“Mio, mein Mio” im Theater: Das Gute siegt immer
Wie immer um diese Jahreszeit hatte das Kinderstück Premiere, das in den nächsten Monaten von Heerscharen von Kindern in zahlreichen Schülervorstellungen besucht werden kann. Der einschlägig erfahrene Regisseur Joachim von Burchard brachte den Kinderbuchklassiker von Astrid Lindgren „Mio, mein Mio“ auf die Bühne des Martiniparks.
Von Halrun Reinholz
Astrid Lindgren hat das Buch im Jahr 1954 geschrieben, als Kindheit noch geprägt war von autoritären Familienstrukturen und vielfach auch von freudlosem Pflichtbewusstsein. Typen wie Pippi Langstrumpf bürsten dieses Verständnis nach Strich und Faden auf, und auch „Mio, mein Mio“ ist ein märchenhaft verpacktes Bekenntnis zu Werten wie Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Mut und Verantwortungsbewusstsein – aber auch zu liebevoller Geborgenheit in der Familie. Mio ist das Fantasieprodukt des Waisenkindes Bosse, der eine liebende Bezugsperson vermisst. Deshalb erträumt er sich einen Vater, den König des Landes der Ferne. Der scheint nur auf ihn gewartet zu haben. Er schenkt ihm ein weißes Pferd, Miramis, damit er mit seinem einzigen Freund JumJum das ganze Land erkunden kann, bis zur Grenze zum „Land Außerhalb“, wo der böse Ritter Kato haust. Bei der Nennung von dessen Namen wiehert das Pferd bereits angstvoll. Auf ihrer Erkundungsreise lernen Mio und JumJum einige Personen kennen, die durch den Ritter Kato Brüder oder Töchter verloren haben. Und alle warten auf den Königssohn, der nach der Überlieferung den Ritter Kato besiegen soll. Mio ist kein Draufgänger, aber er überwindet seine Angst und seine Zweifel, weil er weiß, dass sein Vater ihn liebt und ihm das zutraut. Eine elementare Botschaft der Pädagogik (bei Astrid Lindgren noch revolutionär), die ihre Aktualität nicht verliert und nicht oft genug ins Bewusstsein gerufen werden kann.
Joachim von Burchard braucht nicht viel Schnickschnack, um diese Botschaft auf die Bühne zu bringen. Das Bühnenbild (Jeannine Simon) erinnert an die Puppenkiste: klassisch und witzig plakativ, einfühlsam ergänzt durch Videoaufnahmen, die besonders die Reise auf dem Rücken des Pferdes nachvollziehbar machen. Von Jeannine Simon stammen auch die fantasievollen Kostüme und Jan Exner sorgt für die Ergänzung mit Musik, die auch als dramaturgischer Faktor (die uralte Melodie auf der Flöte) eine Rolle spielt. Sechs Darsteller teilen sich die Rollen. Marlene Hoffmann und Daniel Schmidt als JumJum treffen auf Typen wie den zauberhaften König (Sebastian Müller-Stahl, der auch als ambivalenter Waffenschmied glänzt), auf Nonno, der ihnen die Flöten schenkt (Sebastian Baumgart, der ihnen später als Eno auch wichtige Tipps zum Umgang mit dem bösen Ritter geben wird). Sie treffen Helferinnen wie Nonnos Großmutter , Minonna und die Weberin, alle drei verkörpert von Natalie Hünig.
Und schließlich stehen sie Ritter Kato (Kai Windhövel) gegenüber, ein eher gelangweilter Diktator, der seine Ruhe braucht, um sich bei heißem Kakao und Keksen „böse Gedanken“ zu überlegen und nach trickreichem Kampf Mios fast erleichtert ist, sein „Herz aus Stein“ endlich los zu sein. Seine Macht stützt sich auf dümmlich quatschende „Späher“, die allgegenwärtig sind und dennoch das Wichtigste nicht mitbekommen.
Bei der Zielgruppe im Martinipark kam die Botschaft an: gespannte Ruhe während der Vorstellung und frenetischer Schlussapplaus für die Darsteller. Das Gute siegt immer und das Märchenstück dürfte auch in diesem Jahr wieder etlichen Kindern die Freude am Theater vermitteln.