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Freitag, 29.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kulturpolitik: Ovationen für Museumschef Trepesch

Warum der Augsburger Museumschef Christof Trepesch bei der Ausstellungseröffnung (“Im Schatten der Medici”) am Freitagabend gefeiert wurde

Kommentar von Siegfried Zagler

Am vergangenen Freitagabend hat sich im Augsburger Rathaus etwas Großartiges ereignet. Nämlich ein unerwartetes politisches Statement der Augsburger Bürger, die sich im Goldenen Saal des Rathauses versammelt hatten, um der städtischen Einladung der Ausstellungseröffnung (“Im Schatten der Medici”) zu folgen. Eine Ausstellungseröffnung zu einer Bilderschau mit Weltformat.

Unter den zirka 350 anwesenden Gästen waren hochkarätige Kunstexperten aus den USA, aus verschiedenen Ländern Europas und aus Deutschland anzutreffen, während alle drei Bürgermeister der Stadt Augsburg durch Abwesenheit auffielen. Oberbürgermeister Kurt Gribl soll sich nach Informationen der DAZ in München aufgehalten haben, um bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der CSU und den Freien Wählern mitzumischen. Was die beiden anderen Bürgermeister, Eva Weber und Stefan Kiefer, an diesem Abend Besseres zu tun hatten, als die Stadt Augsburg bei diesem bedeutungsvollen Ereignis zu vertreten, will man gar nicht wissen.

Und so geschah etwas, womit niemand rechnen konnte, nämlich eine Solidaritätsdemonstration für den Leiter der Städtischen Kunstsammlungen, Dr. Christof Trepesch, der durch die verheerende Personal- und Informationspolitik der Stadt beschädigt wurde – und am Freitagabend einen Teil von seiner verlorenen Würde zurückerhielt: Auf großartige Weise zollten die Bürger der Stadt Augsburg Trepesch Respekt und baten somit auf angemessene Weise um Entschuldigung für den persönlichen Unbill, den ihm die Stadt Augsburg zugefügt hat.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Kulturreferent Thomas Weitzel las mehr oder weniger stotternd als Vertreter der Stadt eine Standard-Rede vom Blatt und fand dabei eher beiläufig als hervorhebend lobende Worte für Christof Trepesch. Weitzel konnte seine Rede nicht fortsetzen: Der Beifall für Trepesch war donnernd, schwoll an und schien nicht mehr zu enden. Trepesch errötete leicht, blieb sitzen und nickte dankbar in den minutenlangen Applaus hinein. Wäre er aufgestanden, hätte er wohl standing ovations provoziert. Es gab keine Bravo-Rufe, kein rhythmisches Klatschen oder andere Trivialisierungsmerkmale. Der Applaus blieb vom Anfang bis zum Schluss durchdringend politisch, und zwar auch deshalb, weil ihn Stadtvertreter und Kulturreferent Thomas Weitzel gestisch herunterdimmen wollte.

“Sammeln-Bewahren-Forschen-Vermitteln”: Auf diesen Vereinbarungsfeldern fußt die gesellschaftliche Akzeptanz und Notwendigkeit der staatlichen und städtischen Museen. Was sammeln wir heute? Wie erhalten wir für morgen? Was gilt es heute zu vermitteln? Und wie viel investieren wir für Forschung und Erkenntnisgewinn? Diese Fragen brennen. Und weil die Welt in Aufruhr ist, die christliche Kirche ihre moralische wie kulturelle Vermittlungskraft galoppierend verliert und die mit Lichtgeschwindigkeit zunehmende Digitalisierung den gesellschaftlichen Wandel in unbekannte Dimensionen vorantreibt, erhalten seit vielen Jahren “sichere Zufluchtsorte” einen stabilen Bedeutungszuwachs. “Sicher” kann in diesem Zusammenhang immer nur heißen “vorläufig sicher”, da staatliche und städtische Einrichtungen mit öffentlichen Geldern betrieben werden, also mit Mitteln, die eben nicht sicher sind oder allzu oft falsch verwendet werden.

Die großen Museen sind längst dabei, den Staats- und Stadttheatern den Relevanz-Rang abzulaufen, was damit zu tun haben könnte, dass Theater schnelllebigen Trends folgen, zeitgemäß erzählen, aufregen und amüsieren wollen, während die Museen mit ihren erklärenden Spiegeln der Künste den Besuchern Kontemplation und Entschleunigung abringen. Still dramatisierte Gegenwelten statt diffuses Informationsgepixel – Wahrheitssuche statt Wirklichkeitsverschleiß: Museen sind die neuen Tempel der geistigen Wertschöpfung, sind die neuen Theater der Aufklärung. Museen sind Impulsgeber für Touristenströme und der Stolz einer aufgeklärten Bürgerschaft.

Der kulturelle Stellenwert einer Stadt wird von der Wertigkeit ihrer Museumslandschaft abgebildet und deutlicher umrissen als von den ortsansässigen Theatern oder anderen Kultureinrichtungen. Die Museen zeigen an, auf welchen kulturellen Höhen ihre Städte angesiedelt sind. Die Chefs der Museen sind Topstars des Kulturbetriebs, sind hochgehandelte Stadtentwickler und kulturelle Impulsgeber. Mit Dr. Bartolomäus Murr, Leiter des Staatlichen Textil- und Industriemuseums (TIM) und Dr. Christof Trepesch, Chef der städtischen Kunstsammlungen und Museen, ist die Stadt Augsburg im Wettstreit der bundesdeutschen Museen außergewöhlich gut aufgestellt.

Den Bildungsbürgern der Stadt Augsburg scheint dies bekannt zu sein.