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Freitag, 29.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Lebensfreude, wenn der Stress am größten ist

Bernhard Dierstl ist Organisator des Django Reinhardt Memorials

Von Frank Heindl

Wenn es jemals einen Widerspruch gab zwischen Alter und Ausstrahlung, dann sitzt er hier leibhaftig vor einem: Bernhard Gierstl, Jahrgang 1952, grauhaarig geworden im Hauptberuf, lacht verschmitzt und jugendlich und freut sich seines Lebens. Und zwar gerade jetzt, wo der Stress am größten ist: wenige Tage vor Beginn des Django Reinhardt Memorials.

Im Bismarckviertel bei “Victor’s” sitzen wir uns gegenüber, die Sonne scheint, warm ist es, aber ein kühles Bier darf’s trotzdem nicht sein: Gierstl hat noch mehr vor, heute zum Beispiel ist Elternsprechtag in der Hauptschule, an der er unterrichtet. Auch das ist anstrengend, macht aber – allen Vorurteilen zum Trotz – immer noch Freude. Genau wie eben die Django-Reinhardt-Veranstaltungen am kommenden Wochenende: ein Haufen Arbeit, nicht enden wollende Vorbereitungen – und ein Riesenspaß. Und zwar nicht zum ersten Mal, sondern seit siebzehn Jahren in Folge. Gierstl blickt nicht ohne Stolz auf die Entstehung einer Augsburger Institution zurück, die er selbst initiiert hat – unterstützt von einer Schar gleich gesinnter Fans des so genannten “Zigeunerjazz”, den der Gitarrist Django Reinhardt in den 30er Jahren in Paris entwickelte.

1993 fand “sein” Django Reinhardt Memorial zum ersten Mal statt – damals noch in Nördlingen und nur einen Abend lang. Im Jahr darauf dauerte es schon von Freitag bis Sonntag, und das ist bis heute so geblieben. 1995 zog man in die Augsburg Altstadt um: Im “Striese” in der Kirchgasse gaben sich am “Django-Wochenende” nicht nur internationale Gypsy-Musiker die Klinke in die Hand, die Kneipe wurde für drei Tage im Jahr auch zum Treffpunkt für Fans, Musiker, Gitarrenhändler. Traditionellerweise gibt es auch einen Gitarrenworkshop, und am Sonntag klingt das Ganze immer mit dem Sonntagsbrunch aus – zum heftigen Schrummschrumm der Rhythmusgitarren passt die Weißwurst ebenso wie der Capuccino.

Nicht dass die Organisation immer einfach gewesen wäre – im Gegenteil: “Wir hatten immer jede Menge Fans und fast überhaupt kein Geld”, erinnert sich Gierstl. Auch das ist so geblieben: Das Django Reinhardt Memorial bekommt keine öffentlichen Gelder, der größte Sponsor ist eine Brauerei, die sich vor allem um die Werbung kümmert, der Rest wird fasst vollständig über die Eintrittskarten finanziert. “Natürlich wäre es schön, wenn wir mehr Kohle hätten. Das Niveau unserer Bands ist zwar kaum zu überbieten, aber wir würden gern das Angebot noch verbreitern.” Ideen dafür gäbe es genug: Gierstl könnte sich etwa ein Rahmenprogramm mit Filmen vorstellen oder eine Verlängerung um einen Tag. “Und natürlich wär’s halt auch schön, wenn wir den Musikern einfach das bezahlen könnten, was sie wert sind. Wir müssen leider immer verhandeln und auf den Preis drücken – und können uns manchmal Bands nicht leisten, die von weit her anreisen müssen.”

Bewerber gibt es genug – das Augsburger Memorial hat einen internationalen Ruf, viele Bands bewerben sich von sich aus, “nicht selten sind Musiker sauer, weil wir sie nicht sofort engagieren können, sondern sie aufs nächste oder gar aufs übernächste Jahr vertrösten müssen.” Im vergangenen Jahr ist das Memorial ins Gögginger Parktheater umgezogen – das nicht nur ein außergewöhnlich schönes Ambiente bietet, sondern auch die geschäftliche Abwicklung übernimmt. Um Verträge, Hotels und ähnliches müssen sich Gierstl und Konsorten nun nicht mehr sorgen, sie machen das Programm und kümmern sich um die Künstler.

