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Montag, 22.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Museen: Wenig Geld braucht viel Engagement

Auf ihrer Jahresbilanz mit Ausblick ins Jahr 2017 zeigen die Kunstsammlungen, dass auch mit wenig Etat Beachtliches möglich ist

Von Halrun Reinholz

Schaezlerpalais Augsburg

Schaezlerpalais Augsburg


Die 300.000 Besucher-Marke wurde 2016 geknackt, das war die Einstiegsnachricht der Bilanz der Städtischen Kunstsammlungen. KuSa-Leiter Dr. Christof Trepesch konnte stolz verkünden, dass 312.184 Besucher den Weg in die Ausstellungsräume gefunden hatten. Fast alle Häuser konnten Zuwächse verbuchen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Widrigkeiten der Vergangenheit weitgehend ausgeräumt oder konsolidiert werden konnten. So musste das Mozarthaus wegen eines Wasserschadens länger geschlossen bleiben. Gar nicht zu reden vom Römischen Museum, das 2013 und 2014 ganzjährig geschlossen war und erst 2015 in Form des „Römerlagers“ im Zeughaus wieder auftauchte. Umso beachtlicher, dass diese Interimsausstellung nun 21.132 Besucher anzog, im Römischen Museum waren es im Jahr vor der Schließung nur knapp 3000 mehr gewesen (im Jahr davor allerdings deutlich mehr).

Die Kunstsammlungen haben keinen Ankaufsetat und keinen Ausstellungsetat. Dennoch hat es im vergangenen Jahr 25 Ausstellungen in den fünf Häusern gegeben, acht Ausstellungskataloge legen nachhaltig Zeugnis davon ab. Denn, so Trepesch, nur mit  Ausstellungen und Sonderaktionen könne man Besucher ins Museum locken. Und deshalb gilt es, solche mit möglichst wenig Aufwand und Geld zu gestalten und attraktiv zu präsentieren. Ohne speziellen Etat bleibt da nur der Weg über Leihgaben und vor allem die Finanzierung über Drittmittel oder Sponsoren. Über diese werden Ankäufe (immerhin 969 Neuanschaffungen im Jahr 2016), Dauerleihgaben oder Sonderpräsentationen möglich und die Kunstsammlungen können sich glücklich schätzen, dass sie über ein beachtliches Potenzial an Stiftungen und wohlwollenden Kunstmäzenen verfügen, die ihnen immer wieder unter die Arme greifen. Ein wichtiges Potenzial ist allerdings auch der eigene wertvolle Fundus, der zu zahlreichen Anfragen für Leihgaben führt. Diese Kontakte erweisen sich auch im Gegenzug als sehr hilfreich für Tauschgaben.

Dr. Christof Trepesch

Dr. Christof Trepesch


Im Schaezlerpalais, dem „klassischen“ Kunstmuseum, fanden sechs Ausstellungen statt, davon zweimal (weil jeweils über die Jahresgrenze hinweg) die „Große Schwäbische“, wo sich unter dem Dach des BBK einheimische lebende Künstler präsentieren dürfen. Die traditionell in der Toskanischen Säulenhalle des Zeughauses beheimatete Schau musste wegen des Römerlagers dort ausziehen, hat sich aber mittlerweile ganz gut in die Barockgalerie integriert. Die letzte sogar im wahrsten Sinne des Wortes, weil die Bilder tatsächlich zwischen die Bilder der Dauerausstellung gehängt waren und mit ihnen gleichsam in Dialog traten. Die größte 2016er-Attraktion im Schaezlerpalais war „Rendezvous der Künstler“ mit Bildern aus der Sammlung Klewan. Diese Ausstellung geht nun nach Wien ins Untere Belvedere und danach in die Partnerstadt Liberec. Doch auch „Ein Kaufmann als Kunstfreund“ mit Bildern aus der Sammlung des Zwickauer Textilkaufmanns  Hermann Hugo Neithold oder „Mut, liebe Julie“ mit Arbeiten der von Moritz Rugendas geförderten Malerin Lulie Hagen Schwarz zogen Zuschauer an. Als wahrer Publikumsrenner erwies sich aber die Ausstellung „Ein Blick zurück“ mit historischen Fotografien aus dem Augsburg der 1860er Jahre der Brüder Carl und Alfred Jochner im Grafischen Kabinett. Erfreuliches konnte der Museumsleiter auch über Gestaltungsprojekte im Haus selbst berichten: Mit Hilfe einer sechsstelligen Summe der Alt-Augsburg-Gesellschaft konnten die wertvollen Supraporten in den Museumsräumen restauriert werden.

Für das Maximilianmuseum, Museum für Stadtgeschichte, zog dessen Leiter Dr. Christoph Emmendörffer Bilanz. Hier hat man auch längst aus der Not eine Tugend gemacht und greift für Sonderschauen gern auf den reichen und günstig erreichbaren Fundus der Depots zurück. Auf diese Weise entsteht jedes Jahr die Spielzeugausstellung „Kleine Welten“ und nun schon im dritten Jahr die „Wunderkammer“. 2015/16 war diese dem Reichsstadt-Jubiläum gewidmet und präsentierte Dokumente und Exponate zur Freien Reichsstadt Augsburg. Die derzeit noch (immer von Oktober bis Oktober) aktuelle Schau zeigt, in Kooperation mit der Stadtarchäologie,  „Bodenschätze“, die bei Ausgrabungen gefunden wurden, jedoch nicht über die Römerstadt, sondern über das Leben im Mittelalter und der frühen Neuzeit in Augsburg Aufschluss geben. Eine besonders bemerkenswerte Ausstellung ist „Glückliche Momente“, die Besucher durch das ganze Haus lockt. Es handelt sich nämlich um die Neuerwerbungen der letzten zehn Jahre, die als solche gekennzeichnet sind, aber ansonsten selbstverständlich an den thematisch adäquaten Plätzen stehen. Gerade durch diese „glücklichen Momente“, die auch in einem Katalog dokumentiert sind, wird deutlich, wie abhängig die Museen vom privaten Engagement von Kunstfreunden sind – und wie glücklich sie sich dafür schätzen.

