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Massaker an Unschuldigen und brennende Bücher

Besuch von SS-Überlebenden im Rathaus / 80 Jahre „Bücherverbrennung“ an der Uni

Von Frank Heindl

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten jährt sich 2013 zum 80. Mal. Doch manche Gedenktage sind nicht „rund“ und müssen trotzdem immer wieder wahrgenommen werden, um die Erinnerungen an Gräuel und Unmenschlichkeit wach zu halten. In der vergangenen Woche fand solches Gedenken in Augsburg mehrmals statt: Im Rathaus wurde eine Delegation von Überlebenden eines SS-Massakers begrüßt, an der Universität eine Ausstellung über vor den Nazis geflohene Schriftsteller eröffnet.

Zensur und Exil – die gemeinsame Konferenz von Universität Augsburg und University of Texas Austin vom 23. – 25. Mai.

Zensur und Exil – die gemeinsame Konferenz von Universität Augsburg und University of Texas Austin vom 23. – 25. Mai.


Überlebende des Massakers von Marzabotto hieß Andreas Jäckel am vergangenen Mittwoch in Vertretung von OB Kurt Gribl und des Kulturausschusses im Fürstenzimmer des Rathauses mit einem Satz des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker willkommen: „Vergangenheit kann man nicht bewältigen, man kann sie nur verantwortlich zu verstehen versuchen“. In der italienischen Stadt in der Nähe von Bologna haben deutsche Soldaten im Herbst 1944 mindestens 770 Zivilisten getötet – unter ihnen fast keine wehrfähigen Männer, sondern vor allem Alte, Frauen und 213 Kinder. Auf Einladung des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ und dessen Sprecher Dr. Bernhard Lehmann waren Überlebende in Augsburg und berichteten von ihren Erinnerungen unter anderem im Maria-Theresia-Gymnasium, an der Haunstetter Berufsschule 6 und im Evangelischen Forum Annahof. Ihr Leben sei „eine Geschichte der Schmerzen, aber auch der Liebe“, fasste eine der Überlebenden zusammen – erst die Liebe jener Menschen, die sie nach dem Massaker in Pflege genommen hatten, habe es ihr möglich gemacht, heute über die Vergangenheit zu sprechen. Anna Rosa Nannetti, Matilde Grünhage und Gian Luca Luccarini zeigten sich bewegt von den Reaktionen der deutschen Schüler, von „intelligenten und mitfühlenden“ Fragen, von „großer Aufmerksamkeit und Anteilnahme.“ Diese Erfahrung habe ihnen Mut gemacht, ihre Arbeit fortzusetzen und weiterhin ihre Erinnerungen an die jüngeren Generationen weiterzugeben.

„Man kann nicht aus der Welt fallen – höchstens krepieren“

Wenige Stunden später eröffneten Bibliotheksleiter Dr. Ulrich Hohoff und sein Stellvertreter Dr. Gerhard Stumpf an der Universität die Ausstellung „Man kann ja nicht aus der Welt fallen…“. Es geht um jene Schriftsteller, denen es gelang, nach der Bücherverbrennung am 10.5.1933 in die USA zu emigrieren. Der Ausstellungstitel zitiert Kurt Pinthus und lässt das sarkastische Ende des Satzes aus: „Mann kann ja nicht aus der Welt fallen – höchstens krepieren“, hatte Pinthus 1938 in einem Brief an Walter Hasenclever geschrieben. Doch während Pinthus es nach vielen Misserfolgen schaffte, in den USA Fuß zu fassen und nicht „aus der Welt zu fallen“, gelang dies Hasenclever nicht. Der Autor brachte sich 1940 im französischen Exil ums Leben, um nicht den Nazis in die Hände zu fallen.

