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Freitag, 26.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Nein“

Interview mit Kulturreferent Peter Grab zur Situation des Augsburger Stadttheaters

Es ist nur ein Wort. Ein Wort, das ein Kulturreferent nicht gerne sagt. Peter Grabs spektakuläres “Nein” zur Frage, ob das Augsburger Theater, wie wir es kennen, noch eine Zukunft habe, wollte Augsburgs Kulturreferent jedoch über seinen Dreistufen-Plan hinaus nicht weiter kommentieren. “Ich beteilige mich zu diesem Zeitpunkt nicht an hypothetischen Worst-Case-Szenarien”, so Grab im DAZ-Interview. Selten wurde die Situation des Augsburger Stadttheaters so zugespitzt formuliert. Peter Grab setzt wie Oberbürgermeister Kurt Gribl in Sachen Stadttheater vorerst alles auf die “Karte Freistaat”. Man dürfe eine solide Finanzierung nicht aus den Augen verlieren, so Grab. “Viel zu lange wurde herumgedoktert, ohne das Grundproblem anzugehen.”

"Das Zielpublikum von heute muss nicht das von gestern oder morgen sein": Kulturbürgermeister Peter Grab

"Das Zielpublikum von heute muss nicht das von gestern oder morgen sein": Kulturbürgermeister Peter Grab


DAZ: Herr Grab, der Theaterbetrieb in Augsburg, aber nicht nur in Augsburg, steht auf dem Prüfstand wie nie zuvor. Das hat nicht nur mit der Debatte um die Interimsspielstätte und den marodierenden Spielstätten zu tun, sondern möglicherweise allgemein mit dem gesellschaftlichen Bedeutungswandel der Theaterkunst im Allgemeinen. Die DAZ schrieb vor nicht allzu langer Zeit, dass sich für Augsburg die Frage stelle, warum und für wen und zu welchem Preis wir in Augsburg ein Stadttheater brauchen. Also: Warum Theater?

Grab: Die Theaterkunst gehört zu den ältesten Kulturformen überhaupt und ist in einer kulturellen Großstadt nicht wegzudenken. Ohne ein Theater gibt es in Augsburg nicht die gebotene Vielfalt in der Kultur. “Das Theater und die Museen sind das Rückgrat der bürgerlichen Kultur”, heißt es nicht grundlos in den aktuellen “Kulturpolitischen Mitteilungen” im Editorial.

DAZ: Welches Theater wünschen Sie sich für die Augsburger Stadtgesellschaft?



Grab:
Eines, das von den Rahmenbedingungen her so aufgestellt ist, dass ein möglichst breites Repertoire möglich wird.

“Ein Theater darf nicht ausschließlich an den Kosten gemessen werden”

DAZ: Kann sich die Stadt ein Stadttheater in dieser Kostendimension in der Zukunft noch leisten?

Grab: Ein Theater darf nicht ausschließlich an den Kosten gemessen werden. Es bringt auch einen unglaublichen Mehrwert – kulturell, sozialgesellschaftlich, Arbeitsplätze, Umwegrendite. – Ja, die drittgrößte Stadt eines der wichtigsten Bundesländer Deutschlands kann und sollte sich ein Dreispartentheater auch in Zukunft leisten!

DAZ: Für wen, also für welches Publikum soll das Stadttheater erhalten und finanziell gesichert werden?

Grab: Die kulturellen Interessen sind in einem stetigen Wandel und dementsprechend gibt es einen immerwährenden Veränderungsprozess. Das Zielpublikum von heute muss nicht das von gestern oder morgen sein. Es ist Aufgabe der Theaterleitungen, einerseits auf den Zeitgeist einzugehen, andererseits Klassiker zu bewahren – auf jeden Fall auch Neues auszuprobieren, was im kommerziellen Betrieb eines Wirtschaftsunternehmens oft nicht möglich wäre und daher die kulturelle Vielfalt darunter leiden würde, wenn es nicht öffentlich subventionierte Bühnen gäbe.

