Gastkommentar zur Kulturpolitik: Eine Absage, die wie ein Abgesang klingt
Nachdem im April die Telefonsitzung der vermeintlich letzten Kulturausschusssitzung des alten Stadtrats abgesagt wurde, weil der abservierte Altreferent keine große Lust darauf hatte, stellte sich das Gefühl ein, dass es nur noch besser werden könne – mit der Kulturpolitik in Augsburg. Doch auch die neue Stadtregierung kann es nicht besser. Gestern kam die zweite Absage. Der Kulturausschuss, der am 15. Juni hätte stattfinden sollen, wurde seitens der Interimsreferentin Eva Weber abgesagt. Die Begründung: keine Themen. Das brachte nicht nur die SPD/Linke-Fraktion, sondern auch Neustadtrat Peter Hummel auf die Palme. Peter Hummel ist gelernter Journalist, Stadtrat der Fraktion Bürgerliche Mitte und Mitglied im Kulturausschuss.
Gastkommentar von Peter Hummel
Was dürfen die Bürgerinnen und Bürger von den Mitgliedern des Kulturausschusses des Augsburger Stadtrats erwarten? Richtig, dass sie sich für die Belange der Kulturschaffenden einsetzen, dass sie Visionen entwickeln, dass sie überhaupt kulturelles Leben ermöglichen. Letzteres ist gerade in diesen Corona-Tagen schwierig, wenngleich so manche Musiker, Schauspieler und Tänzer wohl verdutzt zur Kenntnis nehmen, dass man zwar in Fitness-Studios wieder nebeneinander schwitzen, nicht aber bei einem Konzert gemeinsam lauschen darf.
Ich bin Mitglied im Kulturausschuss und überlegte mir dieser Tage, dass unsere erste Sitzung am übernächsten Montag wohl länger dauern wird – in der Annahme, dass in diesem Gremium um bestmögliche Konzepte für die Theater, die Museen, die freie Künstlerszene gerungen wird. Denn natürlich haben die Kulturschaffenden in unserer Stadt aktuell mindestens so große Sorgen wie Gastronomen, Einzelhändler und Schausteller. Ich bin sogar der Meinung, dass der Besuch einer Theater-Aufführung oder einer Lesung systemrelevanter ist als der reibungslose Betrieb eines Nagelstudios, aber gut, darüber kann man diskutieren, vor allem dann, wenn einem der Nagel eingerissen ist. Jedenfalls ging ich davon aus, im Kulturausschuss die Anliegen der Kulturschaffenden und der Kulturliebhaber gleichermaßen zu vertreten.
Jetzt ist es allerdings so, dass ich übernächsten Montag frei habe, denn die Sitzung wurde abgesagt. Abgesagt nicht wegen Corona oder weil am 15.6. der bundesweite Tag des Strandkorbs gefeiert wird, sondern mit der Begründung, dass „keine Punkte zur Beratung oder Beschlussfassung anstehen“.
Keine Punkte zur Beratung im Kulturausschuss? Das ist ungefähr so, als würde man ein Fußballspiel deshalb ausfallen lassen, weil drei von zehn Theologen nicht an den Fußballgott glauben. Ich halte das Signal, das mit einer solchen Absage in die Kulturszene Augsburgs gesendet wird, für fatal: Zum Thema Kultur gibt’s nichts zu besprechen, Kultur hat keine Relevanz, es gibt Wichtigeres.
Dabei wäre es durchaus interessant, was es mit den anhaltenden Diskussionen rund um die Theatersanierung auf sich hat. Wie dafür die Pläne B, C und D aussehen. Wie Künstler den öffentlichen Raum während der Sommermonate bespielen können und ob schon mal jemand daran gedacht hat, die Philharmoniker in der WWK-Arena auftreten zu lassen. Dort könnten 5000 Musikliebhaber-Kumpel im Abstand von 1,50 Meter einen wunderbaren Abend verbringen.
Klingt absurd, ja, klar, aber lasst uns doch endlich wieder unsere Phantasie anregen, lasst uns quer denken, verrückte Gedanken spinnen, überhaupt rum spinnen, lasst uns erst im Kopf und dann im Alltag die Depression überwinden. Vielleicht bin ich da noch zu naiv, aber ich habe mir tatsächlich ein paar positive Signale vom Kulturausschuss des Stadtrates erwartet. Jedoch, der Optimismus, der Glaube an die ersten Lichtblicke wurde abgesagt. Die Bühnen der Stadt gehören weiterhin den Fleischküchle-Bratern, den Nagelstudios und den Anbietern von Zumba-Yoga mit Qi-Gong-Workout.
Ich werde im Stadtrat den Antrag stellen, Kulturausschuss-Sitzungen künftig auch dann einzuberufen, wenn es keine Themen für die Tagesordnung gibt. Denn wo es keine Themen gibt, gibt es jede Menge Probleme.