LOKALPOLITIK
Kommunalwahl: Es ist zu wünschen, dass aus dem Augsburger Stadtrat wieder eine Regierung hervorgeht, die man auch als solche erkennen kann
Anmerkungen zur Augsburger SPD, die zurück in die Spur finden will
Von Siegfried Zagler
Die Augsburger SPD stellt am morgigen Samstag ihre Stadtratsliste auf. Im Normalfall Anlass für eine Glosse, doch in Zeiten des Klimawandels und des Wandels überhaupt sollte man langsam damit beginnen, der Augsburger SPD ein wenig Hoffnung zuzuschreiben – kein einfaches Unterfangen.
Dass die Kunst vom Nichts ins Nichts strebt, haben die Erkenntnishungrigen unter uns am Donnerstag im H2 vom Schriftsteller Tilman Spengler („Lenins Hirn“) erfahren, also im Augsburger Museum für Gegenwartskunst, wo der Maler Horst Thürheimer gewürdigt und nicht unbedingt angemessen von seinem Künstler-Freund ins Unendliche überhöht wurde. Und weil das bei Ausstellungseröffnungen so üblich ist, sind maßlose Bedeutungsübertreibungen im Kunstbetrieb hinzunehmen wie das Gezirpe der Parteien im Wahlkampf. Die Kunst feiert eben auch Parteitage.
Womit wir wieder zur Augsburger SPD zurück kommen, die morgen ihre Nominierungsversammlung zur Stadtratsliste öffentlich (ab 10 Uhr im Augustanasaal) zu einer glanzvollen Selbsterhöhung inszenieren wird. Auch wenn dafür weit und breit kein Grund zu erkennen ist.
Ganz nach der Volksweisheit, dass große Ereignisse lange Schatten voraus werfen, hat die Augsburger Allgemeine bereits am Mittwoch eine relativ einfach zu beantwortende Frage gestellt, nämlich welche Genossen im Wahlkampf an der Seite von OB-Kandidat Wurm stehen könnten. „Ja ist denn unsere Heimatzeitung, nachdem sie fast 12 Jahre der Gribl-CSU den Bauch gepinselt hat, plötzlich für die Roten?“, wollte ein treuer DAZ-Leser angesichts dieser kostenfreien SPD-Werbung auf einer halben Zeitungsseite wissen. Eine gute Frage, schließlich steht AZ-Darling Gribl nicht zur Wahl, und schließlich kann man dem neuen AZ-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz, den alle nur „GPS“ nennen, ohne Weiteres unterstellen, dass er die Augsburger Allgemeine CSU-kritischer halten will.
Eine starke SPD täte nicht nur der SPD gut, sondern auch der Stadt Augsburg, in der mehr Menschen unter oder knapp oberhalb der Armutsgrenze leben als in anderen bayerischen Städten, nämlich zirka 20 Prozent. Mit den Schließungen von Weltbild, Osram und Fujitsu haben in den vergangenen Jahren zirka 8000 Menschen in Augsburg ihre Arbeitsplätze verloren. Von den Flugzeugteile-Herstellern in Haunstetten sind betriebsbedingte Kündigungen zu erwarten, ebenso von MAN und KUKA. – Der Wahlkampfslogan der CSU-Kandidatin „Stadt der Chancen“ wirkt in diesem Kontext wirklichkeitsfremd und deplatziert.
Die Altersarmut wird sich in Augsburg verschärfen wie die Situation der prekär Beschäftigten, da das Wohnen immer teuerer wird und die Energiepreise rapide steigen. „Die Stadt erstickt im Autoverkehr, es fehlt an Kita-Plätzen, die Sanierung der Schulen droht an Finanzproblemen zu scheitern“, so heißt es in einer SPD-Wahlkampfbroschüre. Und es gibt einen vorauseilenden Donnerhall an anderer Stelle: Die Theatersanierung, besser die Kostenexplosion dieses Projekts „hat mit glaubwürdiger Politik nichts zu tun. (…) Wenn sich das von Merkle und Weitzel entworfene Theater zum Luftschloss entwickelt, muss das Projekt neu bewertet werden. Zumal es bei anderen Pflichtaufgaben einen Investitionsstau gibt.“
Bis auf einen kleinen semantischen Fehler, sind das durchaus wirksame Postulate für den kommenden Wahlkampf. Der Semantik-Fehler ist bei den „anderen Pflichtaufgaben“ auszumachen. Das impliziert nämlich, dass das Theater eine kommunale Pflichtaufgabe sei. Ist es aber nicht.
