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Dienstag, 10.09.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

KOMMENTAR

Kommentar zur Kommunalwahl 2020: Warum wählen gehen?

Das neue Jahr ist da und in knapp zehn Wochen wird der neue Augsburger Stadtrat gewählt. Die Überraschung: Das Augsburger Dreierbündnis existiert immer noch. Dabei erinnern die ersten Politplakate zur Kommunalwahl 2020 die Augsburger Bürger daran, dass es in Augsburg offenbar wieder Parteien mit unterschiedlichen Weltanschauungen gibt.

Kommentar von Siegfried Zagler

Lange Zeit schien es nämlich in dieser Stadtratsperiode so, dass alles, was geschah, deshalb geschah, weil es vom unsichtbaren Geist des Allgemeinwohls so gewollt wurde. Dies zeigte auch die Sprache der Politik, aber auch die der Medien: “In Augsburg wird das und dies gemacht.” Die Semantik des Passivs verweist darauf, dass das Subjekt, also der Handelnde beim Geschehen keine große Rolle spielt. In diesem Fall ist das Subjekt der Stadtrat, das gewählte und oberste Verwaltungsorgan. Die meisten Beschlüsse des Stadtrats werden einstimmig beschlossen, weil Weltanschauungen eben keine Rolle spielen, wenn eine Brücke einstürzt, Gleise saniert, Kanäle repariert und Schulen saniert werden müssen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Wenn nämlich nicht genug Geld vorhanden ist, dann muss beschlossen werden, was geschoben werden kann und was nicht. Die Dringlichkeiten der Probleme brauchen doch auch keinen politischen Willen – könnte man meinen. Wozu also wählen gehen, wenn es darum geht, einen Stadtrat zu bilden, der ohnehin nur tut, was für das Gemeinwohl notwendig ist?

Gribls Feuer konnte nur noch von der Bürgerschaft und dem Verwaltungsgericht München gelöscht werden

Das Gemeinwohl verkörpern: Das ist die Strategie von Eva Weber und ihrem Wahlkampfteam: “Grill die Weber” war eine Art Bürgerbeteiligungsverfahren im Vorwahlkampfmodus: Damit formulierte Eva Weber ihr politisches Ziel: So viel Gemeinsinn wie möglich erfassen und so viel Gemeinwohl-Sinn verkörpern wie man abgenommen bekommt! Kurt Gribl hat das Leviathan-Konzept in Augsburg entwickelt, Eva Weber führt das nun im High-End-Bereich fort.

In seiner ersten Amtsperiode war Gribl die Feuerwehr, die die Brände löschte, die unfähige Referenten legten. In seiner zweiten Amtsperiode war Gribl selbst das Feuer, also derjenige, der alles vorgab, alles beherrschte. Und selbstverständlich stets im Sinne des Gemeinwohls. Der Stadtrat war Wachs in Gribls Händen. Gribls Feuer konnte nur noch von der Bürgerschaft und dem Verwaltungsgericht München gelöscht werden.

Gab es einen politischen Willen des Stadtrats zur großen Theatersanierung, die derzeit bei der SPD (aber auch ein wenig bei den Grünen) hinterfragt wird? Es gab ihn, weil OB Gribl diesen Willen formulierte – auch wenn ein kleiner Teil der Bürgerschaft und des Stadtrats nicht einverstanden mit der Sanierung war, wie sie derzeit Beschlusslage ist.

Gab es einen politischen Willen des Stadtrats zur Fusion? Es gab ihn, auch wenn er nicht Gegenstand der “Bündnisverträge” war. Es gab ihn, weil ihn OB Gribl formulierte. Und es gab ihn auch deshalb, weil ein großer Teil der Grünen dagegen Sturm lief – und es gab ihn vor allem, weil dieser Wille von der Mehrheit der Bürgerschaft mit dem Mittel des Bürgerentscheids zerstört wurde.

Ohne eine politische Haltung gibt es in einer Demokratie auch keine Legitimation dafür, Steuergelder zu verwenden

Womit gesagt sein soll, dass eine politische Handlung nur daran zu erkennen ist, wenn es es eine gegenteilige Positionierung dazu gibt. Ohne die Möglichkeit der Alternative gibt es keine demokratische politische Handlung. Aus dem Prinzip des Handelns entsteht eine politische Haltung – und ohne eine politische Haltung gibt es in einer Demokratie auch keine Legitimation dafür, Steuergelder zu verwenden. Dass gegenteilige Positionierungen viel zu selten in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden, sondern hinter verschlossenen Türen, darin besteht das politische Verbrechen des Augsburger Dreierbündnisses, deren Akteure heute so tun, als käme es auf das richtige Ergebnis bei der kommenden Kommunalwahl an, damit sie ihre Inhalte realisieren können.

Dabei hätte Eva Weber ihre Projekte, die in ihrem Wahlprogramm für 2020 aufgeführt sind, in dieser Stadtratsperiode als Grundsatzbeschlüsse vorlegen können, um sie realisierbar zu machen. Sie hätte vermutlich alles durchsetzen können. Das Gleiche gilt natürlich auch für die beiden kleinen Bündnispartner: Sie könnten sogar noch in den kommenden beiden Stadtratssitzungen Grundsatzbeschlüsse ihrer politischen Vorhaben vorlegen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, was sie für die Zukunft wollen und welche Parteien etwas anderes auf der Dringlichkeitsagenda haben. Diese politischen Debatten fehlten in den vergangenen Jahren der Augsburger Stadtpolitik, die niederschwellig strukturiert und gedankenlos, ja von unpolitischer Sprachlosigkeit gezeichnet war.

Wer sich von den zukünftigen Stadtratsakteuren nicht entschieden von der AfD abgrenzt, ist unwählbar

Um ihren Lesern eine qualifizierte Wahl am 15. März zu ermöglichen, wird die DAZ in den kommenden Wochen herausarbeiten, welche inhaltlichen Ziele bis 2026 die Parteien und Gruppierungen priorisiert verfolgen. Wie und mit wem sie diese Ziele erreichen wollen und welche Alleinstellungsmerkmale vorhanden sind.

Die AfD, soviel steht fest, wird darin nicht ernsthaft vorkommen. Ihr rassistisches Agieren, ihr Fremdenhass, ihr politisches Gebaren ist ekelerregend. Hinter dieser politischen Haltung gibt es nichts, was noch zu erwähnen wäre. Von jeder zukünftigen Stadtratsgruppierung ist eine Brandmauer zur AfD einzufordern. Wer sich zur AfD nicht klar und entschieden abgrenzt, ist in einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft unwählbar. Allein die Existenz der AfD macht es zur Bürgerpflicht, am 15. März wählen zu gehen.