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Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

MEINUNG

Kommentar zur Theatersanierung: Ein „Jahrhundertprojekt“ als Abenteuerspielplatz

Warum man die aktuelle Sanierungsplanung stoppen muss. Ein Kommentar von Peter Bommas zur Sanierungsdebatte um das Staats- und Stadttheater

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Die Berichterstattung der Augsburger Allgemeinen vom Samstag anlässlich eines „Runden Tisches“ in der Redaktion mit OB Eva Weber, Baureferent Gerd Merkle, Intendant André Bücker auf der einen Seite und drei Kritikern mit unterschiedlichen Perspektiven – Florian Freund (SPD), Bruno Marcon (AIB) und Volker Schafitel, ehemaliger Stadtrat der Freien Wähler – bringt auf den Punkt, was schon seit Wochen klar ist: Die aktuelle Stadtregierung aus CSU und Grünen hat die Reihen geschlossen und will die Theatersanierung trotz unklarer Faktenlage mit der Formel „Jahrhundertprojekt“ durchziehen. Die bei dem Treffen aus den Reihen der Kritiker zu Recht vorgebrachten Argumente bezüglich gravierender Planungsfehler, unkorrekten Kalkulationen, intransparenten Zahlenspielereien bei offensichtlicher Schieflage des städtischen Haushalts, der immer noch mit den gedeckelten 186 Millionen rechnet, obwohl die Marge 320 Millionen naheliegt, werden mit der Arroganz der Macht, also mit Dreistigkeit, abgebügelt.

All die Einwände, mal ganz abgesehen vom zwar unausgesprochenen, aber real existierenden Diskussions- und Denkverbot zu inhaltlichen, konzeptionellen und stadtentwicklerischen Fragezeichen eines angeblichen „Theaters der Zukunft“ – O-Ton Bücker „jeder, der behauptet, man könne ebenso gut Theater an den Interimsorten weitermachen, täuscht die Öffentlichkeit“ – prallen an der trotzigen Rechthaberei der Koalition ab und stellen Kritiker als inkompetente Banausen dar. 

Man kann also davon ausgehen, dass am kommenden Donnerstag mit der Mehrheit von Schwarz-Grün ein Beschluss gefasst wird – ohne ein sicheres, transparentes und von allen Stadträten nachvollziehbares Zahlenwerk als Entscheidungsgrundlage und ohne eine vorliegende vertragliche Vereinbarung mit dem Freistaat. Guten Gewissens kann bei dieser Sachlage in Verantwortung für alle Bürger dieser Stadt kein Stadtrat, keine Stadträtin einem Beschluss zustimmen. Ein Moratorium – wie von der Bürgerlichen Mitte, von der Fraktion aus SPD und Linke sowie von Einzelstadträten gefordert – wäre eine angemessene Reaktion auf die aus dem Ruder gelaufene Planung und Finanzierung und im übrigen ein sympathisches Eingeständnis, sich vielleicht doch da und dort geirrt zu haben.

Deshalb werden neben den Forderungen der Opposition im Stadtrat auch Einwürfe von außerparlamentarischen Gruppierungen virulenter, seriös umzuplanen, Entscheidungsgrundlagen zu überdenken und offenzulegen, zukunftsorientiert, transparent und bürgernah zu handeln: Das Staats- und Stadttheater neu denken!

Als Sanierungskritiker der ersten Stunde, der aktuell in Sachen Theater und Gaswerkentwicklung in allem bestätigt wird, was 2016 vorhergesagt wurde; als ein an den  Bürger-Workshops Beteiligter, dem heute das Narrativ von der Teilhabe am Entscheidungsprozess als politisches Märchen verkauft wird, als ein für Augsburg seit langen Jahren, mitunter erfolgreich, tätiger, theater- wie szeneaffiner Kulturakteur, der mit ansehen muss, wie die Idee einer „Kultur der Vielfalt“ ignoriert bzw. umgedeutet wird – also für den Schreiber dieser Zeilen und einen mit der sozio-kulturellen Stadtentwicklung seit Jahrzehnten verbundenen Bürger ist das momentan Dargestellte kein transparentes und bürgernah verhandeltes Szenario um das Theater der Zukunft, sondern ein von Ignoranz, Arroganz und Überforderung geprägtes politisches Theater. Die Stadtregierung übt sich in Machtdemonstation – ohne kulturelle Empathie und ohne kulturelle Kompetenz.

„Augen-zu-und-durch“ scheint die Devise, ohne klare Zusagen aus München, ohne Rücksicht auf eine für die nächsten 20 Jahre finanziell eingeschnürte Kultur- und Kreativszene. Das Festhalten an einer althergebrachten Bedeutungszuschreibung von Theater, an einem aus Theatersicht zwar verständlichen, aber insgesamt luxuriösen Wunschkonzert von Theatermachern, ohne Sinn für zukünftige stadtkulturelle und kulturinnovative Entwicklungen birgt beachtliche Spengkraft.

Voraussichtlich 400 – anstelle von 180 – Millionen werden wohl in Stein, Stahl und Glas verwandelt, Park und Bäume sinnentleert zerstört, in Baugruben verwandelt, die man dann wieder zuschütten muss – und Theatermachen, Stadtbespielen, Kulturentwickeln, Grenzenöffnen und Publikumentdecken bleiben auf der Strecke.

Augsburg ist an einem Scheidepunkt angelangt, eine arme Stadt sollte aus dem kulturellen Reservoir und dem Wissenspool seiner Bürger schöpfen und ihnen eine kulturelle Teilhabe an der Zukunft sichern und sie nicht auf Jahrzehnte an überdimensionierte, fehlgeplante, rückwärtsgewandte, der Vielfalt der Stadtgesellschaft entgegenwirkende Kulturtempel binden. Eine Kultur der Vielheit geht anders!

Deshalb muss man die Notbremse ziehen, Beschlüsse auf Eis legen, Fehler eingestehen, neu und seriös rechnen, die Bürger mit Transparenz und Teilhabe überzeugen, ein Theater und ein Kreativwerk der Zukunft entwerfen, mit dem eine neue Generation Kultur auch neu und spannend entdecken, machen und konsumieren kann. Lieber ein „Theater-Camp“ als ein Prestigeobjekt, lieber kreative Provisorien als ein hingeklotztes Millionengrab!

Ganz konkret deshalb: das „Große Haus“ für knapp 100 Millionen ohne Bühnenturm fertigstellen als transkulturellen Solitär für Oper, Musical, Konzerte von Klassik bis Pop, Ausstellungen, Lesungen, Festivalzentrale, Bälle und Events!

Deshalb: Bauphase 2 nicht weiter verfolgen, das Gelände an der Kasernstrasse für Quartiersentwicklung und Begegnungsräume einplanen, 

Deshalb: besser ein praxisnahes, zukunftsfähiges Schauspielhaus für maximal 60 Millionen samt ergänzender Verwaltungs-/Proben- und Werkstatträume auf dem Gaswerareal neu errichten und mit Ofenhaus/-Brechtbühne/Werkstattgebäude verbinden

Deshalb: Statt Glaspalastmiete eine moderne Kunsthalle im Gaswerkareal errichten als Crossover von Museums-, Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb im Schulterschluss von freier Szene und kommunaler Kultur

So wäre die gedeckelte, auch nicht gerade kleine Summe von 186 Millionen gut angelegt. Und solche weitreichenden Entscheidungen brauchen im Sinne von Bürgerbeteiligung und Transparenz als Voraussetzung den offenen Diskurs mit und die Zustimmung von der Bürgerschaft.