Leipprand vs. Brandmiller: Schattenboxen um olle Kamellen?
Kommentar von Siegfried Zagler
Die Auseinandersetzung zwischen Eva Leipprand und Raphael Brandmiller bezüglich der politischen Vorgänge um die Entstehungsgeschichte des Kulturparks West könnte man auf den ersten Blick als Schattenboxen um olle Kamellen abtun. Wenn man aber genauer hinsieht, zeigt der Konflikt um den Kulturpark West die Schnittstellen langjähriger Versäumnisse in der städtischen Jugendkulturpolitik. Der Stadtjugendring (SJR) hatte – nicht ganz zu Unrecht – bis 1995 das solide Image, „in seinen Jugendhäusern sozialpädagogisch betreute Laubsägearbeiten“ zu veranstalten. Das mag eine überspitzte Formulierung sein, aber als Impulsgeber und Entwickler für die Fortführung der Jugendkultur der Stadt galt der SJR lange Zeit als die denkbar schlechteste Adresse. Der Stadtjugendring verstand sich als soziale Einrichtung für Jugendliche aus schwierigem Milieu. Er hat viel sich zu lange und zu hartnäckig an dem altbackenen sozialpädagogischen Theorem der professionellen Betreuung des milieubedingten Mangels orientiert und dabei nicht verstanden, dass sich Vielfalt und Tiefe der Jugendkulturen aus deren Reflexion und dem entschiedenen Festhalten an sozialen Differenzen speist. Das erste X-Large-Festival im Jahre 1995 wurde nicht vom Stadtjugendring entwickelt, sondern in ihn hineingetragen, dies nur nebenbei. Im Jahre 1995 hatte der Stadtjugendring zopfige gesellschaftliche Anschauungsweisen und bestenfalls das charmante – aber bereits damals viel zu tief hängende – kulturelle Wertschöpfungsverständnis der 68er Generation.
Der Stadtjugendring stand sich als Träger selbst im Weg …
Nach X-Large entwickelte sich der Stadtjugendring unter der Federführung von Sebastian Kochs langsam zu einer Einrichtung, die im jugendkulturpolitischen Diskurs der Stadt angemessen mitmischen konnte und die sich in der vielschichtigen Szene der jüngeren Kulturschaffenden ein besseres Standing erarbeitete. Als es dann in der Regenbogen-Ära um die Entscheidung ging, wer die Trägerschaft im Kulturpark West übernehmen sollte, wurde der Stadtjugendring von seinem altbackenen Image eingeholt. Der Widerstand gegen eine Trägerschaft des Stadtjugendrings kam nämlich zuvorderst nicht von Leipprand oder Wengert, sondern von den Kulturschaffenden auf dem ehemaligen Reese-Gelände, die sich gegen eine Trägerschaft des Stadtjugendrings bei Eva Leipprand stark machten und sich für das Trägermodell mit Bommas und Lindner als Geschäftsführer einsetzten. Der Stadtjugendring stand sich als Träger sozusagen selbst im Weg, aber nicht wegen seiner vereinsartigen Struktur und den damit verbundenen langsamen Entscheidungsverläufen um Satzung und Auftrag, wie Leipprand anführt, sondern weil man ihn aus der Mitte der beteiligten Szene heraus nicht wollte.
… aber er hat sich nicht selbst eliminiert
Der Vorsitzende des Augsburger Stadtjugendrings, Raphael Brandmiller, hat das seinerzeit wohl geahnt, aber nicht gewusst. Gesichert ist jetzt jedenfalls, dass der Bayerische Jugendring (BJR) am 17. Oktober 2006 Grünes Licht für eine Trägerschaft des SJR im Kulturpark West gegeben hat, spät zwar, aber nicht zu spät, wie Brandmiller belegen kann. Am Ende des Tages war der Stadtjugendring zwar, wie Brandmiller in seinem Schreiben einräumt, nicht mehr so ganz von sich als bestmöglicher Träger überzeugt, dennoch hat sich der SJR bis zum Schluss immer dafür stark gemacht, dass der Kulturpark West in städtischer Hand bleibt. Der Stadtjugendring hat bei der Entscheidung um die Trägerschaft des Kulturparks wohl nicht die Zugriffsenergie entwickelt, die vom Träger eines Projekts dieser Größenordnung erwartet wird, aber er hat sich nicht selbst eliminiert und von sich aus den Stab abgegeben. Die Entscheidung, dass der Kulturpark West mit einer gGmbH in dieser Form geführt wird, ist gegen den Willen des Stadtjugendrings getroffen worden. Dahinter steht eine konkrete politische Entscheidung, die irgendwann im Januar 2007 getroffen wurde. Dass sich daraus irreparable Befindlichkeiten entwickelt haben, hat nicht nur damit zu tun, dass Brandmiller kein gutes Haar am Management des Kulturparks lässt, sondern auch damit, dass er Eva Leipprands Schaffen als Kulturreferentin im Sinne der Jugendkultur als “nicht vorhanden” abqualifiziert. Der ehemaligen Kulturreferentin Eva Leipprand hängt – ebenfalls nicht ganz zu Unrecht – das Image nach, mit Jugendkultur nicht viel im Sinn gehabt zu haben. Brandmiller sagt das unverblümt bei jeder sich bietenden Gelegenheit und steht mit seiner Bewertung, dass sich die ehemalige Grüne Kulturbürgermeisterin sehr konservativ in erster Linie der so genannten Hochkultur verschrieben habe, nicht allein auf weiter Flur. Das krachige abc-Festival und eben der „innovative“ Kulturpark West („kreativer Nukleus“) werden aus diesem Grund gerne von Frau Leipprand und den Augsburger Grünen als Gegenargument hoch gehalten. Dummerweise stehen ausgerechnet diese beiden “Leipprand-Projekte” heute im Fokus der Kritik.
Es gehört zu den vornehmsten Aufgaben, den Kulturpark West zu entwickeln
Leipprand vertrat als Kulturreferentin viel zu lange die Auffassung, dass der Stadtjugendring für die städtische Jugendkultur zuständig sei. Der Stadtjugendring ist aber in dem schwer überschaubaren Gemenge der Jugendkulturen und deren Organisationsplattformen nur einer von zahlreichen Playern, kein kleiner, aber eben nur einer von vielen und dazu noch einer mit Imageproblemen, weshalb es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass sich ausgerechnet der Stadtjugendring anschickt, der ehemaligen Kulturreferentin Leipprand in Sachen Jugendkultur am Zeug zu flicken. Die Entwicklung des Kulturparks West steht zu Recht im Fokus der Kritik, und es gehört zu den vornehmsten kulturpolitischen Aufgaben, den Kulturpark West weiter zu entwickeln. Dem aktuellen Kulturreferenten Peter Grab scheint daran nicht viel gelegen zu sein. Doch gerade in der ehemaligen Reese-Kaserne könnte der gebeutelte Referent zeigen, dass er hat, was ihm alle naselang abgesprochen wird: Konzept und Durchsetzungsvermögen.
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