Prickelnde Ruhe
Luxuriöser Hörgenuss: das Uli Fiedlers Trio mit „Frizzante“
Von Frank Heindl
„Frizzante“ heißt die CD, um die es hier geht. Sein Wasser bestellt man im italienischen Restaurant „frizzante“, wenn man es mit Kohlensäure haben will – also in etwa spritzig oder prickelnd. Und prickelnd beginnt eben auch die neueste Scheibe des Augsburger Uli Fiedler Trios. Beim Titelstück übernimmt den Part des Spritzigen Stephan Holsteins Klarinette – Uli Fiedlers Bass dagegen wird auch im weiteren Verlauf vornehm-bescheiden, aber unverzichtbar meist im Hintergrund bleiben. Dafür darf neben der Klarinette auch Josef Holzhausers Gitarre oft nach vorn.
Ob „frizzante“ wirklich das passende Adjektiv für diese Platte ist, mag dahingestellt bleiben. Immerhin gibt es noch weitere Stücke, die fetzig-prickelnd vorüberrauschen. „Passo carrabile“ etwa. Das heißt auf Deutsch Ein- oder Ausfahrt und man findet es oft zusammen mit einem Halteverbots-Schild. Im gleichnamigen Stück allerdings wird nicht gehalten – es erinnert eher an eine Bergab-Serpentinenfahrt im offenen Cabrio, typisch italienisch eben, mit diesem überschäumenden und doch geerdeten Lebensgefühl, das sich im sonnigen Süden so oft einstellt.
Daraus resultiert ein durchaus luxuriöses Hörgenuss: Zu den ruhigeren Stücken kann man sich den Herbst an der Amalfiküste vorstellen – wenn die meisten Touristen wieder zurück nach Hause gefahren sind. Denn dies ist auch eine wunderschön bedächtig-nachdenkliche Platte. Bei „Blinded“ mag man an einen melancholischen Abendspaziergang denken, das Intro von „the other theme“ startet in ähnlicher Gefühlslage, steigert sich über ein sehr zurückhaltend-ruhiges Bass-Solo in ein vom walking bass angetriebenes, swingendes Gitarren-Solo und führt über das anschließende Benny-Goodman-like Klarinettensolo unmerklich wieder zur Stimmung des Eingangsthemas zurück.
Ganz neue Standards
Alle Stücke der Scheibe sind von Uli Fiedler geschrieben – und doch scheinen manche von ihnen geradewegs aus den 50er- oder 60er-Jahren zu stammen, hören sich an wie italienisch getunte Standards. Es sind aber keine: „in these eyes“ etwa, ein rhythmisches Stop-and-Go, kommt daher wie ein alter Bekannter, wie ein ganz alter Standard – ist aber ein ganz neuer. Und das könnte beispielsweise man auch von „Don’t kiss“ sagen. Wobei alt nicht abgedroschen heißen soll, sondern einen Sound meint, der sofort ins Ohr geht und doch auch beim dritten Hören keine Langeweile erzeugt.
Wunderbare Stücke, wunderbare Musiker: Uli Fiedler ist der Leader, stellt sich aber nicht als solcher heraus, hält sich eher zurück. Doch das tun sie alle: Keines der Instrumente beansprucht den Vordergrund, keiner dieser ruhigen Musiker drängt sich auf, keiner muss etwas beweisen – Musiker im Dienste des Trios, das auf diese Weise einen unprätentiösen, zurückhaltenden Sound spielt, der seines gleichen sucht. „Prickelnd“ ist nämlich an dieser Platte vor allem die konzentrierte Ruhe, die sie ausstrahlt.
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