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Sonntag, 21.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kränzle, wer sonst?

Welcher Augsburger Politiker im Herbst 2018 in den Bayerischen Landtag einzieht, steht noch nicht fest, denn das entscheidet der Wähler. Wer sich aber für die beiden großen Parteien CSU und SPD in den Augsburger Wahlbezirken aussichtsreich als Kandidat für den Landtag bewirbt, steht in Stein gemeißelt.

Kommentar von Siegfried Zagler

Für die Augsburger SPD werden Harald Güller und Margarete Heinrich nominiert werden. Bei den beiden SPD-Politikern kann man diese Prognose als “sicher” bezeichnen, weil es innerhalb der SPD in beiden Wahlkreisen keine Gegenkandidaten gibt. Güller galt und gilt als gesetzt, und mit der resoluten Margarete Heinrich wollte sich aus der einst so streitbaren SPD niemand anlegen.

Für die Augsburger CSU gilt annähernd das Gleiche: Johannes Hintersberger (amtierender Staatssekretär) ist unumstritten gesetzt und gegen Bernd Kränzle wird ebenfalls niemand in den Ring steigen. Dass Bernd Kränzle gerne als Alterspräsident des Bayerischen Landtags seine lange CSU-Karriere im Landtag abschließen würde, ist innerhalb der Augsburger CSU ein offenes Geheimnis. Gegenkandidaten sind deshalb nicht in Sicht, weil in der Augsburger CSU derzeit die Stimmung nicht auf Krawall gebürstet ist und in den kommenden Wochen und Monaten in den Ortsverbänden Vorstandswahlen stattfinden, die man klugerweise abwartet, bevor man aus der Deckung geht.

Die Karriereplanung der “Kronprinzen” innerhalb der CSU lässt nur kleine Spielräume zu. Das hat mit drei Sachverhalten zu tun. Erstens ist Bernd Kränzle in der Augsburger CSU ein verdienstvoller Mann, dem man zum Abschied nicht gegen das Schienbein tritt: Damit würde ein Gegenkandidat gegen einen CSU-Kodex verstoßen und somit bei einer zu erwartenden Niederlage in der Stichwahl sein späteres Fortkommen in der Partei riskieren.

Zweitens hat der Abnutzungswahlkampf um das Amt des West-Kreisverbandsvorsitzenden (Dietz vs. Große) Leo Dietz zwar das Amt beschert, aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass Dietz als Kandidat des Ostverbandes nicht mehr mehrheitsfähig ist. Der ambitionierteste und ungeduldigste unter den Kronprinzen würde sich also in ein aussichtsloses Rennen begeben. Andere mögliche Kronprinzen, wie etwa Andreas Jäckel, sind bekannt dafür, dass sie mit Kränzle auf einer Linie liegen und niemals gegen ihn antreten würden.

Drittens muss festgehalten werden, dass der wirkungsmächtigste Augsburger Politiker in der Bayerischen Staatskanzlei Kurt Gribl heißt – ohne Landtagsmandat und ohne Sitz im Kabinett hat Augsburgs Oberbürgermeister in seiner kurzen CSU-Karriere mehr erreicht als die meisten Augsburger Politiker bisher zu träumen gewagt haben. Kurt Gribl hat als CSU-Vize großen Einfluss in München gewonnen und es ist davon auszugehen, dass sich dies nicht verflüchtigt, und zwar relativ unabhängig davon, wie der nächste CSU-Ministerpräsident heißt. Gribl, der bald dem Bayerischen Städtetag vorsitzt, ist das Augsburger Gewicht in der aktuellen wie künftigen Staatsregierung, nicht Hintersberger oder Kränzle.

So gesehen könnte es beinahe egal sein, wer für die CSU neben Hintersberger für den Landtag kandiert. Dennoch gilt die Faustregel: Falls sich Kränzle kurz vor oder nach Ostern für eine erneute Kandidatur entschließen sollte, wäre diese Frage ohne Wenn und Aber entschieden.

Obwohl der Stand der Dinge also von frappierender Unterkomplexität gezeichnet ist und somit von untergeordnetem Interesse wäre, hat das Thema “Kandidatur Kränzle” bezüglich seiner politischen Bedeutung zuletzt deutlich Fahrt aufgenommen. Dieser Sachverhalt hat allerdings “nur” mit der Berichterstattung “der Zeitung” zu tun. Die Augsburger Allgemeine lässt derzeit nämlich kaum eine Gelegenheit aus, gegen Kränzles Kandidatur mit dem Stilmittel des indirekten Alters-Bashing anzuschreiben.

Dass Kränzle mit 75 Jahren in den Landtag einziehen würde, um dann mit 80 Jahren wohl auszuscheiden, ist kein Argument für oder gegen Kränzle. Der Altersdurchschnitt der Bayerischen Bevölkerung – Zuwanderung hin oder her – steigt stetig. Das darf sich auch in ihrer politischen Vertretung in den Parlamenten widerspiegeln.

Festzuhalten ist darüber hinaus, dass Konrad Adenauer mit 73 Jahren Bundeskanzler wurde und mit gerade mal 87 Jahren aus dem Amt schied. US-Präsident Ronald Reagan trat mit 73 Jahren erneut zur Wahl an und schied mit 77 Jahren aus dem Amt. Die Spitze in dieser Hinsicht bildet aber ein gewisser Joseph Aloisius Ratzinger ab, der sich mit 78 Jahren zum Stellvertreter Christi wählen ließ und dieses Amt acht Jahre mit jugendlichem Elan ausfüllte, ehe er sich selbst in den päpstlichen Ruhestand versetzte.

Um es weniger hoch zu hängen: Mit Professor Gantzer (Jahrgang 1938) scheidet im September 2018 ein dann 80-jähriger SPD-Landtagsabgeordneter, der bisher das Niveau der SPD-Fraktion erstaunlich jung hielt, aus dem bayerischen Parlament aus. Die Zeiten, in denen man das Alter einer Person als Negativargument ins Feld führt, um diese Person als weniger geeignet für ein Amt darzustellen, sind längst vorbei. Dass das sogenannte “Alters-Bashing” ausgerechnet in “unserer Heimatzeitung” in diesem Zusammenhang aufflammt, ist das politisch Bedeutsamste an der erneuten Kandidatur Bernd Kränzles.