Kurzfilme zum Friedensfest: Vom Mut machen und Angst kriegen
Splitter vom Friedensfest: Schletterers Kurzfilm-Rolle
Von Frank Heindl
Die Augsburger Filmtage gibt’s nicht mehr und Erwin Schletterer, Kurator unzähliger Kurzfilmprogramme hat abgeschlossen: „Das ist vorbei.“ Trotzdem freut er sich immer wieder sehr, wenn Veranstalter auf ihn zukommen und ihn ein Kurzfilm-Programm kuratieren lassen. Vor Kurzem war das anlässlich der Langen Kunstnacht der Fall – und nun hatte ihn das Team vom Friedensbüro beauftragt Auftrag, ein 60-Minuten-Programm zum Thema „Mut“ zusammenzustellen. Am Montagabend konnte man fünf kurze Streifen in der Länge von sieben bis 23 Minuten sehen – im Freien, vor dem „Taubenschlag“ des Friedensbüros am Moritzplatz.
Und Schletterers Auswahl gewann dem Thema „Mut“ unter verschiedenen Blickwinkeln differenzierte Einblicke ab. Los ging’s ganz lustig mit „AlieNation“, einem kurzen Animationsfilm, der in seinem Titel kurzerhand Pubertierende zu Aliens erklärt, um dann Einblicke in deren Erlebniswelt zu vermitteln. Der O-Ton aus Interviews mit Jugendlichen im schwierigen Alter wird animierten Figuren unterlegt, was einerseits die Anonymität der Befragten sicherstellt und andererseits versucht, für jeden Ton ein passendes Figürchen zu kreieren. Neben aller Erheiterung, die das schafft, auch ein durchaus gelungener Einblick in die schwierige Welt des Erwachsenwerdens.
Danach „10 Meter Tower“: Der schwedische Regisseur hat ein Mikrofon auf das 10-Meter-Sprungbrett gestellt, von gegenüber gefilmt und damit eine Analyse von Mut und Mutlosigkeit geschaffen, zeigt aber auch, wie viel Mut und Entschlusskraft dazugehört, den Weg nach unten nicht durch die Luft, sondern auf der Leiter anzutreten, Rückzug und Scheitern einzugestehen. Das passiert auch dem tätowierten Macho, der den Ausblick von oben schon gleich mal mit einem resignierten „Fuck!“ quittiert, und den auch die Stimmen von unten nicht überzeugen können: „Du wirst danach soo glücklich sein“, hört er – und klettert doch wieder runter. Merke: Wenn die andern Mut zu machen versuchen, kann man manchmal auch davor Angst kriegen.
Grauenhafte Geschichte mit nachhaltigem Verstörungseffekt
Der Animationsfilm „In the distance“ berichtet vom Bewohner eines sehr hohen Hauses, der sich lange Zeit bemüht, alle Anzeichen von nahendem Krieg und eigener Panik zu leugnen, der Menschen von der Leiter wirft, die zu ihm hinauf wollen, mit welcher Absicht auch immer – und dem am Schluss doch auch nur die Flucht nach unten bleibt.
Dann ein 14-Minuten-Film mit nachhaltiger Verstörungswirkung: „Over“ rollt eine grauenhafte Geschichte von hinten auf, sodass der Zuschauer erst ganz am Schluss versteht, was passiert ist. Anfangs wird Blut von der Straße gewaschen, mittendrin fällt ein Paket vom Himmel, die Aufklärung kommt im Abspann: Im September 2012 fiel aus einer Maschine der British Airways beim Landeanflug auf London der Körper eines 27jährigen Flüchtlings, der sich in einem Radschacht des Flugzeugs versteckt hatte und dort erfroren war.
Zum Schluss „Sadakat“ – der Film hat 2015 den Studenten-Oscar gewonnen und ist und über Nacht wieder aktuell geworden: Eine türkische Krankenhaus-Mitarbeiterin versteckt während einer Polizei-Razzia einen Aktivisten, ihr Mann, eifersüchtig und nur auf die Sicherheit der eigenen Familie bedacht, verrät der Staatsmacht die Adresse des Gesuchten. Seine Frau verlässt ihn daraufhin mitsamt dem gemeinsamen Kind.
Mut – mal führt er zu einer Wahnsinnstat und zum eigenen Tod, mal ist er richtig und gerecht und zerstört doch das eigene Leben. Mal ist es schon mutig, der Realität ins Auge zu sehen, mal braucht man eine gehörige Portion davon, um einfach mal zu gestehen: Nein, ich kann das nicht. Schade, dass nicht wirklich viele Zuschauer gekommen waren.
Die „Mut“-Kurzfilme:
„AlieNation“ von Laura Lehmus (Ausschnitt).
„10 Meter Tower“ von Maximilian van Aertryck (Auschnitt).
„In the distance“ von Florian Grolig (Ausschnitt).
„Over“ von Jorn Threlfall (ganz).
„Sadakat“ von Ilker Çatak (Ausschnitt).