Ostalgie auf Litauisch
Hauptdarstellerin und Produzentin vom Kinderfilm „Der Balkon“ im DAZ-Interview
Von Dominik Sandler
Beim Kinderfilmfest lief am Freitag „Der Balkon“ an, ein litauischer Film über die Freundschaft zwischen zwei Nachbarskindern, die sich auf deren gemeinsamen Balkon entwickelt, wobei sich jedoch stets eine Wand zwischen ihnen befindet. Produzentin Jurga Gluskiniené und Hauptdarstellerin Elzbieta Degutyte (heute 13 Jahre alt) sind beim Kinderfilmfest zu Gast und werden noch bis Sonntag, den 17.10. für Publikumsfragen und Diskussionen zur Verfügung stehen. Dominik Sandler hat nach der Vorführung mit ihnen gesprochen.
DAZ: Die Hauptpersonen im Film sind zwei etwa 10jährige Kinder. Andererseits spielt der Film auch mit nostalgischen Elementen aus der Ostblock-Zeit. An welche Zielgruppe richtet sich denn der Film?
Jurga Gluskiniené: Wir haben vordergründig einen Kinderfilm gedreht. Allerdings kommen im Film Liebesgeschichten aus drei Generationen vor. Dabei wird auch thematisiert, wie sich Beziehungen im Lauf der Zeit verändert haben. Seinen großen Erfolg in Litauen hat der Film auch der Tatsache zu verdanken, dass er zu Sowjetzeiten handelt. Erwachsene erinnern sich so im Kino an vergangene Zeiten zurück. Wir haben also einen Film für die ganze Familie gedreht.
Elzbieta Degutyte: Das Spiel zum Beispiel, bei dem die Protagonistin und ihre Freundinnen „Schätze“ vergraben, die die Jungen nicht finden dürfen, wurde von vielen Kindergenerationen gespielt. Meine Großeltern haben es gemacht, meine Eltern auch, ich allerdings nicht mehr so richtig.
Trotz großer Erfolge noch kein Verleih
DAZ: Sie sprachen vom Erfolg des Films in Ihrer Heimat. Wie sieht es in anderen Ländern aus? Haben Sie schon einen ausländischen Verleih gefunden?
Jurga Gluskiniené: Wir waren mit dem Film bereits auf etwa 15 internationalen Filmfestivals. Obwohl er gut ankommt und schon einige Auszeichnungen erhalten hat, ist es sehr schwierig, an einen Verleih zu kommen. Aber wir geben natürlich nicht auf… Anfang November hat der Film in Litauen außerdem seine Fernsehpremiere.
DAZ: Die Balkons der beiden Nachbarskinder sind durch eine Mauer voneinander getrennt, sodass sie trotz ihrer räumlichen Nähe nur eingeschränkt kommunizieren können. Schließlich gelingt ihnen ein Treffen, allerdings außerhalb der Stadt und damit weit entfernt von ihrem Zuhause. Als Deutscher fühlt man sich da an DDR-Zeiten erinnert, als sich manche durch die Mauer getrennte Familien nur in weit entfernten Ländern wie Ungarn oder Bulgarien treffen konnten.
Elzbieta Degutyte: Erstaunlich! Das war uns so nicht bewusst.
Jurga Gluskiniené: Dennoch gab es im Zusammenhang mit diesem Film auch ein interessantes Wiedersehen. Das Drehbuch wurde nach einer wahren Begebenheit geschrieben. Die Frau, die diese Geschichte erlebt hatte, hatte den Kontakt zu dem Jungen aber bald verloren. Über 20 Jahre später sah der allerdings den Film und erkannte sich wieder. Er stellte den Kontakt wieder her und heute sind die beiden wieder miteinander befreundet.
Requisiten aus der Ostblock-Zeit
DAZ: Schon bei der gestrigen Eröffnung zum Kinderfilmfest klang an, dass sich die Finanzierung von Kinderfilmen – zumindest in Deutschland – sehr schwierig gestaltet.
Jurga Gluskiniené: Das ist auch bei uns so. Die Mittel stammten teils aus öffentlichen Geldern, teils von privaten Partnern. Wir kamen mit einem relativ geringen Budget aus, nur so ließ sich der Film finanzieren.
Elzbieta Degutyte: Um die Requisiten aus der Ostblock-Zeit zu sammeln, mussten wir alle unsere Bestände durchsuchen. So haben wir uns auch mit unserer eigenen, privaten Vergangenheit beschäftigt. Der alte Teddy, mit dem ich im Film spiele, sitzt jetzt immer noch auf meinem Bett. Meinen Freunden sage ich, er ist Schauspieler.
Der Balkon (Balkonas), Litauen 2008, 48 Minuten, empfohlen ab 9 Jahren, Litauischsprachige Originalversion, die deutsche Übersetzung wird beim Filmfest live eingesprochen.
Spielzeiten im Thaliakino:
Sa, 16.10.: 18.00 Uhr
So, 17.10.: 10.30 Uhr
Mo, 18.10.: 15.15 Uhr
Di, 19.10.: 10.30 Uhr
Vorfilm: Anna Lovenstein
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