MEINUNG
Kommentar: Schmidt hat den FCA noch nicht besser gemacht
Die Tabellenstände von Vereinen wie Nürnberg, Stuttgart, Hannover, Düsseldorf, Hamburg, Bremen, Berlin, Köln, Schalke, Hoffenheim, Freiburg, Gladbach und Wolfsburg, aber auch von Leverkusen oder Frankfurt erzählen die immer gleiche Geschichte des Fußballs, dass es nämlich schnell nach unten wie nach oben gehen kann.
Von Siegfried Zagler
Außer Bayern und Dortmund (und wohl auch Leipzig) ist in der Fußballbundesliga niemand vor dem Abstiegsgespenst sicher. Der stets mögliche Abstieg in die zweite Liga ist längst durch den Verteilungsschlüssel der Fernsehgelder zu einer existenzbedrohenden Angelegenheit geworden: Wer auch nur ein Jahr in der zweiten Liga kickt, kommt bestenfalls als finanziell “benachteiligter Aufsteiger” zurück oder versinkt für lange Zeit in den Untiefen der Zweit- oder Drittklassigkeit. In Augsburg hat man seit Beginn der Bundesligazeit den Nichtabstieg zu einem Programm gemacht, und dabei die Legende von der FCA-Familie kreiert, die ihre finanziellen Defizite durch eine besondere Philosophie des Zusammenhalts ausgleichen könne. Ein Zusammenhalt, der sich von der Vorstandsschaft über die Fans auf den Platz übertragen haben soll: Eine von Beginn an taktisch motivierte Legende, eine Lüge, die nie einen Hauch Wirklichkeit in sich trug.
Erst mit Manuel Baum als Cheftrainer schien sich diese Legende nachträglich in die Wirklichkeit transportieren zu lassen. Baum war genau der passende Augsburger Trainer-Typus, das richtige Gesicht zur falschen Legende: ein Schullehrer, der die schwäbische Bescheidenheit und Gründlichkeit verkörpert – und dabei ordentliche Erfolge einfuhr. Seine Suspendierung erfolgte laut Reuter und Hofmann aus einem einzigen Argument heraus, nämlich wegen zu starken Leistungsschwankungen auf dem Platz, die Präsident Hofmann offenbar nicht mehr ertragen wollte. Reuter, so munkelt man unter den Augsburger Journalisten, hätte Baum niemals von sich aus in Frage gestellt.
Im Fußball werden fast alle Personalentscheidungen vom Tabellenstand abhängig gemacht. Hätte der FCA in der Hinrunde in Dortmund (verdient) gewonnen, wären in der ersten Phase der Hinrunde durch Torhüterpatzer nicht 6-8 Punkte verschenkt worden, wäre Baums Trainerleistung keine Sekunde hinterfragt worden. Ergebnisse sind der Maßstab für erfolgreiche Arbeit. Dass die Ergebnisse nicht stimmten, lag nicht an Baum, auch wenn man öfters den Eindruck hatte, dass Baum im taktischen Bereich zu viel von der Mannschaft wollte. Festzuhaltenn ist aber, dass weder Publikum noch Vorstand, weder Journalisten noch Spieler gerne einem Trainer zuhören, der regelmäßig über die Erfolgslosigkeit seiner Mannschaft sprechen muss. Ein Trainer ist schnell verbraucht, schnell demontiert. Baums Demontage begann mit der Verpflichtung von Jens Lehmann und endete mit dem Statement von Gouweleeuw.
Manchmal muss man alles, was gestern noch richtig war, über Bord werfen, um in großer Not einen Schub durch einen neuen Impuls zu erhalten. Das Wechsel-Manöver von Baum zu Schmidt wirkte, Krise hin, Leistungsschwankungen her, jedenfalls viel zu kurz gedacht und nervös am Tabellenstand orientiert. Wirkte aber auch nach den Mythen des Fußballgeschäfts verständlich: Wenn der Absturz in die zweite Liga droht, muss jeder Stein umgedreht werden. Dann folgten sechs Punkte, die man zunächst dem neuen Trainergespann zuschrieb. “Grausam für Baum, aber alles richtig gemacht”, so der Kanon unter den FCA-Beobachtern, schließlich habe man mit Martin Schmidt auch einen erfahrenen Bundesligatrainer verpflichtet.
Nun das: Den Leistungsabfall, wie gestern gegen Leverkusen, könnte man nach Lesart von Hofmann und Reuter auch Martin Schmidt anlasten, dem (wie Baum) eine Mannschaft zur Verfügung steht, die offenbar Tagesformschwankungen nicht abstellen kann – unabhängig davon, wer an der Seitenlinie coacht. Gegen Leverkusen hat mit Schmidt man nicht besser verloren als gegen Freiburg, Nürnberg oder Hoffenheim mit Baum. Auch unter Baum gab es großartige Spiele wie gegen Frankfurt, gab es Spiele wie gegen Stuttgart, gab es sechs Punkte in Folge. Noch hat Martin Schmidt den FCA keinen Deut besser gemacht. Das ist die bittere Erkenntnis nach dem Leverkusenspiel.