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Mythos Fliegen: „Das Teuflische mit dem Himmlischen verschmolzen“

Eine Ausstellung im Glaspalast dokumentiert den künstlerisch ergiebigen Aufenthalt von Paul Klee 1917-1918 in der Fliegerschule Gersthofen.

Von Halrun Reinholz

Und es ward Licht

Und es ward Licht, 1918


Anders als der Titel „Mythos Fliegen“ zunächst suggeriert: Paul Klee war kein passionierter Flieger, auch wenn er als Gefreiter im Ersten Weltkrieg an der Fliegerschule Gersthofen Dienst tat. Ganz im Gegenteil – Fliegen machte ihm Angst. Zumal er mit ansehen musste, wie viele junge Soldaten an der Fliegerschule täglich mit mehr oder minder erheblichen Folgen verunglückten. Besonders jedoch fürchtete er sich davor, selbst zum Fronteinsatz zu müssen. Im Gegensatz zu so manchen seiner jungen Kollegen hatte er sich nicht freiwillig zum Kriegseinsatz gemeldet. Im März 1916 erhielt er die Einberufung, einen Tag davor war sein Freund und Kollege Franz Marc gefallen. Die Berufsbezeichnung „Maler“ erwies sich für Klee als günstig – er kam zunächst nach Landshut und Schleißheim, wo er etwa Hoheitszeichen an Flugzeuge pinseln durfte. Ab Januar 1917 teilte man ihn der im Aufbau befindlichen Fliegerschule in Gersthofen zu. Als Kassenwart im Büro hatte er Gelegenheit, nebenbei zu zeichnen und die beeindruckenden Geschehnisse in der Kaserne künstlerisch zu verarbeiten.

Genau diese knapp zwei Jahre bis zum Ende des Ersten Weltkriegs stehen im Fokus der Ausstellung, die die Kunstsammlungen und Museen Augsburg noch bis zum 23. Februar 2014 im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast zeigen. Denn die kurze Zeit war einerseits künstlerisch sehr fruchtbar, andererseits durch Tagebucheinträge und die Korrespondenz Paul Klees mit seiner Frau Lily in München auch biographisch aufschlussreich. Sie zeigt die Kehrseite der „Kriegshelden“-Generation, den empfindsamen Familienmenschen Klee, der seinen Ängsten künstlerisch Ausdruck verleiht. Entsprechend hat Kurator Sahab Sangestan eine raffinierte Zweiteilung der großen Halle im Glaspalast gestalten lassen: Im (kleineren) „Black cube“ werden die biographischen Zeugnisse präsentiert – Tagebucheinträge, Briefe, Fotos, herrlich bibliophile Postkarten mit Augsburg-Motiven und viele andere Kuriositäten. Diese bereiten auf den „White cube“ vor, der die künstlerischen Produkte Klees aus dieser Zeit zur Schau stellt. In Kooperation mit dem Zentrum Paul Klee in Bern konnten die Kunstsammlungen für diese Ausstellung zahlreiche nationale und internationale Leihgaben aus Museen und Privatsammlungen zusammentragen, die die Vielfalt und Fülle von Klees Schaffen eindrucksvoll dokumentieren.

Spiel der Kräfte einer Lechlandschaft

Spiel der Kräfte einer Lechlandschaft, 1917


Die Metapher des Fliegens für die Bewältigung der Weltkriegs-Erlebnisse hat Klee selbst geprägt („Um mich aus meinen Trümmern herauszuarbeiten müsste ich fliegen, und ich flog“). Einen weiteren Fluchtpunkt fand er in der Natur, in die er sich zurückzog, um zu malen. So haben viele der in den Lechauen entstandenen Werke einen lokalen Bezug, gleichzeitig entstand ein künstlerisches Element, eine Zickzackmusterung, die Klee weder davor noch danach jemals verwendete, und die sich auch als Zeichen der Bedrohung und der Kriegsangst interpretieren lässt. Zweifellos ist es das Hauptverdienst der Ausstellung, den regionalen Aufhänger und die überregionale künstlerische Strahlkraft dieser Schaffensperiode Klees durch sorgfältige Dokumentation in ein adäquates Verhältnis zu setzen. Ergänzt werden die Exponate zudem durch ein vielfältiges professionelles Begleitprogramm, das von Museumspädagogik für Kinder bis hin zu Lechwanderungen auf den Spuren von Paul Klee, Vorträgen, Lesungen und Musik ein breites Spektrum an Interessen abdecken. Parallel zu Paul Klee im Glaspalast zeigt das Ballonmuseum in Gersthofen die Ausstellung des Künstlers Joachim Jung „Auf den Spuren von Paul Klee“.

Paul Klee: Mythos Fliegen

23. November 2013 – 23. Februar 2014

H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast


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