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Samstag, 02.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Laokoon in der Badewanne

Die HeadFeedHands mit „Fischen ohne Helm“ im Parktheater

Von Frank Heindl

FOH4: Synchrones Zähneputzen in der Badewanne – die Kompanie „HeadFeedHands“ gastierte mit heiterer akrobatischer Pantomime im Parktheater (Foto: Markus Frietsch).

Synchrones Zähneputzen in der Badewanne – die Kompanie „HeadFeedHands“ gastierte mit heiterer akrobatischer Pantomime im Parktheater (Foto: Markus Frietsch).


Fünf Menschen treffen sich irgendwo, kommen mit großen und kleinen Koffern an, benutzen das Bad, schauen fern, unterhalten sich. Könnte alles ganz einfach sein – ist es aber selten. Die fünf Mitglieder der Tanz- und Akrobatik-Truppe „HeadFeedHands“ zeigten am Freitag im Parktheater in ihrem Programm „Fischen ohne Helm“ und einer herrlichen Mischung aus Slapstick und Akrobatik, Tanz und Ballett, Komödie und Tragödie, wie schwer wir’s uns gewöhnlich miteinander machen – und wie lächerlich das alles doch im Grunde ist.

Schon die Ankunft der fünf Kofferträger ist nicht einfach. Denn gleich mal wird sauber gemacht, werden Zuspätkommende mit Putzwedeln bedroht. Schwieriger wird’s, als man sich die Zähne putzen will. Zuerst wird um eine Zahnbürste gestritten, die von einem zum anderen fliegt, die in der Badewanne verschwindet, nach der tauchend und um Atem ringend gefischt wird – am Schluss aber stellt sich heraus, dass eigentlich jeder sein eigenes Bürstchen dabei hat. Was dann Gelegenheit zu einem wunderbar versöhnlichen Synchron-Zähneputzen gibt.

Pantomime über die Tücken des Zusammenlebens

Eines der Geheimnisse dieser Show, in die das Publikum alsbald mit prustender Fröhlichkeit eintaucht, ist – ihre Ruhe. Denn die „HeadFeedHands“ sprechen nicht, singen nicht, machen allenfalls mal ein paar Geräusche. Ihre Komik hat etwas wunderbar Buster-Keaton-haftes: Die fünf Pantomimen kämpfen hilflos und ausgeliefert gegen die Tücken des Zusammenseins, der Kommunikation, letztlich: des Lebens – und staunen über sich und ihre Probleme. Wie da zwei minutenlang versuchen, gemeinsam in der Badewanne ein Buch zu lesen, wie sie über- und untereinander herumturnen, -tauchen, -hangeln, -kriechen und -hüpfen – das ist so wunderbar komisch, so wunderbar leicht und so unaufdringlich heiter, dass man oft über längere Zeit gar nicht bemerkt, dass es ganz nebenbei auch noch kräftezehrend akrobatisch, bewundernswert gelenkig und erstaunlich perfekt ist. Und vor allem: dass man etwas Vergleichbares selten gesehen hat.

Wie da Zirkus und Ballett, Tanz, Jonglage und Akrobatik zusammengehen und durcheinandergeraten, dafür gibt es den Begriff „Nouveau Cirque“. Für andere Formen dieses 90minütigen grenzenlos absurden Theaters aber taugt auch ein Vergleich mit der ganz großen Kunst: An Pina Bauschs „Café Müller“ sind einige Szenen ganz offensichtlich angelehnt, und wie in dieser großartigen Choreografie der Tänzerin geht es auch bei den „HeadFeedHands“ um Nähe und Einsamkeit, um Streit und Versöhnung, um Zärtlichkeit und Kampf, um Einigkeit und Entzweiung, um Grobheit und Poesie.

Kichern und Glucksen – ein Abend des feinen Humors

Daneben aber und hauptsächlich geht’s ums körperliche Mit- und Gegeneinander. Minutenlang wird da beim gemeinsamen Fernsehen um die richtige Sitzposition gerungen, verschieben sich fünf Körper gegenseitig mal zärtlich, mal verärgert, mal hämisch – ein weggezogener stützender Ellbogen kann da erdrutschähnliche Verschiebungen im austarierten Gleichgewichtsgefüge auslösen. Und das führt beim Publikum nicht zum großen Gelächter, sondern zu Kichern und Glucksen – auch ein Abend des feinen Humors war das. Zwischendurch wurde mit Weinflaschen jongliert – die aber nicht in der Luft flogen, sondern auf dem Schreibtisch hin und her gestoßen wurden – während gleichzeitig an einer anderen Stelle der Bühne ein Einrad-Parcours entstand, den der Einradler zunächst fahrend umrundete und anschließend hüpfend – ebenfalls auf dem Einrad.

Man wünschte sich mindestens zwei weitere Augenpaare, denn oft schaffte man es kaum, zwei der herumtollenden Akrobaten im Blick zu behalten – und verlor dabei die drei Übrigen aus dem Auge, die gleichzeitig andere, noch verrücktere Dinge anstellten: an einer schrägen Wand, am Reck, auf, unter und über dem Schreibtisch, in, unter, neben und hinter der Badewanne, in der sich schon ganz zu Anfang eine grandiose Laokoon-Gruppe kaum entwirrbar in sich selbst verheddert hatte… Nachzuerzählen ist das eigentlich nicht, und selbst auf dem Internet-Trailer kommt nur ein Hauch dieses 90minütigen verrückten absurden Theaters rüber. Pech für alle, die nicht dabei waren.