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Freitag, 19.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Keine Infrastruktur für den Kaisersee

In der gestrigen Stadtratsitzung war die Entwicklung des Kaisersees zu einem Badesee sowohl im öffentlichen als auch im nichtöffentlichen Teil Gegenstand der Tagesordnung. Einen Projektbeschluss gab es aber nicht.

“Die Augsburger suchen den Kaisersee gerne zur Naherholung auf. Viele Badegäste wünschen sich allerdings etwas mehr Komfort. Denn die Rahmenbedingungen sind schlecht.” So beginnt der 44. Punkt aus dem 100-Punkte-Programm, mit dem OB Kurt Gribl 2008 in den Wahlkampf gezogen war. Folgerichtig tauchte im Dezember 2008 das Projekt “Naherholungsgebiet Kaisersee” auf der Tagesordnung des Umweltausschusses auf. Damals war der Ausbau aller Ufer, ein Badebereich für Familien, ein FKK-Bereich, ein Spielplatz, Toiletten, Kiosk, mehrere Hundert Parkplätze und eine Lärmschutzwand vorgesehen.

Nicht ausgebauter Kaisersee: Herr Gribl, Sie haben 99 Punkte

Nicht ausgebauter Kaisersee:

Herr Gribl, Sie haben 99 Punkte


Das rund 4 Millionen Euro schwere Projekt verschwand jedoch ohne Diskussion und Beschluss wieder in der nichtöffentlichen Versenkung. In den vergangenen Monaten arbeitete die Verwaltung eine kleine Lösung für einen Badesee aus, mit rund 1 Million wesentlich kostengünstiger. Entstehen sollten Toiletten, ein Kiosk, ein Gebäude für die Wasserwacht und rund 100 Parkplätze, alles am Südufer des Sees situiert.

“Der Kaisersee ist ein intensiv genutzter See, aber nicht dafür vorgesehen”, so Umweltreferent Rainer Schaal in seinem gestrigen Bericht. OB Kurt Gribl ergänzte: “Es geht darum, zumindest Missstände zu beseitigen und den See mit zumutbaren Bedingungen zu versehen”. Ganz im Tenor seines 44. Wahlkampfpunktes, wo es heißt: “Keine Parkmöglichkeiten, keine Toiletten, kein Kiosk. Mit anderen Worten: Keine Infrastruktur. Das werden wir ändern. Wir werden den Freizeit- und Erholungswert des Kaisersees durch Maßnahmen zur Infrastruktur verbessern.”

Entweder Badesee oder Flughafen

Reiner Erben (Grüne) und Stefan Quarg (SPD) vermissten zunächst ein Gesamtkonzept für die Naherholung. “Auf die erkannten Missstände am Kö haben Sie auch mit einem innerstädtischen Gesamtkonzept reagiert”, so Stefan Quarg.

Die wirklich massiven Bedenken der Opposition resultierten jedoch aus der Flughafennähe des Kaisersees. Fraktionschef Stefan Kiefer (SPD): “Der See ist objektiv nicht entwicklungfähig, wenn man den Flughafen will. Sie müssen sich entscheiden”. Klaus Kirchner (SPD) befürchtete die Mobilisierung alter Flughafengegner. Die Wirtschaft habe deutlich bekundet, dass sie den Flughafen brauche. Karl-Heinz Schneider (SPD) forderte die Einholung einer Aussage der zuständigen Luftfahrtbehörden: “So lange dies nicht geschehen ist, lohnt es sich nicht weiterzudiskutieren”. Klaus Kirchner bedauerte, dass man ohne verwaltungsinterne Abklärung mit dem Projekt an die Öffentlichkeit gegangen sei: “Sie wecken Erwartungen bei den Badegästen und Verunsicherung bei den Nutzern des Flughafens”.

“Hygienische Verpflichtung”

Rainer Schaal argumentierte dagegen: immissionsrechtlich gebe es keinen Unterschied zwischen der derzeitigen und der geplanten Situation. Die Vogelschlaggefahr würde sich durch den Badebetrieb sogar verringern. Der Gefahr der Blendwirkung parkender Autos wäre man durch die Anordnung der Parkplätze auf der flughafenabgewandten Südseite des Sees begegnet. Auch der Finanzlage sei mit der von vier auf eine Million abgespeckten Lösung Rechnung getragen.

Für Johannes Hintersberger (CSU) war die Thematik Flughafen contra Badesee keine Frage des Entweder-Oder, sondern des Sowohl-Als-Auch. Die Entwicklung des Badesees sei “verkehrlich und hygienisch eine Verpflichtung”. Auch Erwin Gerblinger (CSU) sah die geplanten Toiletten als Grundwasserschutz und die Argumente der SPD als “Spitzfindigkeiten, um ein Projekt aufzuhalten”.

Im öffentlichen Teil der Stadtratsitzung, der nur den Bericht vorsah, endete der Tagesordnungspunkt Kaisersee im Dissens. Bei der Abstimmung setzten sich die Bedenkenträger durch. Nach Informationen unserer Zeitung fand die Beschlussvorlage für einen qualifizierten Badesee im anschließenden nichtöffentlichen Sitzungsteil keine Mehrheit. Wie es aussieht, wird es am Ende der Legislaturperiode also maximal heißen können: “Herr Gribl, Sie haben 99 Punkte”.