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Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

ku.spo im H2: Große Kunst ohne Laufbereitschaft

Von Siegfried Zagler

Am vergangenen Freitag ging im H2 Zentrum für Gegenwartskunst im Augsburger Glaspalast die künstlerisch anspruchsvollste Veranstaltung im Rahmen des umstrittenen ku.spo-Projekts der Stadt Augsburg über die Bühne. Die Performance der Künstler war von individueller Perfektion und hoher Virtuosität geprägt. Der geplante „Lauf 10“ fiel wegen geringer Teilnehmer-Resonanz aus.

Tango-Profis aus Zürich: Daniel und Lorena Ferro

Tango-Profis aus Zürich: Daniel und Lorena Ferro


Zirka 50 Zuhörer/Zuseher besuchten am vergangenen Freitagabend die ku.spo-Veranstaltung in der weitläufigen Museumshalle des Augsburger Glaspalastes. Darunter Kulturreferent Peter Grab, Theaterintendantin Juliane Votteler mit Schauspieldirektor Markus Trabusch sowie die Stadträte Andreas Jäckel, Ralf Schönauer, Werner Lorbeer und Peter Uhl. Die gute Stunde, in der das Ensemble „Operassion“ – ein Komposita aus „Oper“ und „Passion“ – ihre neue CD vortrug und dazu die beiden Züricher Tango-Profis Daniel und Lorena Ferro glanzvoll ohne jeden Makel auf der Bühne tanzten, als bräuchte es einen Beweis, dass es sich trotz der intensiven Bachverfremdungen immer noch um tanzbaren Tango handle, wird bei der kleinen Zuhörerschaft noch lange nachschwingen.

Brückenschlag über drei Jahrhunderte

"Operassion": Fabian Dobler, Antje Steens, Tim Ströble

"Operassion": Fabian Dobler, Antje Steens, Tim Ströble


Was passiert, wenn die kristallklare Musik Johann Sebastian Bachs mit dem verspult-sinnlich klagenden „Tango Nuevo“ von Astor Piazzolla zusammentrifft? Nichts Besonderes, es geht einfach – das war die Erkenntnis, oder besser gesagt die stille Sensation des Abends. Ensemble-Chef Fabian Dobler präsentierte die Musik beider Komponisten nicht als Originalfassung, sondern in durchgängig eigenen Arrangements – in der Trio-Besetzung Piano, Bandoneon und Cello. Ein kühnes Experiment, das bei Astor Piazzolla einfach als brillante Interpretation besticht, und bei Bach womöglich ein neues Kapitel Kammermusik aufschlägt. Die Brücke zwischen den Bewusstseinsströmen bisher getrennter Epochen der Hör- und Empfindungsgeschichte baut das klassische Tango-Instrument Bandoneon. Seine melancholischen Töne legen sich wie ein Wärmestrom auf die strengen Partien Bachs, es erdet ihre Perfektion und macht ihre nicht selten als künstlich überzeichnete barocke Lebensfreude für die Hinterhöfe und Tanzbühnen der Tango-Welt salonfähig. Es funktioniert, es arbeitet etwas in uns und es ist uns unheimlich, weil wir nicht wissen was. „Es schläft ein Lied in allen Dingen …“ möchte man mit Eichendorff sagen. Die komplexen kontrapunktischen Strukturen des barocken Meisters ruhen nicht mehr in Stein gemeißelt, sondern fangen an zu singen. Vom Zauberwort der Musik-Dichter Fabian Dobler (Piano) und Tim Ströble (Cello) und nicht zuletzt vom Bandoneon Antje Steens getroffen, erzählen sie uns vom Elend und Glanz der Welt. Nur ein paar Minuten davon und man hat alle akademischen Fragen vergessen, die man zum Thema Bach und Bandoneon stellen wollte. Organisch wechseln sich Tango-Melancholie mit Bachs musikalischen Meditationen ab, wie selbstverständlich gelingt der Brückenschlag über drei Jahrhunderte. Eine großartige Idee, ein gelungener Vortrag, dem mehr Öffentlichkeit zu wünschen gewesen wäre.

„Den Schuh ziehen wir uns nicht an“

Wenn man die Freikarten für die geladenen Gäste abzieht, haben höchstens 20 zahlende Zuschauer sich den Abend für die Veranstaltung frei gehalten. Die von Peter Grab noch am Montag im Kulturausschuss verteidigte Idee, dass ku.spo zusammenbringe, was zwar zusammengehöre, aber eben noch zusammengeführt werden müsse, hat sich am Freitag erneut als Flop erwiesen. „Renommierte Künstler treffen mit Sportvereinen und dem sportlich aktiven Publikum aus der Region zusammen“, so der ku.spo-Überbau der Veranstaltung. Der vom Turnverein Augsburg (TVA) – mit 4000 Mitgliedern einer der größten Vereine der Region – organisierte „Lauf 10“ wurde bereits zu Beginn letzter Woche abgesagt, weil sich, so TVA-Vorstand Günter Löhnert, nur fünf Läufer angemeldet hätten.

Dabei habe man alles Notwendige in die Wege geleitet, so Löhnert. 50 ehrenamtliche Helfer seien als Streckenposten verpflichtet worden. Man habe die Veranstaltung beim Bayerischen Leichtathletikverband angemeldet und alle Vereine aus der Region, die beim „Lauf 10“ des Bayerischen Rundfunks im Juli 2009 mitgemacht haben, angeschrieben. Damals waren in Wolnzach bei der Abschlussveranstaltung 1300 Teilnehmer dabei gewesen. Man habe den Lauf (Start/Ziel im Rosenaustadion) beim Tiefbauamt angemeldet und das Rosenaustadion mit Umkleidekabinen angemietet und insgesamt sehr viel Zeit und Arbeit investiert. Es sei nicht nur der Termin unpassend gewesen, sondern auch die Bewerbung der Veranstaltung seitens der Stadt sei ziemlich unprofessionell verlaufen. „Wir wollten uns deshalb immer mit den ku.spo-Verantwortlichen zusammensetzen, aber es ist nie etwas zustande gekommen“, so Löhnert auf Anfrage der DAZ. Außerdem sei Verwirrung entstanden, da trotz der zeitigen Absage die Veranstaltung während der Woche samt „Lauf 10“ weiterhin in der Augsburger Allgemeinen beworben worden sei. Dass der Lauf nicht stattfand, sei nicht Schuld des TVA. „Diesen Schuh ziehen wir uns nicht an“, so Günter Löhnert, der darauf hinwies, dass bei den neun ku.spo-Angeboten, bei denen der TVA bereits mitgewirkt hat, „insgesamt fünf Teilnehmer mitgemacht haben“.