Krimi-Autor Loeb debütiert mit einem Roman
Von Siegfried Zagler
Dass Arno Loeb nicht zu den gehobenen Literaten der Krimizunft gehört hat er mit sieben (!) Augsburg-Krimis nachhaltig belegt, nun hat er sein achtes Buch verlegt: „Jodok“ ist ein historischer Roman, der sich um die historisch belegten Geschehnisse des Doppelmordes im Jahre 1870 bei der Jodok-Kapelle in Haunswies dreht und mit unerwarteter Qualität überrascht.
Loeb hat den richtigen Ton für seine Figuren gefunden und seine Erzählfäden führen den Leser in die Abgründe der damalig selbstverständlichen Armut der „einfachen Leute“. Es gelingt ihm erstaunlich leichfüßig das Schicksalhafte der Klassenzugehörigkeit in dieser Zeit zu karikieren sowie die Anstrengungen, das Wollen der durch niedere Ständezugehörigkeit Geschlagenen aus diesen scheinbar unentrinnbaren gesellschaftlich zementierten Lebensformen zu entrinnen, in ein eine authentisch wirkende Prosa zu packen.
Mit unprätentiösem Erzählstil breitet Loeb seine Erzählung über mehrere Generationen der Zeitspanne von der Französischen Revolution bis kurz vor dem ersten Börsencrash aus. Weder die Französische Revolution noch der Schwarze Freitag werden im Roman explizit erwähnt, dennoch sind es natürlich diese beiden historischen Eckdaten, deren Geschehnisse in das Leben der Romanfiguren hineinwirken, während der erstmals beschleunigte Lauf der Geschichte in dieser Zeitspanne dem Text die Blaupause und das Material der Loebschen Dichtung die Struktur vorgibt. „Jodok“ ist ein starkes Stück Text, der diesmal funktioniert, mehr als nur funktioniert, da er beim Leser Spannung erzeugt, die durch das sorglose piktogrammartige Sprechen des allwissenden Erzählers bis zum Ende anhält.
„Mit einem Beil wird das Mesner-Ehepaar bei der Jodok-Kapelle erschlagen. Die Täter werden nie aufgespürt. Diese mysteriöse Geschichte spielt sich zwischen bayerischen Dörfern bei einem Schloss ab. Zu dieser Zeit befällt Deutschland das Eisenbahnfieber, der Märchenkönig entlobt sich, Preußen zieht mit Bayern gegen Frankreich und Sisi heiratet den österreichischen Kaiser. Geschildert wird als faszinierendes Sittengemälde das Schicksal von Menschen, die versuchen aus ihrem Leben das Beste zu machen. Ein Hilfslehrer, der womöglich zwei Frauen schwängerte, erschießt sich. Ein Selbstmordforscher entdeckt den Mörder einer verzweifelten Haushälterin.“
Der Klappentext lässt das Schlimmste befürchten, doch dann entfalten sich wie durch Geisterhand authentische Figuren, die, mit Liebe und Zuneigung gezeichnet, die Geschichte vorantreiben. Der 128seitige Kurzroman, dessen historische Grundlagen von Loeb recherchiert wurden, wirkt wie ein ferner Spiegel. Ein Spiegel, der ahnen lässt, dass nicht wir die Autoren unserer Biografien sind, sondern unsere Geschichte.
Natürlich ist der Roman kein „Sittengemälde“ und natürlich fehlt der epische, tiefschichtige Erzählton, aber vermutlich liegt gerade in der literarischen Unbeholfenheit des Textes seine Tiefenstruktur.
Dem viel zu früh verstorbenen Josef Sedlmeier, der ein enger Freund und Reisegefährte Loebs war, ist dieses Buch gewidmet. Sedlmeier war ein belesener und gebildeter Zeitgenosse, ein geistiger Verbündeter von Heine, Kafka und den Manns. Er hätte jeden Krimi Loebs – wäre es ihm noch vergönnt gewesen – (Freundschaft hin, Freundschaft her) verrissen, aber bei „Jodok“ hätte er nachgedacht, und erst bei passender Gelegenheit nebenbei erwähnt, dass Loeb vielleicht gar kein so schlechter Schriftsteller wäre, wenn er sich doch nur ein wenig mehr Mühe machen würde.