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Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Meinung

Regierungsbildung: Nimmt man die Union aus dem Spiel, ist plötzlich alles einfach

Es ist gewählt. Das Ergebnis steht fest und aus einem absurden Variantenreichtum hinsichtlich der möglichen Regierungskoalitionen vor der Wahl, gibt es nur noch drei Optionen: GroKo, Jamaika oder Ampel. Wenn man auf ein demokratisches Gut achtet, nämlich den Wählerwillen, gibt es nur noch die Ampel.

Kommentar von Siegfried Zagler

Armin Laschet: Der größte Wahlverlierer, der je aus den Reihen der Union kam, strebt ins Kanzleramt. Ein Problem für die Union und eine Verdrehung des Wählerwillens. Foto: DAZ

Die Union hat mit ihrem Frontmann Armin Laschet knapp 9 Prozent im Vergleich zur Wahl 2017 verloren und ist nach 1972 zum dritten Mal hinter der SPD nur noch zweitstärkste Fraktion. Die Union sollte daraus die richtigen Schlüsse ziehen und sich innerparteilich erneuern. Auch für die Union gilt das Gebot des Souverän. Sie sollte nicht den gleichen Suizidversuch unternehmen, den SPD mehrfach hinter sich hat, also nach einem Wahl-Desaster nach der Macht streben. Armin Laschet hat die Wahl krachend verloren, er ist von den Wählern gerupft worden wie noch kein anderer Union-Kandidat. Eine rechnerisch mögliche Fortsetzung der GroKo verbietet sich aber nicht nur deshalb. Auch die SPD würde sich politisch ins Zwielicht der Unglaubwürdigkeit begeben, würde sie mit diesem Gedanken nur spielen.

Kaum liefen die ersten Prognosen über den Ticker, verkündete Armin Laschet seinen Willen zur Kanzlerschaft, die, sollte sie tatsächlich über Schwarz/Grün/Gelb (Jamaika) ermöglicht werden, nichts mit dem zu tun hätte, was im Interpretationsspielraum des Wählerwillens noch abzubilden wäre. Nur mit Chuzpe und Verwerflichkeit, also mit schrägen Interpretationen und vergifteten Cocktails („Bloody Lindner“) und eben davon betrunkenen Grünen, ließe sich ein Kanzler Laschet machen.

Jamaika geht nur, wenn Laschet aus der Bundespolitik verschwindet

Will man aber mit Gewalt die „Karte Schwarz“ nicht aus dem Spiel nehmen, dann müsste zumindest Laschet aus der Bundespolitik verschwinden. Die SPD hat das 2017 mit Martin Schulz vorgemacht – nach langem Ringen. Es liegt also an Laschet oder eben an den Parteigranden der Unionsparteien, ob die Union ohne Laschet als legitime Regierungsoption noch in Frage kommt.

An dieser Stelle sollte man aber daran erinnern, dass die SPD kaum dergestalt geschrumpft wäre, hätte sie dieser Versuchung öfters widerstanden. Mit einem Abwahlergebnis als Juniorpartner in die Regierung zu gehen, bedeutet Selbsterhöhung und Identitätsverlust. Daraus resultiert die eigentliche Krankheit, nämlich eine inhaltliche Verarmung, die Wähler nachhaltig vertreibt.

Nimmt man aber die Union komplett aus dem Spiel, ist alles plötzlich einfach. Da für Rot/Grün/Rot schlicht die Mehrheit fehlt, gibt es zu Rot/Grün/Gelb („Ampel“) keine Alternative. Ein positiver Nebeneffekt: Eine starke Unionsopposition könnte auch zur weiteren Schwächung der AfD führen.

Bleibt die FDP wie sie ist, gleicht die Ampelkoalition der Quadratur eines Kreises

Nicht die FDP und die Grünen haben zu verhandeln, wen sie zum Kanzler machen. Das wäre beschämend. Olaf Scholz bekommt vom Bundespräsidenten als Vertreter der stärksten Fraktion den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Mit den Grünen hat also die SPD zuerst zu verhandeln, wohlwissend, dass man die FDP noch mit ins Boot nehmen muss. Bleiben aber Lindner und Co. bei ihren Essentials, dann würde die Ampelkoalition einer Quadratur des Kreises gleich kommen.

Hört man Lindner einfach nur zu, muss man nicht Politikwissenschaften studiert haben, um zu wissen, dass Kleinmachen seine Sache nicht ist. Bliebe die FDP aber eine Klientel-Partei, die ihre Inhalte gern als große Wahrheit stilisiert, dann müssten die Grünen stark bleiben, zumal sie – den Liberalen nicht unähnlich – ihre Inhalte als alternativlos verkaufen. Jamaika geht nur, wenn Laschet geopfert wird und die Union nach der gelb-grünen Pfeife tanzt. Dies würde für die Union das Risiko eines Niedergangs bedeuten.

Die Grünen haben mit ihrer schwachen Kanzlerkandidatin nicht nur sich selbst, sondern auch die SPD und deren Verhandlungsposition bei der Regierungsbildung geschwächt. Hätten sich die Linken vor der Wahl  klüger verhalten (z.B.) in der Afghanistanfrage, gäbe es sehr wahrscheinlich für Scholz noch die Drohkulisse Rot/Grün/Rot, die mehr Drohung, denn Kulisse wäre. Nur eine Handvoll Mandate fehlen dazu, nämlich sechs. Die von Willy Brandt einst beschworene Mehrheit links der Mitte gibt es längst nicht mehr. Das ist auch eine Wahrheit dieser Wahl.

Unabhängig davon beginnt nun die hohe Kunst der Demokratie. Sollten Union und die Grünen aus dem Cocktail „Bloody Lindner“ trinken, würden sie das Wahlergebnis zu ihren Gunsten falsch interpretieren und sich selbst dabei in gefährliches Fahrwasser begeben.