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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Lange Nacht des Lichts in der kürzesten Nacht des Jahres

200 Programme rund ums Licht am 20. Juni



Von Frank Heindl


Der einzige regelmäßig wiederkehrende Vorwurf gegen die Augsburger Kunstnacht sei, so berichtet Projekt- und Kulturamtsleiterin Elke Seidel: „Aber das ist doch viel zu viel!“ In der Tat wäre zum Scheitern verurteilt, wer sich vornehmen würde, auch nur ein Viertel der Veranstaltungen anzusehen und anzuhören, die im Rahmen der „Langen Nacht des Lichts“ am 20. Juni geboten werden.

„Schwerelos, filigran und leuchtend“ soll die Lichtgestalt „DUNDU“ die Besucher der Langen Nacht des Lichts begleiten (Foto: KW Neun).

„Schwerelos, filigran und leuchtend“ soll die Lichtgestalt „DUNDU“ die Besucher der Langen Nacht des Lichts begleiten (Foto: KW Neun).


200 Programme, 100 Künstler und Ensembles, 300 Menschen auf den verschiedenen, quer über die Innenstadt verteilten Bühnen, von denen fast alle (mit Ausnahme von TIM und H2) bequem zu Fuß erreichbar sind – und das alles an nur einem Abend. Zufällig auch noch am Abend des längsten Tages im Jahr mit der kürzesten Nacht des Jahres, dem Tag der Sonnwende, der Mittsommernacht, bekannt für allerlei sinnverwirrende, träumerische, phantasievolle Erlebnisse. Nicht ganz so zufällig ist die Lange Kunstnacht diesmal wieder eine Lange Nacht des Lichts – die UNESCO hat schließlich ganz 2015 zum „Jahr des Lichts“ ausgerufen.

Um 19 Uhr beginnt das reichhaltige Programm mit dem Eröffnungskonzert der Augsburger Philharmoniker im Goldenen Saal des Rathauses. Das Orchester führt eine Reihe thematisch zur Lichtnacht passender Musikstücke „von Mozart bis Rossini“ auf. Eine Stunde dauert das Programm und es ist das einzige, für das ein Zusatzticket erforderlich ist: Wer früh genug dran ist, berappt im Vorverkauf 12 Euro (ermäßigt 10 Euro) pro Ticket für alle Veranstaltungen, fürs Zusatzkonzert sind weitere 2 Euro fällig, an der Abendkasse kosten die Karten jeweils 2 Euro mehr. Da das Kartenkontingent für dieses Auftaktkonzert begrenzt ist, der Andrang dagegen groß sein wird, haben die Veranstalter parallel ein zweites Eröffnungskonzert im Kleinen Goldenen Saal angesetzt. Hier spielt, ebenfalls um 19 Uhr, das Friedberger Kammerorchester Gegensätzliches: Vivaldis „La Notte“, und Haydns „Le Matin“ – den Abend und den Morgen also.

Im Viertelstundenrhythmus bis Mitternacht

Ab 19 Uhr geht’s laut Programmheft (an den üblichen Stellen seit Dienstag erhältlich) bis Mitternacht im Viertelstundenrhythmus weiter: Mit Vorträgen, Führungen, Konzerten, Lichterspielen, mit Musik, Film und Performance, mit Bild, Sprache, Tanz. Mal an kleinen Veranstaltungsorten wie der Antonskapelle in der Dominikanergasse, mal an größeren wie der Kirche Evang. St. Ulrich. Apropos Kirchen: Die empfiehlt Elke Seidel, „wenn man flexibel ist.“ Soll heißen: Wer in einen überfüllten Saal keinen Einlass mehr findet, kann alternativ in die geräumigen Gotteshäuser ausweichen – „die Kirchen haben immer Platz.“

Die Compagnie Salamandre spielt auf dem Rathausplatz mit dem Feuer (Foto: KW Neun).

Die Compagnie Salamandre spielt auf dem Rathausplatz mit dem Feuer (Foto: KW Neun).


Manchmal mögen die Bezüge zum Licht und damit zum Thema der „Langen Nacht“ ein bisschen weit hergeholt sein, meistens sind sie doch plausibel: Im Planetarium etwa kann man einen Blick auf Polarlichter, Nebensonnen (was immer das sein mag) und andere Phänomene werfen, im Maximilianmuseum ist der Lichtfaktor eher im übertragenen Sinn zu verstehen: „Das Licht beginnt im Osten“ heißt es dort, wenn orientalische Klänge westliche Musikkultur „erhellen“ sollen und es wohl darum geht, dem europäisch zentrierten Gehör mal vorzuführen, wo seine Wurzeln (auch) liegen. Mit dabei: Der bekannte Augsburger Oud-Musiker Seref Dalyanoglu. Wenn kein Licht mehr an ist, es aber trotzdem flimmert – dann ist man im Lichtspielhaus und hat somit eine Verbindung zwischen Licht und Kino hergestellt. Im Mephisto kann man daher den mehr als 80 Jahre alten Horrorfilm „Die Mumie“ sehen – begleitet von den experimentellen Klängen des AJE-Kollektivs, bestehend aus drei hervorragenden Augsburger Jazzmusikern. Ein paar Ecken weiter, im Thalia, ist ebenfalls ein außergewöhnliches Erlebnis zu genießen: Hier wird der Vorführapparat einfach mal umgedreht und man projiziert nicht auf die Kinoleinwand, sondern auf die Hauswand des Nachbarn gegenüber. Und zwar nicht irgendeinen Film, sondern, gut gewählt: Giuseppe Tornatores „Cinema Paradiso“. Ein Film über die Imaginationskraft des Kinos, der durch diese Art der Präsentation eine neue Dimension gewinnen kann – gutes Wetter vorausgesetzt.

Nachtplaner im Internet

Im Augustanasaal gibt’s Tanz und Musik („Whispering Lights“), im Höhmannhaus Tango, im TIM surreale Kurz- und im Liliom prämierte Trickfilme, in St. Anna Chormusik von Brahms, Reger und Schwemmer, in der Galerie Noah eine Lichtinszenierung im Wasserturm, am Rathausplatz Straßentheater und in der Synagoge jüdische Melodien zum Ende des Sabbats nach Sonnenuntergang von der Band „Feygele“. Ein 45-minütiges Feuerspektakel der zwölfköpfigen Tanzcompagnie „Salamandre“ aus Frankreich gehört zu den letzten Vorstellungen vor Mitternacht – ab dann geht’s im Thalia mit Jazz weiter, in der Soho Stage mit Elektropop und in der Glimmer Bar mit Disco und Funk. So kann die kurze “Lange Nacht” des Lichts dann auch andauern, bis es bald wieder hell wird.

Wer in dieser Programmvielfalt nichts für den eigenen Geschmack fände, müsste ein absoluter Kulturmuffel sein. Vertiefen kann man das Problem des Auswählens im Programmheft oder im Netz unter www.langekunstnacht.de. Das Internet ist dabei praktischer als das gedruckte Medium: Im Netz kann man die Veranstaltungen nach Genre sortieren und sich somit die Auswahl erleichtern. Außerdem gibt’s dort einen „Nachtplaner“, in den man nach dem „Einkaufswagen-Prinzip“ seine Wunschvorstellungen ablegen und danach den Verlauf des Abends einteilen kann.