Konzepte fehlen überall
Großer Kulturdiskurs mit allen OB-Kandidaten im Stadttheater
Vor einer Woche standen im Foyer des Stadttheaters die Bürgermeister-Kandidaten aller in Augsburg zur Wahl stehenden Parteien Rede und Antwort zu allen wichtigen Themen der Augsburger Kulturpolitik. Als Veranstalter fungierte die „Ständige Konferenz“, gegründet im vergangenen Jahr von Mitgliedern der Organisationen Kulturrat, Kulturbeirat und Kulturnetzwerk, der Nachmittag wurde moderiert von Jürgen Kannler (a3-Kultur), Horst Thieme (Poetry-Slammer) und Siegfried Zagler (DAZ), die Politiker auf dem Podium zeigt unser Foto.
V.l.n.r. Reiner Erben (Grüne), Stefan Kiefer (SPD), Volker Schafitel (Freie Wähler), Alexander Süßmair (Die Linke), Peter Grab (Pro Augsburg), Kurt Gribl (CSU); Markus Arnold (FDP), Thomas Lis (AfD), Christian Pettinger (ödp) (Foto: a3 Kultur).
Dass Kulturpolitik die Wähler interessiert, stand schon vor Beginn der Diskussion fest – das Theaterfoyer platzte fast aus den Nähten, und nicht nur das: Das Publikum blieb auch bis zum Schluss der mit zweieinhalb Stunden Dauer nicht eben kurzen Veranstaltung. Dafür, dass die Spannung nicht nachließ, hatten die Veranstalter auch mit perfekter Vorbereitung gesorgt: Kannler/Zagler wechselten sich mit mehrere Themenblöcken ab, zwischendurch konnte das Publikum Fragen einreichen, mehrere Ja-Nein-Frageblöcke zwangen mit kurzen Antworten zu prägnanten Festlegungen. So wurden nicht alle, aber viele städtische Kulturthemen behandelt – nicht erschöpfend, aber zum Teil doch so vertieft, dass eine Meinungsbildung abseits von Werbebroschüren der Parteien möglich war.
Eine Diskrepanz tat sich schnell auf zwischen den Vertretern der gegenwärtigen Regierung aus CSU und Pro Augsburg auf der einen, sowie denen der Opposition und der nicht im Stadtrat vertretenen Parteien auf der anderen Seite. Während letztere zu mehr Phantasie und neuen Ideen neigten, hatten erstere einen Hang zu eher bürokratischen, aus den Erfahrungen der „Regierungsarbeit“ gespeisten Antworten. Auf die Frage etwa, wie man in der freier Projekte zu mehr Transparenz komme, klärte etwa Kurt Gribl darüber auf, dass es keinen Topf für Kultursponsoring gebe, wohl aber eine „Clearingstelle Sponsoring“. Wo Projektförderung anfange, sei im Übrigen nicht so leicht zu klären, Kultur sei schließlich „eine Querschnittserscheinung“. Die Frage holte Gribl so auf die eingeengte Handlungsebene städtische Kulturpolitik herunter – beantwortet war sie damit allerdings nicht im Geringsten. Kursorisch blieben auch andere Antworten, etwa, wenn Volker Schafitel (Freie Wähler) sich zur Frage äußerte, ob die Kultur weiterhin mit dem Sport- oder künftig eventuell mit dem Bildungsreferat gekoppelt werden solle: Es reichten, so Schafitel, wenige Referenten mit „guten Köpfen“ – wenn ein guter Mann „dorten sitzt“, genüge das durchaus auch für mehrere herkömmliche Referate. Für mehr Klarheit sorgte da die Ja/Nein-Frage, ob die Besetzung des Kulturreferats öffentlich ausgeschrieben werden solle: Nahezu alle Parteien antworteten mit einem klaren Ja, Beratungsbedarf sehen dagegen SPD, CSU und Pro Augsburg – wahrscheinlich kennen Kiefer, Gribl und vor allem Grab jeweils einen „guten Kopf“, der „dorten sitzen“ könnte.
Linke: Kultur eher mit Bildung als mit Sport koppeln
Die Zusammenlegung von Kultur und Sport in einem Referat, als „KuSpo“ eingeführt unter Kulturreferent Grab, lehnten fast alle anwesenden OB-Kanditaten klar ab, Alexander Süßmair (Linke) dachte ein Stück weiter mit dem Einwand, ein kombiniertes Ressort aus Kultur und Bildung könnte sinnvoll sein, vor allem aber komme es darauf an, klar getrennte Einzeletats zu haben; während Thomas Lis (AfD) ein Kulturreferat ohne weitere Anbindung haben möchte. Begründung: Dringend anstehende Aufgaben wie die Theatersanierung und die Erschließung des Gaswerks erfordern volle Aufmerksamkeit.