DAZ: Was verbindet Sie persönlich mit dem Stadttheater, welchen gesellschaftlichen, welchen künstlerischen Stellenwert hat es für Sie?

“Ein Drei-Sparten-Theater in dieser Größenordnung benötigt mindestens 26 Millionen Euro”

Grab: Es ist neben den Museen die wichtigste kulturelle Institution in unserer zweitausendjährigen, geschichtsträchtigen Stadt. Ich habe viele schöne, aufregende und auch nachdenkliche Stunden in unserem Theater erlebt. Besonders freut es mich, dass immer mehr jugendkulturelle Aufgaben – zum Beispiel das mehrjährige Projekt “Rap for Peace” – aber auch interkulturelle Aufgaben – zum Beispiel die musikalischen Weltreisen des Orchesters – wahrgenommen werden. Dies entspricht bekanntlich meinen kulturpolitischen Zielen.

Jugendtanzprojekt "Rap for Peace": Programmheft Festival der Kulturen 2010

Jugendtanzprojekt "Rap for Peace": Programmheft Festival der Kulturen 2010




DAZ: Ist der aktuelle Gesamtetat dem Anforderungsprofil, das Sie dem Stadttheater wünschen, besser: das Sie dem Stadttheater zusprechen – angemessen?

Grab: Nein.

DAZ: Ein klares Wort. Wie hoch müsste der Etat im allerbesten Fall denn sein, damit das Theater gegenüber den Herausforderungen der Zukunft, aber auch mittelfristig bestehen kann?

Grab: Ein Drei-Sparten-Theater in dieser Größenordnung benötigt bei vergleichender Betrachtung mindestens 26 Millionen Euro im Jahr.

DAZ: Hat das Stadttheater, so wir es kennen, in Augsburg überhaupt noch eine Zukunft?

Grab: Nein.

DAZ: Das ist nun aus Ihrem Mund eine spektakuläre Antwort. Hängt die Zukunft des Augsburger Stadttheaters tatsächlich davon ab, ob sich der Freistaat – wie Sie es in Ihrem Drei-Stufen-Plan vorgestellt haben – an den Betriebskosten stärker beteiligt?

“Wir benötigen eine deutlich höhere Förderung des Freistaates als bisher”

Theater-Demo Anfang März 2011

Theater-Demo Anfang März 2011


Grab: Wenn das Theater drei Sparten aufweisen und ein abwechslungsreiches Repertoire anbieten können soll, wie es einer Großstadt würdig ist, dann benötigen wir eine deutlich höhere Förderung des Freistaats als bisher. Bedenkt man, dass Augsburg mehr Einwohner hat als die größten Städte von sieben Bundesländern und vergleicht man deren Theaterlandschaft, so wird verständlich, warum Pro Augsburg den Antrag gestellt hat, auch in Augsburg das Theater zu verstaatlichen.

DAZ: Herr Grab, falls sich der Freistaat, wie das ja auch Oberbürgermeister Kurt Gribl skizziert hat, nicht in dem Maße wie erforderlich an den Betriebskosten beteiligen sollte, worauf muss sich die Augsburger Stadtgesellschaft dann bezüglich des Stadttheaters einstellen? Schwebt Ihnen gegebenenfalls eine Strukturreform beim Theater vor? Wie sähe die dann gegebenenfalls aus?

Grab: Ich beteilige mich zu diesem Zeitpunkt nicht an hypothetischen Worst-Case-Szenarien. Das Theater hat bereits Reformen hinter sich. Optimierungsvorschläge gibt es genügend. Man darf dabei eine solide Finanzierung nicht aus den Augen verlieren. Viel zu lange wurde herumgedoktert, ohne das Grundproblem anzugehen. Es ist höchste Zeit.

DAZ: Herr Grab, vielen Dank für das Gespräch.

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Fragen: Siegfried Zagler

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