Mahagonny: Wie ist die Regie-Zensur denn nun zu verstehen?
Kommentar von Siegfried Zagler
Verleger Dr. Bernd Wißner sagte spontan aus einem Gespräch heraus zu, einen Gastbeitrag für die DAZ zu verfassen. Und zwar nicht, weil er ausnahmsweise einmal ausreichend Zeit gehabt hätte, oder weil Wißner der Rezension von Kulturredakteur Frank Heindl widersprechen wollte, sondern in erster Linie deshalb, weil Wißner zusammen mit der DAZ die Auffassung vertritt, dass das größte Manko dieser Stadt in der nicht hinreichenden Reflexion bedeutsamer Ereignisse besteht. Juliane Vottelers Zensur am Ende der Mahagonny-Inszenierung muss nicht zwangsläufig „bedeutsam“ oder „skandalös“ gewesen sein. Dass darüber keine ernstzunehmende Debatte stattfand und wohl auch während des Brechtfestes nicht stattfinden wird, ist allerdings ein Armutszeugnis.
Ein unerträgliches Merkmal dieser Stadt
Wäre das anderswo geschehen, hätte sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine spannende öffentliche Debatte entwickelt. In Augsburg gibt es dazu, aufgrund des nicht vorhandenen Diskurses, Gerüchte und Spekulationen. Ein typisches Merkmal dieser Stadt, ein nahezu unerträgliches Merkmal. Die Intendanz sei auf Druck von außen eingeknickt oder sie wolle aufgrund der hochsensiblen politischen Situation in der Containerfrage keinen kulturpolitischen Skandal riskieren, so der Grundtenor der Spekulationen. Auch wenn es dafür nicht den geringsten konkreten Hinweis gibt, fügen diese durch die Stadt flirrenden Spekulationen dem Augsburger Theater und insbesondere der Intendantin schweren Schaden zu. Aus Bernd Wißners Mahagonny Betrachtung lässt sich folgern, dass sich Juliane Votteler fürsorglich gegenüber Regisseurin Tatjana Gürbaca verhalten haben könnte. Auch möglich. Wie ist die Regie-Zensur denn nun zu verstehen? Wozu ein Brechtfest, wenn man im Rahmen des Festivals diesen Fragen nicht nachgeht?
Das muss nicht auf ewig in Stein gemeißelt sein
Der Begründung Vottelers, die nach Skandalgedöns heischende Schlussszene gehe aus der Inszenierung nicht stringent hervor, fehlt es an Plausibilität. Diese Schlussfolgerung lassen die Besprechungen von Bernd Wißner und DAZ-Kulturredakteur Frank Heindl zu. Wie zu hören war, sieht das Brechtexperte Professor Jan Knopf ähnlich. Wer sich ebenfalls dazu äußern möchte, sollte das in der DAZ tun. Wie gesagt: Das größte Manko dieser Stadt besteht in der nicht hinreichenden Reflexion bedeutsamer Ereignisse. Das muss nicht auf ewig in Stein gemeißelt sein.