Arbeitsplatzängste, Zukunftsängste, die soziale Frage, die Bildung, der Verkehr: klassische Wahlkampfthemen, bei denen die SPD punkten könnte, wenn sie das Personal dazu hätte. Hat sie aber möglicherweise nicht, was man mit einem kurzen Blick auf die aktuell noch nicht offizielle SPD-Liste leicht erkennen kann.
OB-Kandidat Dirk Wurm ist auf Platz eins. Das geht in Ordnung. Wurm ist kein SPD-Kaliber alias Paul Wengert oder Karl-Heinz Schneider, aber er hat sich entwickelt. Er war lange Zeit als Ordnungsreferent im Augsburger CSU/SPD/Grünen-Bündnis umstritten. Er musste zahlreiche Scharmützel mit der CSU überstehen und hat dadurch an Profilkanten und Bekanntheitsgrad zugelegt. Und Wurm ist als OB-Gegenspieler zur netten aber allzu glatten CSU-Kandidatin beinahe genial besetzt. Eine angemessene Nummer eins, aber als Polit-Persönlichkeit möglicherweise noch nicht weit (und alt) genug, um den Persönlichkeitsschwund bei der Augsburger SPD zu kompensieren. Darauf haben nun die SPD-Listenmacher reagiert.
Auf Platz zwei soll Anna Rasehorn folgen, auf drei Florian Freund, auf vier steht Margarete Heinrich, fünf ist für Gregor Lang (Ortsverein Hochzoll) vorgesehen, auf sechs steht das Lechhauser Urgestein Sieglinde Wisniewski (Stadträtin), auf sieben Benjamin Adam, der bei den Jusos im Vorstand beisitzt, auf acht Stadträtin Jutta Fiener, auf neun der 37-jährige Tim Kattner, der dem Ortsverein Oberhausen vorsitzt und auf zehn Hochschulkanzlerin Tatjana Dörfler, die als Quereinsteigerin zu den von Florian Freund angekündigten Überraschungen gehören soll. Diese Liste diskutiert die Augsburger SPD heute Abend zur Stunde auf ihrer Unterbezirksversammlung, morgen stimmen die Delegierten darüber ab.
Der von der DAZ geschätzte Wirtschaftsexperte Christian Moravzik kam als Grünen-Aussteiger, also als Verlierer mitten in der Stadtratsperiode zur SPD und steht auf Platz elf, Birgit Ritter vom Freiwilligenzentrum und Ortsvereinsvorsitzende Kriegshaber steht auf 12, auf 13 folgt der politisch schwer vermittelbare Sozialreferent Stefan Kiefer, der nach dem 28-Millionen-Debakel beinahe unsichtbar geworden ist. (Margarete Heinrich gilt hinter Kiefer nach ihrem Debakel bei der Bayern-Wahl als zweite große SPD-Verliererin.). Auf 14 folgt Angelika Lonnemann (Ortsverein Lechhausen) und auf Platz 15 kommt ein echter Überraschungshammer: Dr. Gerhard Ecker, bei der Regenbogenregierung (2002-2008) Finanzreferent und später erfolgreich als Oberbürgermeister in Lindau. Die beiden aktuellen Stadträte Gabriele Thoma Platz (18) und Angelika Steinecker (24) sind aus dem Rennen. Die Stadträte Dieter Benkhard, Stefan Quarg, Hüseyin Yalcin und Ulrich Wagner hören auf. Durchschlagend überzeugend ist die Liste nicht, aber es ist bis auf die genannten Ausnahmen, keine Verliererliste. Damit könnte die SPD Fahrt aufnehmen, falls die Gesamtpartei bundespolitisch zulegen sollte.
Wenn bei einer Kommunalwahl alles offen ist – und das ist der Fall, wenn es keinen amtierenden OB gibt, dann kommt es ohnehin auf den Wahlkampf an. Kommt es auf einen guten Spitzenkandidaten und auf einen inhaltlichen Knüller an, auf ein Thema, das alles andere überdeckt, wie zum Beispiel der Königsplatzumbau 2008. Damals torpedierte die CSU die Regenbogen-Verkehrspläne, die sie lange Zeit mitgetragen hatte, mit dem Slogan „Tunnel statt Chaos“. Das Greenhorn Kurt Gribl schlug auch deshalb den amtierenden SPD-OB Wengert, weil diese emotional geführte Elefanten-Debatte alles überlagerte und somit verschleierte, wie schwach der damalige CSU OB-Kandidat Gribl damals tatsächlich war.
Es ist der Stadt Augsburg zu wünschen, dass sie aus dem politischen Tiefschlaf erwacht und der von Kurt Gribl entpolitisierte Stadtrat wieder zu einem Gremium wird, aus dem eine Stadtregierung hervorgeht, die man auch als solche erkennen kann. Dazu bräuchte es eine starke SPD.