In der Ausstellung der Universitäts-Bibliothek geht es speziell um die USA als Exilland für deutsche Schriftsteller – Anlass dafür ist neben dem Jahrestag der Bücherverbrennung auch eine Konferenz, die vom 23. bis 25. Mai an der Universität stattfindet. Unter dem Titel „Censorship and Exile“ sprechen wird dann über das Ausstellungsthema gesprochen – gemeinsam mit Kollegen von der Universität Austin in Texas, wo es, wie in Augsburg, eine große Sammlung mit Werken deutscher Exilautoren gibt. In Augsburg ist dies die Sammlung Salzmann, die die Uni-Bibliothek 2009 übernommen hatte (DAZ berichtete) und die mittlerweile auf 12.000 Bände angewachsen ist.

Im Exil konnten nicht alle Schriftsteller Fuß fassen

In Schaukästen und auf Plakaten gibt die Ausstellung kurze Einblicke ins US-Exil von elf wichtigen Autoren, unter anderem Brecht, Thomas Mann, Vicky Baum und Gina Kaus. Viele der Exilanten blieben für immer in Übersee, manche gingen nach Kriegsende zurück in das Land, das sie vertrieben hatten, nicht alle konnten, nicht alle wollten dort wieder Fuß fassen. Thomas Mann etwa wich in die benachbarte Schweiz aus, Alfred Döblin kehrte zwar nach Deutschland zurück, ging dann aber nach Frankreich. Über seine Jahre im US-Exil stellt er selbst ein vernichtendes Zeugnis aus: „Was mein Resümee für Amerika anlangt“, schrieb er, so bin ich die ganzen fünf Jahre hier eine Null gewesen und bin es geblieben.“ So präsentierten sich die USA als doppelbödiges Exil: Sie sicherten das Überleben der Künstler, die, nicht nur als Juden, in Deutschland mit Folter und Tod bedroht waren – doch mit der Kultur Nordamerikas kamen nicht alle Literaten klar. Was ihm an Hollywood nicht behagte, schrieb etwa Bertolt Brecht in seinen Hollywood-Elegien nieder – in einem Schaukasten zeigt die Ausstellung Hans Eislers Vertonung mit der Anweisung, der Text sei „mit finsterem Schmalz vorzutragen.“ Andere, wie Vicky Baum, machten Karriere – ihr Roman „Menschen im Hotel“ wurde mit Greta Garbo verfilmt.

Einer wie Oskar Maria Graf, der überhaupt nicht bereit war, sich und seine Arbeit dem fremden Land anzupassen, der Aufsehen und Kopfschütteln erregte, wenn er zu Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen in der bayerischen Lederhose erschien, hatte Schwierigkeiten. Die Ausstellung zeigt unter anderem einen Bittbrief, den Schriftstellerkollegen verfasst hatten: Graf lebe in Not, könne an seinem aktuellen Werk nur weiterarbeiten, wenn er Unterstützung von außen bekomme. Schon Grafs Erzählung „Der Quasterl“ war 1933 nicht in Bayern, nicht in Deutschland – sondern in Moskau erschienen. Zusammen mit anderen Erzählungen wurde sie 1945 in den USA neu veröffentlicht – in dem von Graf mit gegründeten Aurora-Verlag. Mit Grafs Aufruf eröffnete Ulrich Hohoff die Ausstellung: Der Schriftsteller forderte, das schändliche Datum des 10. Mai 1933 solle als ein „Tag des Nie-wieder-Vergessens“ und gleichzeitig als „Tag der Manifestation für die Freiheit des Geistes“ begangen werden.

Die Ausstellung „Man kann ja nicht aus der Welt fallen … – Deutsche Autoren im Exil in den USA (1933-1945)“ ist bis zum 22. Juli in der Unibibliothek zu sehen. Sie ist von Montag bis Freitag von 8.30 bis 24.00 Uhr, samstags von 9.30 bis 24.00 und sonntags von 12.00 bis 18.00 Uhr zugänglich. Der Eintritt ist frei.

» Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.

» Konferenz “Censorship and Exile”