Wauwau Adler - der Gitarrist und seine Band spielen im Rahmen des Django Reinhardt Memorials am Samstag Abend im Parktheater

Wauwau Adler - der Gitarrist und seine Band spielen im Rahmen des Django Reinhardt Memorials am Samstag Abend im Parktheater


Gierstl ist selbst Musiker, hat in den 60er Jahren mit der Gitarre angefangen, damals noch “tief im Bayerischen Wald” beheimatet, und dass es sowas wie “Zigeunerjazz” gibt, hat er als Jugendlicher aus dem “Melody Maker” erfahren, der damals noch kein reines Rockblatt war. Freunde brachten die ersten Langspielplatten aus Paris mit, und als Gierstl zum ersten Mal das legendäre Django Reinhardt Quintett hörte, war es um ihn geschehen: Die Leidenschaft für den in Belgien geborenen Sinto Django Reinhardt und dessen einzigartigen Gitarrenstil war erweckt. Und diese Leidenschaft war steigerungsfähig: Anfangs reichten Schallplatten und Gitarrenunterricht, um sie zu stillen, später gehörten regelmäßige Reisen zu Gypsy-Jazz-Festivals in Frankreich dazu. “Von den Kontakten, die wir damals geschlossen haben, lebt unser Festival heute noch – das funktioniert nicht wie in anderen Genres über Agenturen und Manager, sondern mehr über die privaten Bekanntschaften.”

Ende der 80er Jahre gründete Gierstl mit Freunden die “Hot Club News”, ein Magazin, das sich einzig dem Zigeunerjazz widmete – “wir hatten 800 Abonnenten, manche bis in Japan und Argentinien” – wenig später startete man das Django Reinhardt Memorial. Und irgendwann wurde das doch alles zuviel, weshalb die “Hot Club News” ins Internet verlegt wurden (http://hotclubnews.de), und die Herausgeber den Verein Hotclubnews e.V. gründeten, dessen derzeit gut 50 Mitglieder nach wie vor die Organisatoren des Django Reinhardt Memorial sind. “Es ist eine Menge Arbeit”, konstatiert Gierstl, “und manchmal wundert es mich selbst, dass es uns immer noch gibt.”

Aber da ist halt der Spaß an der Sache – und das Ergebnis, das sich auch in diesem Jahr sehen lassen kann. “Uns ist ein wahnsinnig abwechslungsreiches Programm gelungen”, freut sich Gierstl, und da kann man ihm zustimmen. Eröffnet wird das Memorial am Freitagabend um 19.30 Uhr mit “Sinti Swing Berlin” – noch zu DDR-Zeiten hat Gierstl zum ersten Mal von der Band gehört, “und jetzt gibt’s die immer noch.” Über solche Highlights freut sich Gierstl so sehr, dass sein Lachen sogar noch die Nachmittagssonne überstrahlt: “Wenn du genug Geld hast, kannst du von mir aus den Django ausgraben lassen. Aber mit wenig Geld solche Leute nach Augsburg zu kriegen – sowas gefällt mir!” Nach den Berlinern gibt es einen weiteren Knaller – zum ersten Mal präsentiert das Django Reinhardt Memorial ein richtig großes Ensemble: “Mister Oz’s Bigband” kommt mit dem Ausnahmegitarristen Andreas Öberg ins Parktheater.

Am Samstag, geht es ebenfalls um halb acht weiter mit dem legendären Wauwau Adler Quartett, danach gibt es wieder etwas sehr spezielles: Drei hervorragende Gitarristen spielen nacheinander auf derselben Selmer-Gitarre, einem Instrument Baujahr 1946, für das sich Fans auf der ganzen Welt die Finger ablecken würden. Und schließlich muss auch das diesjährige Django Reinhardt Memorial ein Ende haben, wie immer am Sonntag, wie immer mit Frühstück, und wie immer mit toller Musik: Kussi Weiss kommt mit traditionellem Repertoire, mit Swing-Akkordeon, mit gepfefferten Soli. Mit einer Musik, die sich noch ganz aus der Pariser Musik speist, wie Django Reinhardt sie berühmt gemacht hat und wie Bernhard Gierstl sie liebt. Und jetzt muss auch das Gespräch ein Ende haben, denn der Hauptberuf ruft. Gierstl düst strahlend davon zum Elternabend, grauhaarig, aber fröhlich, jung geblieben wie “seine” Musik.

Einige Karten für das Django Reinhardt Memorial gibt es übrigens noch an der Abendkasse. Wer ganz sicher sein will, sollte vorher im Parktheater unter 90622-22 anrufen.

Mehr Informationen zu Programm und Bands:

» http://hotclubnews.de

» http://www.parktheater.de