Kommentar zum FCA: Sprachschablonen, die zum Repertoire eines Jugendtrainers gehören sollten
Man muss keine Statistik bemühen, um folgende These zu plausibilisieren: Ergebnisse täuschen auch Sportreporter in hohem Maße – und zwar dergestalt, dass sie selbst an den von ihnen verbreiteten Unsinn glauben, dass zum Beispiel der FCA gegen Dortmund in der ersten Halbzeit “auf Augehöhe” mitspielte.
Kommentar von Siegfried Zagler
Dabei war für jedermann mit Augen zu erkennen, dass die Dortmunder Topstars all zu oft all zu viel Raum hatten, vier sogenannte “Hunderprozentige” vergaben, während der FCA in 46 Spielminuten aus einer Chance zwei Tore machte. Im Heimspiel gegen München, die zweite Übermannschaft der Liga, war es nicht anders: Nur ein halbes Dutzend leichtfertig vergebene Topchancen der Bayern hielt die deutlich unterlegenen Augsburger im Spiel, weshalb mit viel Glück am Ende ein unglaublicher Punkt zu Buche stand. Gegen Bayern, wie gestern gegen Dortmund, war der FCA nur hauchdünn von einem Debakel entfernt.
Die Taktik gegen Champions-League-Teams ist bewährt: Spielaufbau stören, Spielaufbau stören und Spielaufbau stören und zwar so weit vorne wie möglich, damit man bei Balleroberung eine Chance hat, ein Tor zu erzielen. Und da dieses Spiel ungeheuer Kraft kostet, muss man ein paar “Tiefen-Intervalle” einlegen, also mit zwei Viererketten zwischendurch erst 35 bis 40 Meter vor dem Tor mit der Verteidigung beginnen, um nach fünf bis zehn Minuten wieder auf hohes Pressen umzuschalten.
So viel zur reinen Lehre, die man selbstverständlich ändern kann, wenn die darin eingespeiste Hoffnung aufgeht, dass man z.B. in Führung geht. Dann ist es natürlich sofort legitim, tiefer zu verteidigen und einen zusätzlichen Defensivakteur zu bringen, um nur noch mit schnellen und bissigen Kontern, mit Standard-Situationen und zwischendurch mit langen Bällen nach vorne zu spielen.
Wie ein Trainer in solchen Fällen reagiert, hängt aber nicht nur vom Spielzeitpunkt ab, sondern auch davon, welche Spieler er einwechseln kann. Und es hängt auch vom Mindsetting und den Fähigkeiten eines Trainer ab, ob seine Mannschaft beide Systeme im Rahmen eines Spieles zu wechseln versteht. “Hinterher kann man immer schlau daher reden”, sagt der Volksmund so treffend.
Doch die Fehler, die sich der FCA nach zweimaliger Führung gegen den BVB leistete, sind mit Händen zu greifen: Die letzte Linie der Abwehr stand auch nach dem 3:1 (55.) weiterhin hoch, obwohl die vordere Abwehrreihe und der Sturm nicht mehr intensiv zu pressen in der Lage waren. Sich auskontern zu lassen, obwohl man mit zwei Toren Unterschied zu Hause führt, ist taktisch betrachtet, das wohl dümmste, das sich eine Mannschaft vorwerfen lassen muss. Wenn man trotz des Spielglücks, das Augsburg gegen Dortmund in hohem Maße hatte, nicht punktet, dann muss sich auch der Trainer hinterfragen lassen.
“Zwar vermied er es, den Trainer zu nennen, doch es war ihm anzumerken, dass er ein Eingreifen von außen erwartet hätte: “Wir hatten zu viel Selbstvertrauen. Wenn du 3:1 gegen Dortmund führst, können wir nicht denken, dass wir 4:1 oder 5:1 gewinnen und dass wir alle nach vorne laufen können und dort auch noch stehen bleiben. Das geht gar nicht.” Man hätte auf Konter spielen müssen. “Das ist ja auch unsere Qualität und Stärke. Es sah für mich aus, als würden wir mit Dortmund mitspielen wollen, aber soweit sind wir noch nicht.”
“Er” ist in diesem Fall Jeffrey Gouweleeuw, der von der Augsburger Allgemeinen zitiert wird. Gouweleeuw, der wohl gerne nach dem 3:1 tief und bissig (mit Konterattacken) verteidigt hätte, hätte gerne eine Intervention des Trainers gesehen, als nach der zweiten Führung euphorisierte Abwehrspieler ohne Verstand nach vorne liefen – und dort auch noch stehen blieben. So munkelt die Augsburger Allgemeine und unterstellt dem Niederländer eine indirekte Kritik am Trainer.
Gouweleeuw darf das übrigens, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Es ist eher so, dass für den Trainer Alarmstufe Rot aufleuchtet, wenn der Augsburger Abwehrchef nörgelt. Als er das bei Manuel Baum tat, war Baum wenig später weg.
Unabhängig von taktischen Kritikpunkten bleibt auch der Vorwurf an Schmidt, dass er offenbar nicht zu erkennen in der Lage ist, welche Spieler in die Startelf gehören und welche nicht. Tin Jedvaj für einen fitten Felix Uduokhai spielen zu lassen, ist ebenso unverständlich wie Schmidts Haltung zu Reece Oxford, den der Augsburger Trainer lange für einen bundesligatauglichen Spieler hielt.
Ziemlich schräg wurde es am gestrigen Sonntag, als es 3:3 stand und der FCA immer noch nicht begriff, was die Stunde schlug: Tin Jedvaj geigte in der gegnerischen Hälfte herum, vorne wurde nicht mehr gepresst und dennoch waren alle weit aufgerückt, als ginge es jetzt darum, unter allen Umständen wieder in Führung zu gehen. Für diese Amateurfußballerei ist zuvorderst der Trainer verantwortlich. Und zum Schluss noch eine sarkastische Bemerkung: “Daraus haben wir viel gelernt” bzw. “Wir nehemen viel Positives mit” sind Sprachschablonen, die zum Analyse-Repertoire eines Jugendtrainers gehören sollten.