleichnamigem Roman der Fall. Sich bezüglich eines möglichen Wahlergebnisses bei der kommenden Kommunalwahl in Augsburg zu äußern, ist nicht besonders klug. Den eigenen Laden auf zehn Sitze zu schätzen, ist allerdings mehr als unklug, besonders dann, wenn der Laden „Pro Augsburg“ heißt und im Schaufenster Auslaufmodelle als die neuesten Geheimnisse von Paris anpreist.

Die AfD, die FDP, die Freien Wähler werden bei ehemaligen Pro Augsburg-Wählern andocken. Die CSM dürfte ebenfalls in dieser Wählerschicht Zustimmung finden. Die ehemaligen Lockvögel Seinsch und Englet sind nicht mehr dabei. Grab ist nicht der Bringer, für den er sich hält und Schabert-Zeidler ist das Gegenteil von einem Bringer. Bürgermeister-Bonus hin oder her: In Augsburg wählt man nicht, um zu belohnen oder zu bestrafen. In dieser Stadt ist eine Wahl eine pragmatische Angelegenheit. Gewählt wird derjenige, von dem man in den nächsten sechs Jahren die feinfühligste Kraft für die Fortentwicklung der Stadt erwartet. Pro Augsburg hat in nahezu sechs Jahren Regierungsbeteiligung kaum etwas bewirkt und somit nachhaltig belegt, dass es keinen Grund gibt, die Wahlvereinigung ein zweites Mal zu wählen. Warum Herr Dietrich zu einer ganz anderen Einschätzung kommt, hat er bisher noch nicht erklärt.

Wäre das möglich, könnte man lachen.