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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Noch mehr Jazz in diesem Sommer

Jazzsommer und Jazzclub kooperieren



Von Frank Heindl

Eine Kuriosität vornweg: Im Jazzsommer 2016 kann man in diesem Jahr sowohl beim ersten wie auch beim letzten Konzert Avishai Cohen hören. Beim ersten Mal spielt er Bass, beim zweiten Mal Trompete. Ein toller Musiker an zwei sehr unterschiedlichen Instrumenten? Nichts dergleichen – es handelt sich um zwei verschiedene Musiker. Beide tragen denselben Namen, beide stammen aus Israel – aber Avishai Cohen (b) und Avishai Cohen (trp) kennen sich nicht mal persönlich.

Er heißt Avishai Cohen, spielt Bass und bestreitet mit seiner Band das erste Konzert des diesjährigen Augsburger Jazzsommers (Foto: Andreas Lawen).

Er heißt Avishai Cohen, spielt Bass und bestreitet mit seiner Band das erste Konzert des diesjährigen Augsburger Jazzsommers (Foto: Andreas Lawen).


Der Bassist Avishai Cohen jedenfalls  eröffnet mit seinem Trio am 13. Juli im Botanischen Garten den 24. Internationalen Augsburger Jazzsommer. Gerühmt wird er für eine multikulturelle Synthese aus europäischer Klassik, Balkanfolklore, Vokalmusik des Nahen Ostens, jüdischen und arabischen Melodien, der Rhythmik Nordafrikas, spanischer Klänge und Elementen aus Latin, Blues, Funk und Pop. Dazu singt er auch noch hebräisch, englisch, spanisch und ladino – man darf wohl gespannt sein. Wie auch auf das Avishai Cohen Quartet, das den Jazzsommer am 10. August beschließt. Dieser Cohen steht stilistisch für Post-Bop, Extravaganz, kammermusikalische Eleganz zwischen Moderne und Lyrik.

Und zwischen diesen beiden Konzerten liegt, wie immer, eine gediegene Mischung aus Musikern, die den Durchbruch geschafft haben, aber nicht zu Weltelite gehören. Denn die, das gibt Veranstalter Christian Stock unumwunden zu, kann er sich nicht leisten. Immer wieder böten Agenturen ihm Topstars wie Chick Corea an, die auch gerne mal im vielgerühmten Botanischen Garten zu Augsburg spielen möchten – sie scheitern aber an Gagenforderungen und dem sogenannten „Tech Rider“, jener berüchtigten Liste, auf der die Musiker zusammenfassen, was sie an Equipment brauchen. Solche Listen, so Stock, streiche er oft auf die Hälfte zusammen, dann drücke er noch die Gage deutlich – und die Agentur stimme letztlich doch zu. Einer der Gründe: Seine Veranstaltungsreihe sei in den Zentren des Jazz bekannt, der Augsburger Botanische Garten sei auch in New York City ein Begriff. Unter dem Gagenniveau von Herbie Hancock, Diana Krall oder Wayne Shorter hat schließlich alles, was Rang und Namen hat, schon hier gespielt, die unvergleichliche Atmosphäre des Rosengartens führt immer wieder dazu, dass mancher für die halbe reguläre Gage Augsburg noch in seinen Tourplan integriert. Manche kommen sogar ausschließlich wegen dieses einen Sommerkonzertes aus den USA hergeflogen.

Zwischen Hardbop und Indien

So kann man zwischen Cohen und Cohen im am 20. Juli den Alt-Saxophonisten Rudresh Mahanthappa

Auch er heißt Avishai Cohen, spielt aber Trompete und bestreitet mit seiner Band das letzte Konzert des diesjährigen Augsburger Jazzsommers. Zufälle gibt’s … (Foto: Philippe Levy).

Auch er heißt Avishai Cohen, spielt aber Trompete und bestreitet mit seiner Band das letzte Konzert des diesjährigen Augsburger Jazzsommers. Zufälle gibt’s … (Foto: Philippe Levy).


hören, der ein wildes Hybrid aus Hardbop und indischen Tonskalen abliefern soll. Manche beschreiben ihn als einen würdigen Nachfolger Charlie Parkers: Nicht als Nachahmer, sondern als ebenso verwegenen Experimentierer, der Stücken solange neue Harmonien, Tempi und Rhythmen abgewinnt, bis sie unverkennbar unkenntlich werden. Zwei Tage später findet der Double-Friday statt, der sich in den letzten Jahren beim Jazzsommer eingebürgert hat: ein Doppelkonzert am Freitagabend (diesmal 22. Juli) mit hochspannenden Bands, die noch im Kommen sind – diesmal um 20 Uhr das Nathan Ott Sextett, eine Stunde später das Tingvall Trio – auch diese beiden Ensembles stehen den Kritikern zufolge für Stilmix und Überraschungen.

Am 27. Juli dann der Schlagzeuger Antonio Sanchez mit seinem „Migration“-Quartett: Vier Grammys hat er sich mittlerweile geholt, gilt einer ganzen Generation junger Drummer als Vorbild und ist zusätzlich berühmt geworden durch den Film „Birdman“, für den er den Soundtrack komponiert hat – einen Soundtrack, der ausschließlich aus Schlagzeugsounds besteht! Eine Woche später schließlich eine Institution des Jazzsommers: das Christian Stock Trio, bestehend aus dem Veranstalter der Reihe am Bass sowie Walter Bittner an den Drums und Martin Schrack am Klavier. Mit dabei sind diesmal die Sängerin Sandy Patton und der Posaunist Ian Cumming. Eine Stimme mit gewaltigem Umfang, dazu der warme Ton des Posaunisten der SWR-Bigband werden dafür sorgen, dass das Augsburger Trio einmal mehr auch mit seinen Gästen begeistern wird.

Monika Roscher – eine Bombe im Jazzclub

Wem das alles nicht genügt, der darf sich in diesem Sommer auf ein weitere Special freuen: Der Jazzclub Augsburg wird fünf und feiert drei Tage lang Geburtstag. Am Donnerstag, 21. Juli geht’s sozusagen mit einer Bombe los: Die riesige Monika Roscher Bigband droht nicht nur platzmäßig die Mauern des Jazzclubs zu sprengen – die Band der jungen Münchnerin stellt auch stilistisch vieles in den Schatten, was man bisher gehört hat. Knallharte Bläsersätze, eine mega-metalmäßige E-Gitarre (gespielt von der Leaderin) – und daneben und nahezu gleichzeitig geradezu minimalistische Phrasen vom Klavier, die sich wie geloopt anhören, und die zarte Stimme von Monika Roscher – ja, die singt auch! Am Freitag dann um 23 Uhr die Swing Alive Show, am Samstag das Julian & Roman Wasserfuhr Quartett. Das alles hat nicht nur terminlich mit Christian Stocks Jazzsommer zu tun – man darf darin auch gleichzeitig den Beginn einer zaghaften Kooperation sehen. Denn die beiden Augsburger Jazzinstitutionen wollen sich keine Konkurrenz machen, sondern sich eher gegenseitig beflügeln. Bei der angekündigten Qualität darf man auf eine anhaltend intensive Beziehung hoffen.