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Dienstag, 16.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Mit Blick auf die Finanzlage ist die Forderung der Linken absolut unrealistisch“

Dr. Mark Dominik Hoppe im Gespräch mit Siegfried Zagler



"Wir dürfen wieder bauen." WBG-Geschäftsführer Mark Dominik Hoppe

"Wir dürfen wieder bauen." WBG-Geschäftsführer Mark Dominik Hoppe


In Augsburg stiegen wie in fast allen großen deutschen Städten die Mieten stärker als die Löhne und Gehälter der Bürger. Durch den Zuzug von Tausenden von Neubürgern und das überschaubare Angebot an Neubauten verschärft sich die Situation täglich. Hinzu kommt das Problem der großen Zahl von prekär beschäftigten Arbeitnehmern, die sich die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt längst nicht mehr leisten können. Die steigende Zahl der Flüchtlinge solle nicht dazu führen, dass sich für die Einheimischen die Wohnungsnot weiter verschärfe, so das Credo von Augsburgs Oberbürgerbürgermeister Kurt Gribl. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft (WBG) soll dieser Entwicklung entgegenwirken, indem sie bezahlbaren Wohnraum schafft. 100 Wohnungen im Jahr solle sie bauen oder erwerben, so der Auftrag des Stadtrats. Die Augsburger Linken würden diese Zahl gern verzehnfachen. Die Wohnungsnot ist in aller Munde und eine schwer zu lösende Aufgabe für die Politik. Grund genug, um mit dem Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ein Interview zu führen. Dr. Mark Dominik Hoppe ist seit zwei Jahren neuer Geschäftsführer der WBG. Hoppe (39) ist in München geboren, promoviert hat er 2002 in Augsburg. Hoppe ist Jurist und löste im Mai 2014 eine schillernde Persönlichkeit als Geschäftsführer ab, nämlich Edgar Mathe, der die WBG mit baulichen Großprojekten wie Stadtbücherei, Messe und CFS zu einem Immobilien- und Finanzdienstleister der Stadt geformt hat. Nun soll die WBG von Hoppe wieder ihrem Namen gerecht werden. „Wir dürfen wieder bauen“, so Hoppe im DAZ-Interview.

DAZ: Herr Hoppe, die WBG solle wieder Wohnungen bauen, die für Bürger mit schwächeren Einkommen bestimmt sein sollen. Die Opposition wirft der WBG vor, in den Jahren 2009 bis 2014 keine einzige Sozialwohnung geschaffen zu haben. Stimmt das?

Hoppe: Richtig ist jedenfalls, dass sich die WBG seit dem Jahr 1999 schwerpunktmäßig mit der Modernisierung von bestehenden Wohnanlagen beschäftigt hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Wohnungsmarkt in Augsburg übersättigt, da rund dreitausend ehemalige Wohnungen der US-Armee auf einen Schlag zur Verfügung standen. Zwischenzeitlich war es in dieser Situation schwierig für die WBG, ihre rund zehntausend Wohnungen zu vermieten. Mein sehr geschätzter Vorgänger Edgar Mathe setzte den Schwerpunkt der baulichen Tätigkeit deswegen auf die Vollmodernisierung von weiten Teilen unseres Wohnungsbestandes, der sich dementsprechend sehen lassen kann. Neben dem Wohnungsneubau ist der Erhalt von Gebäudesubstanz und die Herstellung zeitgemäßer Wohnverhältnisse ein ebenso wichtiges Thema im Wohnungsbau.

DAZ: Hätte die Politik beziehungsweise Herr Mathe nicht antizipieren können, dass der Mietwohnungsmarkt wieder heiß wird?

Hoppe: Die Vehemenz, mit dem das Thema der Notwendigkeit von Neubau Augsburg trifft, war meiner Ansicht nach kaum absehbar. Nicht zu vergessen: 2009 war unsere Stadtbevölkerung noch mit 100 Personen rückläufig. Die Modernisierungstätigkeit muss jetzt reduziert werden, um ausreichende liquide Mittel für den Neubau zu gewährleisten. Im Jahre 2014 haben wir allein 72 Wohnungen am Holzweg aufgekauft, um diese als bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, sowie einen Neubau in der Hirschstraße mit 42 Wohnungen neu bezogen, ebenso 17 in der Anlage Wohnen am Römertor.

DAZ: Wie viele Wohnungen dieser Art fehlen denn in Augsburg? Gibt es dazu eine Statistik? Wie viele Anträge liegen bei der WBG auf Eis, weil es dafür keine Grundlagen, nämlich bezahlbare Wohnungen gibt?

Hoppe: Derzeit bewirtschaften wir in Augsburg über 9.700 Wohnungen. Wie die Zuzugszahlen sind auch die Neubauzahlen bekannt. Hier zeigt sich ein steter Fehlbedarf. Nehmen wir das Jahr 2014 mit einem bereinigten Zuzug von 5.071 Personen und einem Neubauaufkommen von zirka 1.500 Einheiten: wenn man von 1,8 bis 2,0 Personen pro Haushalt ausgeht, fehlen also rund 1.000 Wohnungen. Wir haben über 5.000 Bewerber auf der Liste. Pro Monat werden allerdings lediglich 60 bis 70 Wohnungen frei.

DAZ: „Bereinigter“ Zuzug“ bedeutet was?

Hoppe: Die Saldierung aus Zu- und Wegzugszahlen, also der echte Zuwachs.

