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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Opernball – oh là là!

Unter dem Motto „Moulin Rouge“ öffnete das Theater sein Haus den Augsburgern für eine fröhliche Ballnacht.

Von Halrun Reinholz

Dekoration à la francaise (Foto: Joachim Schafnitzl)

Dekoration à la francaise (Foto: Joachim Schafnitzl)


Schon zum 15. Mal fand im großen Haus des Theaters der Augsburger Opernball statt. Wie immer waren die Karten innerhalb kürzester Zeit verkauft – und das, obwohl es ein Vorkaufsrecht für Abonnenten gibt. Alle anderen haben sowieso keine Chance. Als der damalige Intendant Ulrich Peters den Ball in die Oper holte, herrschte bei so manchem Augsburger die übliche „Braucht`s des?“-Skepsis. Peters gehörte, wie viele der Opernball-Besucher, der Generation an, die das Abschlusszeugnis ihrer Schulen oder Hochschulen ohne großes Brimborium im Sekretariat abgeholt hatten (ich weiß, wovon ich rede!) und die sich heute mit Erstaunen und in Abendrobe beim Abiball ihrer aufgestylten Sprösslinge einfinden. Der Zeitgeist hatte sich gewandelt und auch etliche Augsburger konnten sich schnell mit der Idee anfreunden, ihr Theater mal aus einer anderen Perspektive zu erleben und den Künstlern sozusagen auf Augenhöhe zu begegnen.

Der Ballsaal von oben (Foto: Max Riedel)

Der Ballsaal von oben (Foto: Max Riedel)


Von Anfang an gab es ein Motto für die Ballabende, um den Besucherinnen für die Auswahl ihrer Garderobe einen kleinen Hinweis zu geben. Mal war es die Farbe blau, dann die Reihe der 20er bis 70er Jahre. Für 2015 wählte man „Moulin Rouge“ und meinte damit die Künstlerfeste um die Jahrhundertwende – in Paris, aber auch in Wien oder München (wie die wie immer witzige Bebilderung im Foyer erster Rang zeigte). Dass Paris, die Kunst und ihre Freiheit gerade eine ganz andere, traurige Aktualität haben würden, ahnte man da nicht. Aber selbstverständlich ging Juliane Votteler (stilecht im Paillettenkleid mit Federboa) bei ihrer Eröffnungsrede darauf ein: „Nous sommes Charlie, nous n`avons pas peur“, gab sie den 3000 Besuchern des Festes als Devise aus. Und der langjährige „Vater“ des Opernballs Wolfgang Buchner, der das Haus wie von Zauberhand in eine wahre „Moulin-Rouge“-Zweigstelle umdekoriert hatte, ließ sich den Seitenhieb auf München (wo es bekanntlich keinen Opernball gibt) nicht nehmen und verkündete im Geist der beschworenen Zeit: „München leuchtet, aber Augsburg strahlt“. Vertreter von Politik, Wirtschaft und Presse wurden von der Intendantin ebenso begrüßt wie die Sponsoren, die sich unter anderem schon durch zwei Sportlimousinen vor der Eingangstreppe bemerkbar gemacht hatten. Ihnen widmeten die Künstler als ersten Programmpunkt einen „Sponsoren-Song“ nach der Melodie von „Aux Champs-Elysées“ – immerhin charmanter, als eine Liste zu verlesen.

Ausschnitt aus dem Programm (Foto: Christian Strohmayr)

Ausschnitt aus dem Programm (Foto: Christian Strohmayr)


Das Eröffnungsprogramm stand natürlich im Zeichen Frankreichs und seiner Hauptstadt. Im ganzen Haus ragten Damenbeine aus blau-weiß-roten Rüschen als allgegenwärtige Dekoration und entsprechend setzten die Künstler aller drei Sparten die Klischees zu unserem Nachbarland ebenso in Szene wie ganz überraschende Bezüge dazu: Von „La vie Parisienne“ über „Je ne regrette rien“ und „Voulez-vous coucher avec moi ce soir“ oder „Je t`aime – moi non plus“ bis hin zu dem selbstverständlich erwarteten Can Can aus Hoffmanns Erzählungen war alles da. Aber auch „Sparkling Diamonds“ oder „El Tango de Roxanne“ boten Bezüge zu Frankreich. Das Besondere war auch diesmal wieder das Konglomerat der Sparten – Tänzer, Sänger und Schauspieler zeigen bei solchen Gelegenheiten ungewohnte Genres und damit ganz neue Facetten ihres Könnens im Zusammenspiel mit den Kollegen. So überraschen die Schauspieler oft als sehr gute Sänger, im Eröffnungsprogramm speziell Lea Sophie Salfeld und Florian Innerebner. Und die Sänger hatten auch immer wieder ihr tänzerisches Können zu zeigen. Die vierte „Kraft“ am Theater ist natürlich das Orchester, das (auch ohne aktuellen GMD) unter wechselnden Dirigenten (Lancelot Fuhry, Roland Techet, Carolin Nordmeyer) bei der Begleitung des Programms seine Vielfalt zeigte. Auch der Geheimtipp jedes Opernball-Abends, die Vorführung des Schauspiel-Ensembles im Malersaal, zielt auch auf dieses Übergreifende. So geheim scheint die allerdings nicht zu sein, bereits eine halbe Stunde vor Beginn wurde der Zugang wegen Überfüllung geschlossen. Aber mit Geduld schaffte man es doch hinein (immerhin gab es die Vorführung zweimal!) und konnte eine halbe Stunde den verborgenen Sänger-Talenten im Schauspielensemble bei der Interpretation französischer Chansons oder Schlager („Frankreich, Frankreich“) zuhören. Auch in weiteren Räumen war Musik geboten – Swing mit Daniel Eberhard`s Can-Can Palace, Tanzmusik mit den Speziellen Gästen oder mit Team 70 oder jazzige „Dinner Musik“ mit dem Harry Alt Trio. Im Foyer spielte Cassa Blanca den ganzen Abend durch und im Großen Ballsaal wurde die Walzerseligkeit der Augsburger Philharmoniker nach der obligaten und gut frequentierten Quadrille von Frank Lippes flotten Tanzschulen-Klängen abgelöst. Wer es eher ruhig haben wollte, konnte sich in die „Chambre séparée“ zurückziehen, hier gab es Lounge-Musik vom Band. Auffällig die gute Stimmung: Leute beim Flanieren, Tanzen, Essen, Gläser heben, Zuschauen. Bis in die Morgenstunden, als sich die Ballbesucher mit ihren Frühstückskörben allmählich zum Ausgang bewegten. Sicher nicht jedermanns Sache, so ein Opernball. Weder in Wien, noch in Augsburg. Aber ein Beweis, dass die ganze Welt eine Bühne ist und Theater bei vielen ankommt – auch in dieser Form. Auch in Augsburg. Oh là là!