Kompromisslose Rhythmusverweigerung
Das Ketil Bjørnstad Trio beim Jazzsommer
Von Frank Heindl
Ketil Bjørnstad ist nicht nur Pianist, sondern auch noch Schriftsteller. Seine CDs erscheinen bei ECM, die deutschen Übersetzungen seine Bücher bei Suhrkamp – beide gehören zu den renommiertesten Verlagen, die man fürJazz und Literatur finden kann. Doch das ist nicht seine einzige Besonderheit des Norwegers: Bjørnstad ist nicht nur Jazzmusiker, sondern er hat auch schon eine Karriere im klassischen Metier hingelegt. Den Schriftsteller hört man ihm nicht unbedingt an, den „Klassiker“ schon.
Das Ketil Bjørnstad Trio: von links Tore Brunborg (Sax), Jon Christensen (Drums) und Ketil Bjørnstad (Piano)
Bei Bjørnstad fließt alles, und wenn es nicht fließt, dann gewittert es – beides zusammengenommen ist manchmal ein bisschen zu wenig. Da der Pianist wie auch seine beiden Begleiter aus Norwegen stammen, liegen Vergleiche nahe: Zum Saxophonisten Jan Garbarek etwa oder zu dem Bassisten Arild Andersen – auch deren Spielart des Jazz zeichnet sich durch brillante Schönheit, durch Anklänge an nordische Volksweisen, durch Klarheit und die Vermeidung harter Dissonanzen aus. Doch Bjørnstad geht noch weiter: In seinem klassisch inspirierten Spiel (gleich im ersten Stück war Chopin förmlich mit Händen zu greifen) kommen Reibung und Dissonanz nur an den wenigen Stellen auf, wo es, nun ja: gewittert. Fast wie eine Pflichtübung wirkt es, wenn er da plötzlich die tiefsten Basstöne attackiert, wenn er clustert und hämmert. Doch aus diesem Dröhnen und Krachen entwickelt sich keine anhaltende Spannung – danach ist, wie nach einem Gewitter eben, die Luft klar und rein, und die Bäche fließen. Sie fließen so stetig und ruhig, dass es in diesem Konzert fast nie zu Szenenapplaus kommt – weil das die Ruhe stören würde und weil die Stücke nahtlos ineinander über-, nun ja: -fließen.
Lyrisches Mäandern, idyllischer Spaziergang
Auch der Saxophonist Tore Brunberg folgt diesem Konzept der schönen Töne, des lyrischen Mäanderns, des Spazierengehens in idyllischen (Klang-) Landschaften. Auch er strahlt in sprudelnd-sprühenden Läufen geradezu klassische Geläufigkeit aus, weiß das blasende Atemgeräusch seiner Saxophone in den Klang seiner Improvisationen einzubinden, vor allem wenn er auf dem kleinen Sopranino spielt. Auch bei ihm würde man sich manches Mal wünschen, dass er aus seltenem exaltierten Abdriften nicht ganz so schnell wieder zurück zu Melodie und Schönheit finden würde, zu Bjørnstads Sound eben.
Doch noch ist mit alldem wenig über das Zusammenwirken des Trios gesagt, denn der wahre Geniestreich Bjørnstads war es, den Drummer Jon Christensen in seine Band aufzunehmen. Der entzieht sich nicht dem Sound der Band – aber er tut das gerade, indem er sich dem Konzept des harmonischen Miteinanders verweigert. Christensen beginnt das erste Stück, noch bevor die Mitmusiker einsetzen, mit geradezu herabtröpfelnden Klängen: Er schlägt mit den Händen mal hier an ein Becken, streichelt da die Snare, klopft dort mit den Knöcheln auf den Toms – und es ist dabei nicht die Spur eines Rhythmus zu erkennen. In den ersten Takten hielt man das noch für eine sehr originelle Einleitung – doch es sollte sich herausstellen, dass der Drummer im gesamten ersten Set fast nichts anderes tat, als sich dem Rhythmus zu verweigern und sich dem Klang hinzugeben. Wie ein Maler, der an einem fast fertigen Bild noch hier und da ein Farbtüpfelchen anbringt, eine Korrektur ausführt, einen Akzent setzt, so wirkte Christensen im Klangbild der Band – und bewirkte damit einen faszinierenden Zauber der Triomusik, der auch dann noch anhielt, wenn Bjørnstad und Brunborg allzu sehr im allzu Schönen, manchmal auch nah am phrasenhaft Rockigen sich ergingen.
Man musste sich lange und vorurteilsfrei diesem merkwürdig gegensätzlichen Zusammenspiel hingeben, um am Ende festzustellen, dass sich da ein sehr eigener Stil zusammenbraute, der dann doch längst nicht so harmonisch ist, wie es das Spiel der Melodieinstrumente nahelegte. Sondern der den Gegensatz von melodischer Schönheit und perkussiver Rhyhtmusverweigerung nahtlos zu einem Konzept von Klang und Sound integrierte und in seiner Kompromisslosigkeit dann doch wieder experimentierfreudige Improvisationsmusik war – Jazz eben, und zwar at its best.
Vor wenigen Tagen schrieb das Online-Magazin „Jazzecho“ hier über Ketil Bjørnstad: www.jazzecho.de/home.
Das letzte der Jazzsommer-Konzerte im Botanischen Garten findet am kommenden Mittwoch, 11. August um 20h statt. Zu Gast ist der Pianist McCoy Tyner – eine 71jährige Legende des Jazz – mit seinem Trio.
» www.augsburger-jazzsommer.de