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Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Meinung

Kommentar zum Überstunden-Desaster: Warum Zweifel bleiben

Warum die Causa Merkle weiterhin brisant bleibt

Kommentar von Siegfried Zagler

Foto: DAZ

Der ungeheuerliche und wohl weltweit einmalige Fall, dass ein städtischer Angestellter 4900 Überstunden ansammeln konnte (zwischen 1994 und 2008), und diese ihm wohl in Kürze größtenteils als Geldwert ausbezahlt werden, bleibt als „Causa Merkle“ virulent und hat sich durch das Rechtsgutachten einer Münchner Anwaltskanzlei, das am vergangenen Donnerstag hinter verschlossener Tür dem Augsburger Stadtrat vorgestellt wurde, noch lange nicht erledigt.

Das hat zum einen damit zu tun, dass sich der Eindruck verhärtet hat, dass die Expertise zu untersuchen hatte, der Stadt zu zeigen, wie es gehen könne, Gerd Merkles Forderungen zu erfüllen.

Wäre es anders, hätte die Stadt sich einfach darauf versteifen können, dass bis zur ersten Dienstvereinbarung 2004, die wohl Überstunden-Langzeitkonten ohne Verfallsfristen ermöglicht, Merkles Ansprüche verjährt seien. Kurzum: Die Stadt hätte Merkle signalisieren können, wie Alt-OB Paul Wengert dies im DAZ-Interview vorschlug, er solle seine Forderungen über den arbeitsrechtlichen Weg erstreiten. Erst durch die Urteilsfindung eines Gerichts wären alle Zweifel beseitigt.

Der Weg, den das Büro „Avant und Beiten“ der Stadt aufgezeigt hat, unterscheidet sich von der vorgesehenen Auszahlungsabsicht der Stadt: Merkle soll nach dem Ausscheiden aus dem Wahlbeamtenverhältnis wieder zurück in sein Angestelltenverhältnis gehen, um bis zum Eintritt ins Rentenalter sein Guthaben abzuschmelzen, um schließlich als Rentner den Restbetrag ausbezahlt zu bekommen.

Für die Stadt, besser: Für den steuerzahlenden Bürger ändert das jedoch nichts. Verblüfft nimmt man zur Kenntnis, mit welchen Privilegien die Arbeit im öffentlichen Dienst offenbar versehen ist. Die Stadträte des Augsburger Stadtrats waren jedenfalls vom rechtsgutachterlichen Vortrag beeindruckt – bis auf einen.

Roland Wegner (V-Partei), beruflich selbst Kämmerer einer Gemeinde, hat nämlich den Bayerischen Kommunalen Prüfverband angefragt, ob er sich der Angelegenheit nicht annehmen wolle: „Auch wenn man damit nun eine vermeintliche juristische Grundlage zur Rechtfertigung der Überstundenauszahlung hat, bleibt aus meiner Sicht ein nicht unbeachtliches Restrisiko bestehen, dass hier städtische Gelder zu Unrecht ausbezahlt werden könnten. Ein aktueller Strafbefehl gegen den Oberbürgermeister von Bamberg zeigt die Brisanz auf. In diesem wurde dem dortigen Oberbürgermeister vorgeworfen, unzulässig u. a. Überstunden ausbezahlt zu haben. Den Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei ging laut Bayerischer Staatszeitung ein Prüfbericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes voraus. Soweit soll es in Augsburg nicht kommen, weswegen ich mich heute dazu entschied, Sie als „Rechnungshof der Kommunen“ und Körperschaft des öffentlichen Rechts zu kontaktieren.“

Wegner will vor allem wissen, „ob und ggf. welche Überstunden in der Zeit von 1994 – 2008 tatsächlich bereits verjährt/verwirkt waren, oder ob in dieser Zeit bereits eine wirksame Dienstvereinbarung für ein Überstundenlangzeitkonto existierte“.

Nun, wenn Stadtrat Wegner, der in den Sachverhalt tief eingestiegen ist, von den Münchner Anwälten diesbezüglich nicht überzeugt wurde, sollte der „Rechnungshof der Kommunen“ sich den Fall genauer anschauen. Das macht Sinn, zumal die Stadt weiter mauert und das Rechtsgutachten nicht offen legt, was zum Beispiel die Augsburger FDP fordert.

Weiterhin darf somit seitens der Bürger an der Rechtmäßigkeit von Gerd Merkles Forderungen gezweifelt werden. Daran wird sich auch kaum etwas ändern, so lange sich kein unabhängiges Gericht damit befasst hat.