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Montag, 11.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Neuanfang beim Brechtfestival

Im Februar erstmals Kooperation mit dem Theater Augsburg

Von Frank Heindl

Mit einer Pressekonferenz machten am Dienstag die Veranstalter auf das Programm des Brechtfestivals im kommenden Februar aufmerksam. Zwei große Unterschiede gibt es zu den in den vergangenen drei Jahren von Joachim Lang alleine verantworteten Festivals: Organisatorisch ist der Event zur „Dachmarke Brecht“ nun beim Theater und dessen Intendantin Juliane Votteler angesiedelt. Und inhaltlich wird es erstmals nicht mehr um ein „Generalthema“ gehen (bisher waren das der Film, die Musik und die Politik), sondern um Brechts Werk.

Um ihn geht’s: der junge Brecht – auf einem Foto im Besitz der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek.

Um ihn geht’s: der junge Brecht – auf einem Foto im Besitz der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek.


So schwammig die Konzentration aufs „Werk“ bisher klang – sie wird nun konkret anhand des vorliegenden Programms. Lang und Votteler haben für 2013 gleich mal fünf Inszenierungen geplant, alle drehen sich um den jungen Brecht, also „den Brecht der Augsburger Jahre“ (Joachim Lang):

  • „Im Dickicht der Städte“ als Inszenierung des Theaters Augsburg in der Brechtbühne
  • Ein neues Stück von Sebastian Seidel im Sensemble-Theater mit dem Titel „Enemy Alien Brecht“ – Seidel verarbeitet darin Original-Texte der Brecht-Rezeption
  • Eine Uraufführung von Brechts erstem Stück „Die Bibel“, das der Autor als Sechzehnjähriger veröffentlichte
  • Die „Dreigroschenoper“ als Gastspiel einer aktuellen Inszenierung des Staatstheaters Dresden (das von Friederike Heller inszenierte Stück hatte dort im September Premiere)
  • Und schließlich eine eigens fürs Augsburger Festival inszenierte Produktion des „Baal“ – der Schauspieler Thomas Thieme erstellt dazu eine Text-Mischung aus allen Versionen, die von Brecht vorliegen, und spricht – begleitet von seinem Sohn am E-Bass – alle Personen selbst.

100.000 Euro kommen aus München

Die Kooperation mit dem Theater hat sich für das Festival offenbar auch in klingender Münze ausgezahlt: Noch kurz vor Beginn der Pressekonferenz erhielt Kulturreferent Peter Grab die Zusage der Staatsregierung für einen beantragten Zuschuss über 100.000 Euro, eine weitere Finanzspritze in Höhe von 20.000 Euro dürfte folgen. Grab betonte anschließend, ein Team um Frau Votteler sei an den Verhandlungen in München beteiligt gewesen, der Wegfall der Zuschüsse aus dem Bayerischen Kulturfonds (dieser fördert Projekte prinzipiell nur drei Jahre lang) habe nur aufgrund dieser Kooperation kompensiert werden können. Dringend notwendig ist der Geldsegen, denn das Festival muss aus dem 2013er-Etat auch den Verlust aus 2012 tilgen – in diesem Jahr hatte Brecht 40.000 Miese in den Kassen verursacht.

Erstmals gibt es im Rahmen des Brechtfestival ein Gastspiel: die Dreigroschenoper in einer Inszenierung aus Dresden (Foto: Staatsschauspiel Dresden).

Erstmals gibt es im Rahmen des Brechtfestival ein Gastspiel: die Dreigroschenoper in einer Inszenierung aus Dresden (Foto: Staatsschauspiel Dresden).


