Neue Stadtbücherei: „Es ist schade um jede Minute, die das Haus geschlossen ist“
Am heutigen Mittwoch fällt die Entscheidung über die Öffnungszeiten der Neuen Stadtbücherei
Von Siegfried Zagler
Am 7. März 2008 ging es im Stetteninstitut am Katzenstadel hoch her. Die Augsburger Allgemeine hatte im Showdown des Kommunalwahlkampfes OB-Kandidat Kurt Gribl und den amtierenden Oberbürgermeister der SPD Paul Wengert geladen. Der Saal war brechend voll und der von der SPD dominierte Regenbogen war zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte. – Wengert stand auf der Bühne, um sich in der anstehenden OB-Stichwahl gegen den im Aufwind stehenden CSU-Kandidaten zu behaupten. Nach einer langen Aufzählung, was in seiner Ära alles bewirkt und gebaut wurde, hielt er am Ende seiner Rede kurz inne, um den Höhepunkt herauszustellen: „Und ich will nicht, dass die Neue Stadtbücherei jemand anders eröffnet“. Der größte Teil des Publikums quittierte diese Bemerkung mit höhnischem Gelächter. Dabei ist es tatsächliche Wengert zu verdanken, dass die Neue Stadtbücherei in dieser Dimension auf diesem Platz gebaut wurde. Paul Wengert hatte allerdings erst auf Druck eines Bürgerbegehrens den Bau der Neuen Stadtbücherei zur Chefsache gemacht und den Neubau auf dem Ernst-Reuter-Platz nach langem Hin und Her beschleunigend durchgesetzt. Diese kleine Anekdote lässt sich – pars pro toto – für die damalige Verkapselung der SPD und ihren daraus mangelhaften Umgang mit dem Bürgerwillen und dessen Instrument Bürgerbegehren anführen.
Knapp zweieinhalb Jahre später – ein Jahr nach der Eröffnung der Neuen Stadtbücherei – steht nun ein neues „Elefantentreffen“ auf dem Plan. Dabei geht es ausschließlich um die Neue Stadtbücherei. Am heutigen Mittwochnachmittag treffen sich Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, Kulturreferent Peter Grab, Büchereileiter Manfred Lutzenberger sowie mit Kurt Idrizovic und Klaus Döderlein zwei Vertreter der Bürgerschaft, die mit ihrem Begehren maßgeblich zum Neubau auf dem Ernst-Reuter-Platz beigetragen hat. Einziger Tagesordnungspunkt des Treffens: die Öffnungszeiten.
Peter Grab und Pro Augsburg werden nicht unbeschädigt aus der Angelegenheit herauskommen
Peter Grab hatte im Handstreich am 19. Juli im Kulturausschuss per „OB-Verfügung“ die Öffnungszeiten der Bücherei um fünf Stunden pro Woche reduziert, „aus Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern”, die über Überlastung klagen und sich vermehrt krank melden. Der Beschluss des Kulturausschusses hatte allerdings für schlechte Presse und für eine tatsächliche „OB-Übernahme“ der Angelegenheit gesorgt. Gribl nahm die OB-Verfügung wörtlich und stellte eine andere Lösung, die an den bisherigen Öffnungszeiten festhalten soll, in Aussicht. Kulturreferent Peter Grab stand mit seiner geplanten Maßnahme düpiert im Regen und musste zur Kenntnis nehmen – wie einst Paul Wengert – dass man mit einem von der Bürgerschaft erkämpften Gebäude einen sensiblen Umgang zu pflegen hat.
Peter Grab und Pro Augsburg werden nicht unbeschädigt aus der Angelegenheit herauskommen. Die Grünen, deren Stadträtin Verena von Mutius in der besagten Kulturausschusssitzung für die Verkürzung der Öffnungszeiten stimmte, haben mit Grandezza ein bildungspolitisches Thema erster Güte verschlafen und dürfen sich nicht wundern, wenn sie in dieser Angelegenheit – nicht zuletzt wegen ihrer von Mutius in Schutz nehmenden Pressemitteilung – nicht mehr ernst genommen werden. Peter Grab wurde tagelang von der veröffentlichten Meinung quasi zusammen mit Verena von Mutius abgewatscht. Viel dümmer kann man sich in der Opposition kaum verhalten.
Nicht wesentlich klüger verhielt sich die Regierungsfraktion von Pro Augsburg, die dem gebeutelten Kulturreferenten den Rücken stärkte und die Reparaturarbeit Gribls als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnete. Die SPD hat sich gegen die Verkürzung der Öffnungszeiten positioniert und versuchte auf der Stadtratssitzung am 29. Juli den „Beschluss“ des Kulturausschusses aufzuheben. Der Antrag wurde von Oberbürgermeister Gribl abgelehnt, da es noch keinen Beschluss gebe und er im Sinne des Antrags das Thema angehen wolle. Der Fraktionschef der CSU Bernd Kränzle äußerte gegenüber der DAZ, dass die CSU Gribl bei seiner Lösungssuche unterstütze.
“Das wichtigste soziale Gebäude der Stadt”
Man darf also davon ausgehen, dass es bei den bisherigen Öffnungszeiten der Neuen Stadtbücherei bleiben wird, auch wenn die Vertreter der Bürgerschaft heute Nachmittag für eine deutliche Verlängerung der Öffnungszeiten plädieren werden. Die Neue Stadtbücherei ist das „wichtigste soziale Gebäude der Stadt“, mahnte Kurt Idrizovic in der zurückliegenden Debatte an. Diese Einschätzung bestätigte die hauptamtliche Leiterin der Geschäftsstelle des Bündnisses für Augsburg, Sabine Nölke-Schaufler, deren „Büro für Bürgerschaftliches Engagement“ im dritten Stock der Stadtbücherei neben der städtischen Schwerbehindertenvertretung, dem Kompetenzzentrum Familie sowie dem Konzept der Stadtteilmütter angesiedelt ist. Im zweiten Stock residiert das „tip“ des Stadtjugendrings. „Es ist schade um jede Minute, die das Haus geschlossen ist“, da die Neue Stadtbücherei in wechselseitiger Wirkungsbeziehung mit den sozialen Einrichtungen des Hauses stehe, so Nölke-Schaufler.