Das derzeit nicht existente Römische Museum ist selbst nur mit einem Bruchteil seiner Schätze als Sonderausstellung wahrnehmbar. An Mangel an Exponaten könnte es sich allerdings nicht beklagen. Dr. Sebastian Gairhos von der Stadtarchäologie berichtete über Grabungen, die im letzten Jahr zahlreiche Funde (mengenmäßig 10 Europaletten pro Jahr) zutage gebracht hätten und noch weitere versprechen. Zeigen kann man sie derzeit nirgends, aber immerhin erfolgte im vergangenen Jahr auch die termingerechte Fertigstellung des neuen Archäologischen Zentraldepots im Textilviertel. Das mit modernsten Standards ausgestattete Gebäude bietet zeitgemäße Lagerungsbedingungen für die wertvollen und fragilen Bodenfunde und adäquaten Arbeitsraum für die Mitarbeiter der Stadtarchäologie. Was noch aussteht, ist der Präsentationsraum für die römischen Funde.

Gut besucht werden auch die elf Ausstellungen im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, wie deren Leiter Dr. Thomas Elsen feststellt. Er sieht es als eine wesentliche Aufgabe seines Hauses an, stets auch Künstler aus der Region zu berücksichtigen. Die „Große Schwäbische“ findet teilweise auch im Glaspalast statt.

Die Attraktivität der Häuser ist aber vor allem auch abhängig von der Kunst- und Kulturvermittlung an die Öffentlichkeit. Diese findet in den Kunstsammlungen unter der Leitung von Manuela Wagner statt. An allen Häusern gibt es Turnus- und Sonderführungen, besonders wichtig ist auch die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen über die Schulen und Hochschulen. So entstand über die Zusammenarbeit mit der Internationalen Schule ein englischer Audio-Guide. Als Publikumsmagnete erweisen sich stets auch die Sonderaktionen wie die „magische Nacht“ zu Halloween im Maxmuseum oder das Barockfest im Schaezlerpalais.

Deshalb binden sich die Kunstsammlungen auch gern in städtische Veranstaltungen wie die Lange Kunstnacht, den Europatag oder das Kinder-Friedensfest im Botanischen Garten mit ein oder öffnen ihre Tore für Geburtstagsfeiern – nicht nur für Kinder. Attraktiv sind auch besondere Führungen – „entspannte“ Führungen im H2, Römer- „Tastführungen“ für Sehbehinderte oder die punktuellen „Kunststücke“ oder die „Kunstsprechstunde“. Unbemerkt von der Öffentlichkeit finden in den Häusern der Kunstsammlungen auch Fachtagungen statt, etwa zum Thema Mittelalter oder Tagungen der Deutschen Fotografischen Akademie.

Für 2017 ist einiges geplant. So klinkt man sich selbstverständlich in die Reformations-Thematik zum Lutherjahr mit ein. In der Graphischen Sammlung hat soeben eine Ausstellung zum Kinderbuch „Martin Luther aus Wittenberg“ eröffnet. Sie zeigt die Originalzeichnungen von Klaus Ensikat, die das Buch optisch besonders attraktiv machen. Auch im H2 wird eine Ausstellung zum Reformationsjubiläum stattfinden: In Kooperation mit dem Friedensbüro präsentieren zeitgenössische Künstler ihre Interpretation zum Thema. Das Maximiliansmuseum plant in diesem Jahr eine Ausstellung der Bildhauerin und Keramikmeisterin Gertrud Nein und bereitet sich bereits auf eine große Ausstellung im Jahr 2018 vor: Aus Anlass der Unesco-Bewerbung zeigt das Haus rund um die Brunnenfiguren und die Modelle der Wasserkunst eine große Schau zum Thema Wasser. An Publikationen ist nach dem gelungenen Katalog zum Schaezlerpalais nun ein Bildband zur Römerstadt in Planung.

Als Fazit erweist sich auch diesmal wieder, dass die Kunstsammlungen seit Jahren einen ständigen Balance-Akt zwischen attraktiven Angeboten und notorischer Geldknappheit bestreiten müssen. Diese Sorgen teilen sie mit vielen ähnlichen Institutionen, die auf öffentliche Mittel angewiesen sind. Große Ausstellungen mit überregionaler Resonanz kann es da nur selten geben. Die “Wasser-Ausstellung” 2018, die mit Bundesmitteln gefördert wird, hat das Potenzial dazu.

Die Zukunft des Römischen Museums ist ein dringend zu lösendes Problem. Doch die Pflege und Präsentation der eigenen Ressourcen unter diversen thematischen Blickwinkeln beherrschen die Kunstsammlungen mittlerweile hervorragend. Sie tun gut daran, das auch der Öffentlichkeit bewusst zu machen und diese damit immer wieder zum Kunstgenuss einzuladen.