Auch programmatisch zahlt sich die Kooperation mit dem Theater aus: Schon auf der Pressekonferenz wurde deutlich, dass Votteler mit dem ihr eigenen Enthusiasmus und Gestaltungswillen dem Festival neue Akzente geben will und wird. „Think big“, scheint die Intendantin sich einmal mehr vorgenommen zu haben: Nicht nur auf einen „Diskurs“ mit der Augsburger freien Szene freue sie sich, nicht nur die Konfrontation mit „unbequemen Fragen“ zum Thema Brecht hat sie sich vorgenommen – sie schwärmt auch von weiteren Möglichkeiten, deren Realisierung sie bald angehen will. So denkt sie an Gastspiele nicht nur aus Deutschland (Dresden macht 2013 den Anfang), sondern auch aus dem europäischen Ausland und vielleicht sogar einmal „aus der ganzen Welt“ – schließlich werde Brecht weltweit in hochspannenden Inszenierungen und Interpretationen inszeniert. Durch solche Gastspiele sollen Dialoge mit anderen Theatern entstehen, „die vielleicht ein ganzes Jahr über bestehen bleiben.“ Auch an internationale Workshops und studentische Gäste aus dem Ausland denkt Votteler, wenngleich das alles nicht von heute auf morgen zu realisieren sei: „Wir müssen uns dem allmählich annähern.“

Die folgenden Jahre werden spannend

Auch inhaltlich hat Votteler durchaus programmatische Vorstellungen: Es gelte, kritische Fragen zu Brecht zu stellen, zum Beispiel danach, wie jede Gesellschaft ihn in Krisenzeiten neu benutze, um Probleme zu analysieren und zu akzentuieren: Wird Brecht in solchen Zusammenhängen funktionalisiert? Und: „Machen wir das vielleicht auch?“. Heutzutage jedenfalls gehe es bei Brecht um Interpretation und Auslegung – getreu Vottelers Credo, dass es der Tod des Theaters wäre, Stücke immer gleich und unverändert zu inszenieren, was natürlich auch ein Plädoyer für engagiertes Regietheater ist. „Wir werden nicht Bayreuth werden“, gibt sich Votteler bescheiden, aber sie werde sich der Herausforderung stellen, bei Brecht „auch einmal alles auf den Kopf zu stellen.“

Man darf also nicht nur auf das Brechtfestival 2013 gespannt sein, sondern auch auf die Entwicklung in den folgenden Jahren. Dass Votteler ihr Engagement ernst meint, zeigt sich an ersten konkreten Konsequenzen: Eine Musiktheater-Premiere soll es zukünftig im Februar nicht mehr geben, stattdessen muss sich das Opernpublikum mit einer konzertanten Inszenierung begnügen, damit Platz entsteht nicht nur für das Festival, sondern auch für mehr Brecht am Stadttheater – schon 2014 soll es eine Inszenierung im Großen Haus geben (2013 wird „Dickicht“ in der Brechtbühne stattfinden). Desweiteren soll das Februar-Sinfoniekonzert zukünftig stets in Bezug zum Brechtfestival stehen – 2013 geht es dabei um Brechts Bänkellieder und seine „Gassenhauer-Ästhetik“ (Votteler), zukünftig beispielsweise um Werke von Brechts Zeitgenossen. Und schließlich wird sogar der Opernball verschoben: Er rückt auf dem Terminkalender hinter das Festival auf Mitte Februar. Dies alles, so die Intendantin, seien „erste Schritte“, um sich zukünftig im Januar ganz um Brecht kümmern zu können.

40 Veranstaltungen von Ausstellung bis Poetry Slam

Da das Theater auf diese Weise stark im Mittelpunkt der Pressekonferenz stand, geriet der Rest des Programms ein wenig in den Hintergrund. Neben den fünf Inszenierungen bringt das Festival aber auch die mittlerweile etablierte „Lange Brechtnacht“ mit vielen Akteuren und unter Beteiligung des Bayerischen Fernsehens, das nun schon zum dritten Mal seine „Nachtlinie“ direkt vom Festival senden wird. Auch den Publikumsrenner „Poetry Slam“ wird es wieder geben – wieder im Parktheater und wieder mit Moderator Michel Abdollahi. Daneben Buchpräsentationen, prominente Gäste, Ausstellungen, Popkultur, Vorträge, Gesprächs- und Diskussionsrunden, ein „offenes Uni-Seminar“, Stadtführungen auf Brechts Spuren, mehrere Konzerte und auch eines für Kinder – insgesamt bietet das Brechtfestival etwa 40 Veranstaltungen. Start ist am 1., Schluss am 10. Februar- und damit genau an des Dichters 115. Geburtstag. Die Programmhefte liegen an den üblichen Stellen aus, am komfortabelsten im Internet unter www.brechtfestival.de.



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