DAZ: Welche Personen können denn eine WBG-Wohnung beantragen? Und wie hoch ist die Miete einer WBG-Wohnung pro Quadratmeter im Durchschnitt?

Hoppe: Bei unseren geförderten Wohnungen, die sich in der Bindung befinden, benötigt man einen Wohnberechtigungsschein des Wohnungs- und Stiftungsamtes. Etwa 3000 Wohnungen unterliegen noch dem Regime des sog. 1. Förderweges. Ansonsten sind die Voraussetzungen die Mietverträglichkeit und die Gewähr, die Miete aufbringen zu können. Ob gebunden oder nicht: unser Wohnraum ist dauerhaft bezahlbar: im Schnitt über alle Wohnungen liegt die Miete bei 5,21 €/m2.

DAZ: 100 Wohnungen soll die WBG bauen. Ist das ein Auftrag des Stadtrats oder eine Empfehlung des Baureferenten?

Hoppe: 100 Wohnungen errichten oder erwerben, ist der Auftrag des Stadtrates an uns.

DAZ: Ist diese Vorgabe realistisch?

Hoppe: Die Vorgabe ist realistisch, aber sie führt uns an die Grenzen des wirtschaftlich Leistbaren: Für 600 Wohnungen rechnen wir aktuell mit Kosten von 160 Millionen Euro. Bau- und Grundstückspreise ziehen weiter stark an. Ohne ein entsprechendes Förderszenario durch den Freistaat Bayern wäre eine Umsetzung nicht möglich. Und ohne das derzeitige günstige Zinsniveau. Vor allem müssen aber auch mittelfristig entsprechende Grundstücke zur Verfügung stehen.

DAZ: Sind fehlende Grundstücke ein Problem?

Hoppe: Kurzfristig stehen uns ausreichende Flächen zur Verfügung. Unsere Planung endet aber nicht mit dem Auftrag der ersten 600 Wohnungen. Der Bedarf wird nicht abreißen. Daher versuchen wir bereits jetzt Grundstücke zu bevorraten. Aber der Markt ist derzeit sehr eng.

DAZ: Nach welchen Zeiträumen beginnt sich dieser Wohnungsbau einer schwarzen Null anzunähern? – Oder entspricht dieses Profit-Rechnen nicht dem Zweck einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft?

Edgar Mathe, Dr. Dominik Hoppe

Edgar Mathe, Dr. Mark Dominik Hoppe


Hoppe: Die WBG ist ein Wirtschaftsunternehmen, das für den Zweck “Wohnraum für breite Schichten der Augsburger Bevölkerung zur Verfügung zu stellen” 1927 gegründet wurde. Das heißt: wir sind gehalten wirtschaftlich zu arbeiten. Nur so können wir – ohne zu einem Zuschussbetrieb für die Stadt zu werden – nachhaltig Werte schaffen und erhalten. Bei den Neubauvorhaben wird es jedenfalls vor dem 35. Betriebsjahr voraussichtlich keine schwarze Null geben. Dann ist aber auch schon wieder Zeit für eine erste Modernisierung.

DAZ: Die Forderung der Linken, nicht einhundert, sondern eintausend Wohnungen im Jahr zu bauen, mag einem Bedarf entsprechen, wohl aber nicht der Wirtschaftskraft der WBG. Wie viele Wohnungen könnte die WBG bauen, wenn die Stadt dafür jedes Jahr fünf Millionen Euro bereitstellen würde?

Hoppe: Die Stadt hat uns als Organ der Wohnungsbaupolitik mit dem Wohnungsneubau betraut. Mit Blick auf die WBG-Finanzlage ist die Forderung der Linken, damit statt 160 Millionen Euro, 1,6 Milliarden Euro zu verbauen, absolut unrealistisch. Mit 5 Millionen Euro zusätzlichen Mitteln könnten wir bei einer Fremdkapitalquote von 75 Prozent zirka 80 – 100 Wohnungen jährlich errichten.

DAZ: Welche Konsequenzen hat eine „Fremdkapitalquote von 75 Prozent“ bezüglich der Nutzung der Wohnungen? Gibt es Anlass zur Sorge, dass die Neubauwohnungen der WBG nur eine bestimmte Zeit mietpreisgebunden sind und danach von den Investoren in den normalen Markt überführt werden können?



Hoppe: Auf die Nutzung hat die Fremdkapitalquote keinerlei Auswirkungen. Wohl aber auf die Finanzierungsbedingungen, zu denen wir Mittel aufnehmen können. Wenn sich diese verschlechtern, steigen die Finanzierungskosten und das schlägt auf die Mieten durch. Das ergänzende Fremdkapital wird im Rahmen von Bankkrediten aufgenommen, einzelne Investoren sind nicht im Spiel. Hier handelt es sich um Darlehen, wie sie sonst für Wohnungs- oder Hauskäufe von Privatpersonen aufgenommen werden. Auch wenn Private nach dem Auslaufen der Bindung aus der einkommensorientierten Förderung nach derzeit 25 Jahren häufig die Wohnungen abverkaufen werden, besteht mit der WBG die Sicherheit, dass der neu geschaffene dauerhaft bezahlbare Wohnraum in der Hand der städtischen Tochter verbleiben wird.



DAZ: Herr Hoppe, vielen Dank für das Gespräch.

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Fragen: Siegfried Zagler