MEINUNG
Kommentar zum Versammlungsrecht: Die CSU hat kein Recht auf Komfortzonen
Warum die CSU und andere Parteien keine Präsenzversammlungen abhalten sollen
Kommentar von Siegfried Zagler
Dass in einer Demokratie das Versammlungsrecht ein hohes Gut ist, muss an dieser Stelle nicht betont werden. Dass dieses demokratische Grundrecht von Infektionsschutzmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit ausgehebelt werden kann und muss, ist eine Notwendigkeit, der sich alle Bürger zu unterwerfen haben. Doch das gilt leider immer noch nicht für Parteien, die sich Ausnahmen von ihren jeweiligen Kommunen genehmigen lassen können, wenn sie zum Beispiel ihre Bundestagskandidaten nominieren.
Da dies bei vielen Bürgern schräg ankommt und nicht mit den rigiden Einschränkungen und finanziellen wie emotionalen Opfern der Bevölkerung in Einklang zu bringen ist, hat der Bundestag Ende Januar den Weg dafür geebnet, dass die Aufstellungsversammlungen der Bundestagskandidaten auch digital stattfinden können. Die CSU scheint das nicht zu kratzen. In Augsburg finden alle CSU-Delegiertenwahlen in Präsenzveranstaltungen statt. In einer Zeit, in der möglicherweise durch südafrikanische und britische Mutationen eine dritte Welle im Anmarsch ist, also steigende Inzidenzen und weiteren Verschärfungen von Infektionsschutzmaßnahmen möglich sind, ist das ein No-Go.
Auch dann, wenn das nicht der Fall wäre und die Inzidenzen trotz der Mutationen sinken sollten, sollte für die Parteien (mehr als für andere) der kategorische Imperativ Immanuel Kants gelten, dass sie nämlich stets so handeln sollen, dass man daraus ein allgemeingültiges Gesetz herleiten könnte. Die Augsburger CSU macht genau das Gegenteil – es sei denn, sie will mit ihrem Verhalten Lockdown-Lockerungen von Vereinssammlungen o.ä. in geschlossenen Räumen Vorschub leisten.
Wenn man von Lehrern, Schülern und allen Bildungseinrichtungen seit Monaten Online-Vermittlung abverlangt, verstärkt von Firmen Homeoffice fordert und die Digitalisierung im Allgemeinen vorantreiben möchte, aber dann nicht in der Lage ist, die eigenen Versammlungen online abzuwickeln, dann trägt die CSU auf fatale Weise zur Meinungsbildung des Volkes bei. In München hat man das erkannt. In Augsburg schläft man noch. Höchste Zeit, dass Ullrich, Weber, Dietz und Co. ihre Komfortzonen verlassen.