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Freitag, 19.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Mythen der Antike

Sisyphos galt als der verschlagenste Mensch von allen. Er intrigierte gegen Zeus und konnte sich mit List und Tücke lange der Bestrafung der Götter entziehen. Vermutlich wurde er gerade deshalb, als ihn schließlich Thanatos mit Gewalt ins Schattenreich entführte, mit der grausamsten aller Strafen belegt: Sinnlosigkeit und Langweile.

Von Albert Camus haben wir erfahren, dass sogar der am Felsen hängende Prometheus, nachdem er von Sisyphos’ Schicksal erfahren habe, vor Mitleid geweint haben soll. Stete Langeweile sei für begabte und empfindsame Menschen der Beginn allen Elends. Für Georg Büchner ist die Langweile und die Sinnlosigkeit des Daseins Grundmotiv aristokratischen Handelns: “Was tut man nicht alles aus Langweile?!” (Leonce und Lena). “Eine sinnlose Treppe bauen”, wäre eine Antwort gewesen, die Camus gefallen hätte.

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Es ist kein Adler, sondern ein Bussard und es ist nicht nicht die Leber von Prometheus, sondern ein Taubenkadaver im Fenstergitter am Fünffingerlesturm. Tiefkühlkost aus der Taubenfalle der Patrizierfreunde hat einen stattlichen Raubvogel von der Wolfzahnau an den Gänsbühl gelockt.

Camus vergleicht das Schicksal Sisyphos’ mit der Entfremdung des Menschen in der Moderne. Doch Hoffnung bestehe darin, dass, nachdem der Stein den höchsten Punkt passiert habe, ohne entfremdete Arbeit eine Etappe “des sinnlosen Werkelns” vollendet werde. Auf dem Weg nach unten sei Sisyphos eine interessante Figur. Hier könne er nachdenken und einen Ausweg suchen.

Die DAZ-Redaktion bedankt sich bei Leser Fritz Seidler für das beeindruckende Fotodokument.