Kommentar: Wahlkampf geht anders
Der Kommunalwahlkampf in Augsburg kommt nicht in Fahrt. Das hat mit dem Dreierbündnis und mit einer daraus folgenden schwachen Opposition zu tun. Doch stellen wir uns mal vor, es wäre anders!
Kommentar von Siegfried Zagler
Das von OB-Gribl installierte Dreierbündnis aus CSU, SPD und Grüne war von Beginn an ein verdrehtes Kunstprodukt, das nur ein Ziel hatte, nämlich die politische Macht von Kurt Gribl stabil zu halten. Das ist gelungen. Kurt Gribl reifte zu einer mächtigen Figur und zum Gestalter der Augsburger Lokalpolitik. Dafür hat die Stadt Augsburg einen hohen Preis bezahlt, denn die aktuelle Stadtregierung unter Kurt Gribl ist die inhaltlich und auch personell schwächste Stadtregierung seit Jahrzehnten.
Zu viele unnötige Stellen wurden geschaffen, zu viele Schulden wurden gemacht, zu viele Arbeitsplätze gingen verloren, zu wenige Ansiedlungen von Unternehmen sind zu verbuchen, zu wenige Kita-Plätze wurden geschaffen, zu wenige Sozialwohnungen geplant und gebaut. Eine Kulturpolitik findet nicht statt. Eine inhaltlich schwache Theatersanierung geht schleppend voran, die Kosten für den Bahnhofstunnel fressen den Stadtwerken die Haare vom Haupt. Drei Millionen Euro Haushaltsmittel wurden vom Sozialreferat wegen eines verfristeten Antrags verschludert, 28 Millionen standen deshalb auf der Kippe. Zum Mozartjubiläum bleibt das Mozarthaus geschlossen. Die städtischen Schulen gammeln vor sich hin und der Stadt fehlt das Geld für eine geordnete Sanierung. Die Straßen sind in einem katastrophalen Zustand, der Stadt fehlt das Geld für eine umfassende Sanierung. Nicht notwendige Baumfällungen evozierten nachhaltige Bürgerproteste.
Es war zuvorderst Kurt Gribl, der krachend im Quasi-Alleingang an der von ihm anvisierten “Thüga-Fusion” scheiterte, es war aber die Stadtregierung, die diesem Vorhaben zustimmte und von den Bürgern zurückgepfiffen wurde.
Welche Erfolge hat also die aktuelle Stadtregierung zu verbuchen? Das Staatstheater war ein Wahlkampfgeschenk von Söder, das selbst Kurt Gribl überrascht hat. Neben dem Uni-Klinikum, das bereits in der ersten Gribl-Periode auf den Weg gebracht wurde, bleibt eigentlich nur das Unesco-Weltkulturerbe, das erstens sehr schleppend verfolgt wurde und zweitens ebenfalls in der ersten Gribl-Periode von dem damaligen Kulturreferenten Peter Grab mit einem geringen Etat angestubst wurde. Modular, Sommernächte, Radlnächte, Welterbefeiern? Je schlechter die Stadtpolitik ist, desto stärker wird öffentlich die Pauke geschlagen.
Es gäbe also genügend Zündstoff für einen Funkenschlag und einen heißen Wahlkampf zur kommenden Kommunalwahl. Doch wer ist dazu bereit? Die Linken haben sich zu einer Empörungspartei entwickelt, die FDP scheint nur auf Wahlplakaten zu existieren, die ÖDP ist eine One-man-show, ebenso die Freien Wähler, die nie vergessen dürfen, dass sie in Bayern mitregieren, die Polit-WG und die WSA. Pro Augsburg hat ein wenig Struktur, nutzt diese aber meist nur temporär. Die Grünen und die SPD müssen sich im Wahlkampf vornehm geben, denn sie sind ein Teil der Regierung und somit ein Teil des Problems. Bleibt also nur die Liste “Augsburg in Bürgerhand”, aber Bruno Marcon scheint darauf Wert zu legen, dass auch diese Liste eine One-man-show bleibt – und steht deshalb auch auf der Kippe, da die Unterschriften der Unterstützer nur langsam eintrudeln, möglicherweise zu langsam.
Doch stellen wir uns mal vor, der Augsburger Stadtrat wäre nicht so nachhaltig entpolitisiert, würde nicht so oppositionslos vor sich hinsiechen. Stellen wir uns also Politik vor, die noch skandalisiert, was zu skandalisieren wäre. Stellen wir uns also eine SPD vor, die noch einen politischen Gegner hat, stellen wir uns Grüne vor, die mit aller Macht zur Macht streben.
Und nehmen wir zusätzlich an, da das Vorstellen, die Fantasie anregt, die designierte Oberbürgermeisterin Eva Weber (OB-Kandidatin der CSU) wäre das alleinige Ziel einer breit gefächerten und gut organisierten Oppositionspolitik. Schließlich muss Eva Weber für die Schuldenpolitik, die schwache Wirtschaftspolitik und für alle anderen Misserfolge gerader stehen als die Kandidaten der Grünen und der SPD.
Unterstellen wir der SPD und den Grünen also einen Willen zur Macht, eine Lust am Gestalten, die über ein oder zwei Referentenposten hinausgeht. Stellen wir uns also an einem kalten Wintertag einen heißen Wahlkampf vor (“Alle grillen Eva Weber”). Das mag unwahrscheinlich sein, aber immerhin vorstellbar. Eva Webers CSU-Wahlprogramm wäre schnell entzaubert und als neoliberale Aufzählung von wunschkonzertartigen Überlegungen entlarvt, die man gerne anstellt, wenn man in der Breite allen irgendwie gefallen will und niemand richtig zu verprellen hat.
Wahlkampf sollte eine Hochzeit, eine Zuspitzung eines demokratischen Diskurses sein. 2014 war das in Augsburg noch ein wenig der Fall, obwohl damals die großen Themen fehlten. Wahlkampf 2020 ist dagegen richtig trostlos: Die Parteien marschieren über ihre selbst gezimmerten Laufstege und führen ihre Wunsch-Programme vor, als wären sie exklusiv geschneiderte Kleider, die für alle gemacht sind und allen passen. Wen soll man am 15. März wählen und warum? Niemand scheint es zu wissen. Wahlkampf geht anders.