Einen Mangel an der Arbeit des derzeitigen Kulturreferenten Peter Grab machte die Diskussion immer wieder deutlich: Nahezu einvernehmlich wurden in nahezu allen Bereichen konzeptionelle Überlegungen und längerfristige Planungen gefordert. Das betrifft vor allem das Theater, das zwar alle mit seinen vier Sparten erhalten möchten, von dem aber auch alle Antworten auf die Zukunftsfragen fordern. Es sollten Aufgaben und Ziele definiert werden, war der Tenor. Doch damit geht es zäh voran: Entsprechende Anträge der Grünen würden, so Reiner Erben, seit Jahr und Tag „verschleppt, verschleppt, verschleppt.“
Braucht die Stadt ein Römermuseum?
Auch die Frage nach der Zukunft des Römischen Museums erzeugte den Ruf nach Konzepten. Thomas Lis (AfD) wagte gar die ketzerische Frage, ob man so etwas überhaupt brauche – und rettete sich vor aufkeimender Unruhe in den Vorschlag, der Bedarf müsse geklärt werden, ein Konzept für die Augsburger Museumslandschaft müsse her. Alle anderen wollen das Römermuseum erhalten, alle sehen auch die Probleme: Schwierig werde es „mit den Standorten“, findet man bei der Linken, viel mehr Platz fordert Volker Schafitel, und Christian Pettinger will erreichen, dass sich auch eine alleinerziehende Mutter mit drei Kinder einen Museumsbesuch leisten kann.
Erfreulich für Theaterfans: Die Veranstaltung ließ einen Grundkonsens erkennen, die Sanierung des Großen Hauses voranzutreiben. „Das Ob der Sanierung“, so beispielsweise Stefan Kiefer, stehe für ihn „völlig außer Frage“. Den Stellenwert des Theaters für die Stadtgesellschaft könne man daran ablesen, dass nach dessen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg schon 1945 ein Nottheater eröffnet worden sei. Weil man auf solchen Veranstaltungen gerne auch das Selbstverständliche noch einmal wiederholt, fügte Kiefer an, man werde bei der Sanierung „selbstverständlich in Abschnitten vorgehen müssen“, was Gribl mit einer Erkenntnis aus dem Schatzkästlein des weisen, im Amt gereiften Politikers ergänzen konnte: „Was nicht angefangen wird, wird auch niemals fertig werden.“ Und Einigkeit gab es auch hier in der Frage des Konzeptes – es sei in Arbeit, behaupten Grab und Gribl, es sei keines vorhanden, bemängelt der Rest.
Wenig Erhellendes zur Mühle
Zum heißen und brandaktuellen Thema Kresslesmühle gab’s von Politikerseite wenig Erhellendes: Die Grünen wollen bekanntermaßen auch hier „das Konzept völlig überarbeiten“, Grab denkt an ein „Haus der Kulturen“, Schafitel will das Haus weiter fördern, am liebsten aber wäre es ihm, „wenn man den Ruile wieder holen könnte und er würde es noch 30 Jahre machen.“
Die Veranstaltung war unter der Prämisse ins Leben gerufen worden, man wolle diesmal nicht über die Vergangenheit diskutieren, man wolle nicht einmal mehr die Politik von Peter Grab kritisieren, sondern den Blick nach vorne wenden. Es hat sich aber gezeigt, dass man auch mit dem Blick in die Zukunft auf viele ungelöste Fragen stößt, deren Ausgangspunkte in der Vergangenheit liegen. Anders gesagt: dass Peter Grab und die Kulturpolitik der beinahe schon vergangenen Stadtratsperiode auch dann nicht aus dem Schneider sind, wenn man sie mal ganz außer Acht lassen möchte.
Im Publikum gingen die Diskussionen im Anschluss an die Veranstaltung intensiv und lange weiter. Mehr denn je war klar, dass der nächste Kulturreferent, wer immer er (oder sie) sein mag, viel zu tun haben wird. Und dass er es mit einer äußerst lebendigen Stadtgesellschaft zu tun bekommt wird, die gerade in der Kultur mit großem Engagement und hohem Informationsstand eingebunden sein möchte.